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Arzneimittel und Therapie
Spendebereitschaft rettet Leben
Richtlinien für die Vergabe von Spendernieren
Die Zahl der Dialysepatienten, die länger als fünf Jahre auf eine Niere warten müssen, ist in den vergangenen Jahren reduziert worden. Dies ist einer der positiven Effekte der Vergabe-Richtlinien für Spendernieren, die seit März 1996 bei der zentralen Vermittlungsstelle für Spenderorgane, Eurotransplant in Leiden/Niederlande, angewendet werden. Eurotransplant koordiniert den Austausch und die Verwendung passender Organe in und zwischen den Mitgliedsländern Österreich, Deutschland und den Benelux-Staaten. Derzeit sind hier etwa 15000 Patienten registriert, die auf eine Spenderniere warten, davon etwa 10800 aus Deutschland. Im vergangenen Jahr konnten 2249 deutsche Dialysepatienten transplantiert werden.
In vielen Fällen darf die gesamte Prozedur von der Organentnahme beim Spender bis zum Augenblick der Transplantation beim Empfänger nicht länger als einige Stunden dauern. Die Zentrale von Eurotransplant ist daher rund um die Uhr besetzt.
Die Organzuteilung erfolgt nach Dringlichkeit des Empfängers und nach der Erfolgsaussicht. Altersgrenzen für die Transplantation einer Niere gibt es nicht. Kinder erhalten jedoch einen Sonderbonus, da sie besonders auf eine neue Niere angewiesen sind.
Fünf Faktoren entscheiden über die Vergabe einer Spenderniere:
- die Gewebeübereinstimmung zwischen Spender und Empfänger,
- die Wartezeit,
- die genetische Chance eines Patienten mit seltenen Gewebemerkmalen,
- die Entfernung zwischen dem Krankenhaus, wo die Organe entnommen werden, und dem Empfängerzentrum,
- die Organspendebilanz zwischen den Eurotransplant-Partnerländern.
Derzeit erhält Deutschland über den internationalen Austausch von Spenderorganen mehr Organe, als es selbst zur Verfügung stellt. Um die Spendebereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen, ist eine bessere Information gefragt. Durch das am 1. Dezember 1997 in Kraft getretene Transplantationsgesetz ist zwar eine erhöhte Rechtssicherheit geschaffen worden, viele Menschen sind jedoch noch nicht ausreichend informiert. Nach diesem Gesetz sind die nächsten Angehörigen zu einer Entscheidung im Sinne des Verstorbenen befugt, wenn dieser selbst keine Willenserklärung hinterlassen hat, die unbedingt respektiert wird. Liegt keine Willenserklärung vor und sind keine Angehörigen vorhanden oder erreichbar, ist die Organentnahme unzulässig.
Lebendnierenspende als Alternative
Eine Alternative zu der herkömmlichen Organspende ist die Lebendnierenspende. Hier sind die Chancen für
das Funktionieren des Transplantates am höchsten. Dennoch versagen im Zeitraum eines Jahres etwa 5 bis 10% der Lebendnieren-Transplantate. Die Transplantation zwischen Geschwistern ist besonders aussichtsreich, doch auch Lebendnierenspenden von nicht blutsverwandten Lebenspartnern weisen eine Erfolgsquote von 90% auf, sogar bei ganz unterschiedlichen Gewebeverträglichkeits-Antigenen. Das Risiko für den Spender, an den Folgen der Nierenentnahme zu sterben, ist sehr gering und liegt bei 0,03 bis 0,06%. Eine größere Untersuchung in den USA nennt fünf Todesfälle auf 19368 Lebendspenden. Die Lebendspende eines nicht erneuerungsfähigen Organs wie der Niere ist nur zwischen Verwandten ersten und zweiten Grades, Ehegatten, Verlobten oder anderen Personen, die sich in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen, gesetzlich erlaubt. Damit soll ein Organhandel unmöglich gemacht werden. Eine uneigennützige anonyme Lebendspende zugunsten eines dem Spender unbekannten Empfängers läßt das Gesetz nicht zu, da hier die Gefahr des Organhandels besteht.
Xenotransplantation als Ausweg?
Eröffnet die Übertragung von Tierorganen auf den Menschen, die sogenannte Xenotransplantation, neue Möglichkeiten? Diese Organe ständen in nahezu unbegrenzter Zahl zur Verfügung und könnten zumindest das Problem des Organmangels lösen. Dafür entstehen aber neue Probleme: Die immunologischen Oberflächenstrukturen der tierischen Zellen unterscheiden sich wesentlich von denen des Menschen, eine sehr starke Immunsuppression wäre notwendig. Möglicherweise sind die Organe transgener Tiere besser geeignet. Aber auch andere tierische Proteine, beispielsweise verschiedene Enzyme, und Hormone unterscheiden sich stark von denen des Menschen und können zu Unverträglichkeiten führen.
Eine weitere Gefahr von Xenotransplantationen ist die Übertragung von tierischen Krankheitserregern (Xenozoonosen) auf den Menschen unter den Bedingungen der starken Immunsuppression. Während die meisten bakteriellen Erreger bekannt sind, geht von Viren, insbesondere von Retroviren, eine heute noch nicht einschätzbare Gefahr aus. Deshalb müßten bei klinischen Xenotransplantationen erhebliche Vorsichtmaßnahmen getroffen werden, bis vollständige Sicherheit besteht, daß eine Übertragung von Retroviren auf den Patienten selbst, seine Umgebung oder die Bevölkerung nicht möglich ist.
Kleine Fortschritte in der Xenotransplantation konnten mit der Übertragung von Schweineinselzellen auf den Menschen erzielt werden. Schweineinsulin unterscheidet sich nur in einer Aminosäure von dem menschlichen Hormon. Der Blutzuckerspiegel von Mensch und Schwein bewegt sich in den gleichen Grenzen, so daß Insulin aus Schweineinselzellen menschliches Insulin ersetzen und den Blutglucosespiegel aufrecht erhalten kann. Eine Übertragung derartiger Zellen auf den Menschen ist bereits gelungen. Die tierischen Zellen waren dabei von einer biokompatiblen Membran (z. B. aus Alginaten) umhüllt, die einen direkten Kontakt der antigenen tierischen Strukturen mit dem Immunsystem des Menschen verhinderte. Eine Immunsuppression war daher nicht notwendig.
Quelle
Prof. Dr. Claus Hammer, München, Prof. Dr. rer. nat. Karin Ulrichs, Würzburg, Prof. Dr. Günter Kirste, Freiburg, Presse-Round-Table auf der 7. Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft: "Knappe Spenderorgane - gerechte Verteilung! Xenotransplantation ein Ausweg?", Freiburg, 20. November 1998.
Dr. Bettina Hellwig, Stuttgart
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