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- DAZ 36/1999
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Die Seite 3
Das Szenario eines totalitären Überwachungsstaates, das George Orwell in seinem bekannten Roman "1984" bereits Ende der 40er Jahre zeichnete, droht, in Ansätzen jedenfalls, im Jahr 2000 Realität zu werden - wenn das geplante Gesundheitsreformgesetz der grünen Gesundheitsministerin Fischer in der vorliegenden Form in Kraft treten sollte. Die vollkommene Überwachung und Beeinflussung des Bürgers, der gläserne Mensch und Patient, der bis in seine eigenen vier Wände vom Überwachungsstaat verfolgt wird - mit der geplanten Gesundheitsreform 2000 sind wir nicht mehr allzu weit davon entfernt. Der Gesetzentwurf gibt den Krankenkassen nicht nur mehr Macht, sondern eine Allmacht. Statt dass ihre Aufgabe auf das reduziert wird, was sie sind, nämlich ein Dienstleistungsunternehmen, das wie andere Versicherungen auch, Versichertengelder verwaltet und kostenbewusst im Versicherungsfall einsetzt, werden sie durch Andrea Fischer zu Alleinherrschern über die Daten im Gesundheitswesen ernannt.
Zum Glück gibt es Datenschützer, die jetzt kräftig die Alarmglocken klingeln lassen. In einer Entschließung haben sie Ende August herausgearbeitet, dass der Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform das bisherige System der Datenverarbeitung in der gesetzlichen Krankenversicherung zum Nachteil der Versicherten verändere. Der Entwurf führt eine Reihe von neuen Mechanismen ein, mit denen Patienten, Ärzte und sonstige Leistungserbringer kontrolliert und beeinflusst werden sollen. Zu den Aufgaben der Krankenkassen sollen u. a. auch steuernde und durch den Patienten nicht geforderte Beratungen über Gesundheitserhaltungsmaßnahmen gehören, außerdem eine Prüfung der von den Ärzten erbrachten Leistungen. Eine Begründung, warum dies über Gebühr nötig sei, fehlt aber im Entwurf. Die Datenmacht, die Fischer den Kassen zutraut, geht sogar soweit, dass Abrechnungsdaten und Diagnosen aus der ambulanten ärztlichen Behandlung generell patientenbezogen übermittelt werden sollen. Die Kassen können aus solchen sensiblen Datenbeständen für jeden einzelnen Patienten ein vollständiges Gesundheitsprofil erstellen.
Nicht auszudenken, wie leicht solche Profile - zumal unter einer solchen rotgrünen Regierung - missbraucht werden können. Der gläserne Patient ist da. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient bleibt angesichts dieser Transparenz auf der Strecke. Als Patient fühle ich mich mit einem solchen System verbürokratisiert und ausspioniert. Der Patient lässt sich leicht bestimmten Risikogruppen zuordnen. An der Kenntnis, wer in welcher Risikogruppe ist, dürften dann nicht nur die Kassen Interesse haben, sondern auch die Arbeitgeber, Zusatzversicherer, Gesundheitsverbände, Werbung und sogar der Verfassungsschutz. Auch vorstellbar: Der Patient muss nicht erbetene Beratungen über Gesundheitserhaltungsmaßnahmen über sich ergehen lassen - oder seine Beiträge steigen. Es zeigt sich einmal mehr: Wer die Daten hat, hat die Macht. Und aus vorgegebener Sorge um den Patienten wird Herrschaft über den Patienten.
Übrigens, auch das vom Verfassungsrechtler Zuck im Auftrag des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg erstellte Gutachten zum Entwurf des Gesundheitsreformgesetzes weist auf datenschutzrechtliche Fragen hin und bemängelt die dadurch entstehende Datenhoheit der Krankenkassen. Die alleinige Herrschaft über die Daten, der Medizinische Dienst der Kassen als Oberkontrolleur und vorgesehene Systeme wie Einkaufsmodell und Benchmarking werfen verfassungsrechtliche Kritik auf.
Wenn sie sich nicht durch Einsicht zum Nachbessern überzeugen lässt, vielleicht können die Verfassungsrechtler und die Datenschützer die rote Grüne Fischer noch stoppen.
Peter Ditzel
2000 ist Orwellsches 1984
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