Arzneimittel und Therapie

Abciximab effektiver als Standardtherapie

Die Verwendung von Acetylsalicylsäure, Heparin und Ticlopidin war bisher der pharmakologische Standard, um Thrombosen bei angioplastischen Eingriffen vorzubeugen. Mit den neu entwickelten Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitoren steht nun eine weitere Therapiemöglichkeit zur Verfügung, die auch bei Risikopatienten erfolgversprechend ist. Abciximab, ein Vertreter dieser Wirkstoffklasse, konnte in der EPISTENT-Studie seine Überlegenheit gegenüber der Standardmedikation bei Ballon-Angioplastie und speziell beim Koronar-Stenting zeigen.

Abciximab - ein Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitor


Abciximab ist das Fab-Fragment eines monoklonalen Antikörpers und wird gentechnisch hergestellt. Es ist selektiv gegen den Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptor gerichtet, der sich auf der Oberfläche menschlicher Thrombozyten befindet. Abciximab verhindert, daß Fibrinogen, Willebrand-Faktor und andere adhäsive Moleküle an diesen Rezeptor binden. So kann die Endstrecke der Thrombozytenaktivierung und -aggregation gehemmt werden.
Die Blutplättchenfunktion normalisiert sich innerhalb von 48 Stunden, obwohl der Wirkstoff für mindestens zwei Wochen in thrombozytengebundener Form im Blutkreislauf verbleibt.
Abciximab ist seit Juni 1995 unter dem Handelsnamen ReoPro(r), Beiersdorf-Lilly, im Handel.
Das Koronar-Stenting ist eine moderne angioplastische Methode zur perkutanen Revaskularisierung, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Hierbei wird ein selbstexpandierendes, scherengitterartiges Material, ein sogenannter Stent, im Gefäß plaziert, wodurch das Lumen von arteriosklerotisch bedingten Koronarstenosen wieder erweitert werden kann. In europäischen und amerikanischen Kliniken wird das Koronar-Stenting heute bereits bei über 60% aller angioplastischen Behandlungen eingesetzt. Für das Jahr 1998 wird mit weltweit 500000 derartigen Eingriffen gerechnet. Deshalb ist es ein wichtiges Ziel, dieses innovative Verfahren durch medikamentöse Unterstützung so sicher wie möglich zu gestalten.

Gesteigerte Neigung zur Thrombusbildung


Stent-Implantate können die Expression von Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptoren auf der Oberfläche von Thrombozyten aktivieren. Damit wird die Neigung zur Blutpfropfenbildung gesteigert, was sich in subakuten Thrombosen widerspiegelt. Dieses Syndrom tritt bei 1 bis 3% der Patienten in den ersten Tagen nach der Stent-Implantation auf und kann zum Herzinfarkt oder Tod führen. Die pathophysiologischen Auslöser können jedoch durch eine effektive Plättcheninhibition kontrolliert werden.

2399 Patienten in multizentrischer Studie


Mit der EPISTENT-Studie, einer randomisierten, plazebo- und ballonangioplastiekontrollierten klinischen Studie, wurden nun die Wirksamkeit und Sicherheit des Wirkstoffs Abciximab (eines IIb/IIIa-Inhibitors) beim Koronar-Stenting überprüft. An 63 Krankenhäusern in USA und Kanada wurden vom 22. Juli bis 25. September 1997 insgesamt 2399 Patienten mit ischämischen Herzkrankheiten und entsprechenden Koronarläsionen zu dieser Studie herangezogen. Die Randomisierung ergab folgende Gruppeneinteilung:

  • Stenting plus Abciximab (n=794)
  • Ballonangioplastie plus Abciximab (n=796)
  • Stenting plus Plazebo (n=809)


Voraussetzung zur Aufnahme in die Studie war, daß die Koronarläsionen das Gefäß um mindesten 60% verengt hatten und die Stenosen für Ballonkatheter genauso zugänglich waren wie für eine Stent-Implantation. Zu den Ausschlußkriterien zählten: eine hämorrhagische Diathese, intrakranielle Neoplasmen, Schlaganfall während der letzten beiden Jahre, unkontrollierte Hypertonie (systolischer Wert über 180 mmHg, diastolischer über 100 mmHg), eine gleichzeitige Warfarin-Therapie sowie vorhergehende Operationen oder eine perkutane Koronarintervention während der letzten drei Monate.

Täglich 325 mg Acetylsalicylsäure, 250 g Ticlopidin und Abciximab


Alle Patienten erhielten spätestens zwei Stunden vor dem Eingriff und nachfolgend täglich 325 mg Acetylsalicylsäure. Es lag im Ermessen des untersuchenden Arztes, ab welchem Zeitpunkt die Probanden der beiden Stent-Gruppen zweimal pro Tag 250 mg Ticlopidin zusätzlich bekamen. Ticlopidin sollte jedoch möglichst vor der Studiensubstanz Abciximab verabreicht werden.
Abciximab wurde in der Studie bis eine Stunde vor dem kardialen Eingriff in einer Dosierung von 0,25 mg/kg Körpergewicht appliziert, gefolgt von einer Infusion mit 0,125 mg/kg pro Minute (max. 10 mg pro Minute) für zwölf Stunden. Die eingesetzte Heparinmenge wurde für alle Studienteilnehmer berechnet: Abciximab-Patienten erhielten 70 Einheiten Heparin pro Kilogramm Körpergewicht, gegebenenfalls mit einem Bolus, um eine aktivierte Blutgerinnungszeit (ACT) von mindestens 200 Sekunden zu erreichen. Patienten der Plazebogruppe erhielten einen Heparin-Initialbolus von 100 Einheiten je Kilogramm Körpergewicht, gefolgt von weiteren Boli, um einen ACT-Wert von mindestens 200 Sekunden aufrechtzuerhalten.
Die vorgesehene Studien-Medikation konnte in jeder Gruppe bei über 98,5% der Patienten planmäßig verabreicht werden. Die angioplastischen Eingriffe konnten bei 99% aller Patienten durchgeführt werden.

Abciximab senkt Mortalität beim Koronar-Stenting


Hauptzielkriterium war bei dieser Studie eine Kombination der Messungen von

  • Mortalität,
  • Häufigkeit von Myokardinfarkt oder Reinfarkt,
  • starker Myokardischämie, die einen Bypass erforderlich machte,
  • dringender Revaskularisierungen


innerhalb der ersten 30 Tage nach dem Eingriff.
Die Abciximab-Therapie zeigte in der Studie gegenüber Plazebo eine signifikante Reduzierung der Hauptereignisrate. Die primären Endpunkte Tod, Myokardinfarkt oder Revaskularisationen während der ersten 30 Tage traten in der Stent-Abciximab-Gruppe (5,3%) und in der Ballonangioplastie-Abciximab-Gruppe (6,9%) deutlich weniger auf als in der Stent-Plazebo-Gruppe (10,8%). Größere Blutungskomplikationen wurden unter Stent plus Abciximab (1,5%) und unter Ballonangioplastie plus Abciximab (1,4%) seltener beobachtet als mit Stent plus Plazebo (2,2%). Eine Plättchen-Glykoprotein-IIb/IIIa-Blockade mit Abciximab verbessert also die Sicherheit des Koronar-Stentings erheblich.

Schlußfolgerung: verbesserter Standard


Die EPISTENT-Studie belegt, daß die bisherige Standardprophylaxe mit Acetylsalicylsäure, Heparin und Ticlopidin nicht optimal ist und mit Abciximab eine Verminderung der Hauptereignisrate von etwa 50% erreicht werden kann. Bezieht man die Ergebnisse der Studie auf alle perkutanen Koronareingriffe weltweit, dann könnte Abciximab voraussichtlich mehr als 2500 Todesfälle und rund 40000 Herzinfarkte verhindern. Literatur
Topol, E. J., et al.: Randomized placebo-controlled and balloon-angioplasty-controlled trial to assess safety of coronary stenting with use of platelet glykoprotein-IIb/IIIa blockade. Lancet 352, 87-92 (1998).
Christiane Weber, Reutlingen

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