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Arzneimittel und Therapie
Neues Wirkprinzip bei rheumatoider Arthritis: Leflunomid hemmt die Krankheitspro
Die rheumatoide Arthritis ist eine Erkrankung, bei der die Gelenkknorpel zerstört werden. Die Ursachen sind noch unbekannt, diskutiert werden eine genetische Prädisposition gemeinsam mit einem infektiösen Starter, vermutlich ein Virus, der zu einer Autoimmunreaktion führt. Frauen sind etwa dreimal häufiger betroffen als Männer. Unbehandelt wirkt diese Krankheit zerstörerisch und potenziell lebensverkürzend.
Neben der Arzneimitteltherapie werden physikalische Therapiemethoden und eventuell auch operative Maßnahmen eingesetzt. Vor allem Patienten mit einem aggressiven Krankheitsverlauf sollten bereits früh wirksam therapiert werden, damit weitere Gelenkschäden verhindert werden. Destruktionen treten nämlich bereits von den ersten Krankheitswochen an auf und entwickeln sich am Anfang besonders rasch fort. Das höchste Risiko für einen aggressiven Krankheitsverlauf haben Frauen, bei denen die Krankheit schon in jungen Jahren beginnt.
Für die medikamentöse Therapie stehen zwei Arten von Arzneimitteln zur Verfügung: Symptomatisch, also schmerzstillend und entzündungshemmend wirksame Substanzen sowie krankheitsmodifizierende Stoffe.
Symptomatisch wirkende Therapie
Zu den schmerzstillend und entzündungshemmend wirksamen Substanzen gehören vor allem nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) und Corticoide in niedriger Dosierung. Diese Substanzen werden von Beginn der Erkrankung an eingesetzt, um Beschwerden zu lindern, und begleiten den Rheumatiker meist durch den gesamten Krankheitsverlauf.
Herkömmliche NSAR besitzen das Risiko schwerer, manchmal lebensbedrohlicher Magen-Darm-Nebenwirkungen. Dies liegt daran, dass sie über eine Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase zwar erwünschterweise Entzündungsmechanismen blockieren, daneben aber auch wichtige Mechanismen wie den Schutz der Magen-Darm-Schleimhaut hemmen.
Gegenwärtig stehen als Weiterentwicklung dieser Gruppe sogenannte COX-2-selektive Wirkstoffe vor der Zulassung. Diese sind nach Studienerfahrungen mit wesentlich weniger Nebenwirkungen verbunden, weil sie selektiv nur das Isoenzym (Cyclooxygenase 2 = COX 2) blockieren, das für die Entzündungsmechanismen verantwortlich ist.
"Basistherapeutika": Eingriff in den Krankheitsprozess
In den Krankheitsprozess hemmend eingreifende krankheitsmodulierende Substanzen (englisch disease-modifying antirheumatic drugs = DMARD, früher auch Basistherapeutika genannt) besitzen keine symptomatischen Wirkungen und werden deshalb meist in Kombination mit symptomatisch wirkenden Substanzen eingesetzt. Mit diesen Mitteln soll die Krankheit im Idealfall zum Stillstand gebracht werden, zumindest soll die Progression verzögert werden. Zu den krankheitsmodifizierenden Substanzen gehören Methotrexat, Goldpräparate, die Antimalariamittel Chloroquin und Hydroxychloroquin, D-Penicillamin, Azathioprin, Sulfasalazin und Mesalazin.
Frühzeitig aggressiv therapieren
Mit dem bis in die 80er Jahre üblichen Vorgehen wurde die Langzeitprognose meist kaum beeinflusst. Damals wurden zunächst "milde" Substanzen eingesetzt, und dann wurde die medikamentöse Therapie nach Art eines Stufenplans langsam gesteigert. Stark wirkende krankheitsmodulierende Substanzen wurden oft erst nach einigen Jahren verwendet.
Heute hat sich das Vorgehen geändert: In Fällen mit hoher Krankheitsaktivität verwendet man schon zu Beginn eine aggressive Strategie mit stark wirksamen Substanzen. Dabei wird weltweit am häufigsten Methotrexat eingesetzt. Lässt sich hierdurch nicht innerhalb weniger Monate eine gute Krankheitskontrolle erreichen, werden - nach dem Vorbild der Onkologie - mehrere stark wirksame Substanzen miteinander kombiniert. In Fällen mit exzessiver Aktivität der Erkrankung kann dieses Vorgehen sogar als Ersttherapie gewählt werden.
Eine gute wirksame Therapie mit mehreren Substanzen wird dann bei aktiver Erkrankung in der Regel so lange wie möglich - im Idealfall über viele Jahre - fortgesetzt. Dabei kann die Dosis versuchsweise reduziert werden, oder bei einer Kombinationstherapie kann die Anzahl der Kombinationspartner verringert werden. Manche Patienten vertragen allerdings viele dieser Arzneimittel entweder nicht, oder diese verlieren ihre Wirkung mit der Zeit. Oft wirken krankheitsmodulierende Substanzen nur wenige Jahre, manchmal nur einige Monate lang, so dass dann ein Wechsel notwendig wird.
Leflunomid: neues Wirkprinzip
Das neue Antirheumatikum Leflunomid wurde in den 70er Jahren als experimentelle Substanz in der Hoechster Forschungsgruppe entwickelt. Im Lauf der Untersuchungen stellte sich heraus, dass Leflunomid den Verlauf der rheumatoiden Arthritis positiv beeinflussen kann. Wegen seiner immunsuppressiven Wirkung wird Leflunomid auch bei anderen Autoimmunerkrankungen erprobt, beispielsweise beim Lupus erythematodes. Möglicherweise kann es auch zur Immunsuppression nach Organtransplantationen eingesetzt werden.
Leflunomid gehört zur Gruppe der Isoxazole und ist strukturell nicht mit anderen bekannten Basistherapeutika verwandt. Nach der Resorption wird Leflunomid durch Öffnen des Isoxazol-Rings in seinen aktiven Metaboliten, das Malonnitrilamid A77 1726, überführt. Leflunomid wird eingesetzt, weil es besser magenverträglich ist als sein aktiver Metabolit.
Leflunomid weist einen neuen Wirkungsmechanismus auf: Es hemmt die Proliferation von aktivierten Lymphozyten und die T-Zell-abhängige Autoantikörperbildung in B-Lymphozyten. Aktivierte Lymphozyten spielen in der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis eine wichtige Rolle: T-Zellen wandern in das Gelenk ein, werden dort aktiviert und können dann ihr zerstörerisches Werk beginnen.
Leflunomid blockiert unter anderem die De-novo-Pyrimidinsynthese durch eine reversible Hemmung des Enzyms Dihyroorotat-Dehydrogenase (DHODH). Der Effekt von Leflunomid auf verschiedene Zelltypen hängt von deren Bedarf an Pyrimidin ab: Viele Zellen können ihren Bedarf an Pyrimidinen für die Nukleotidsynthese nicht nur auf dem De-novo-, sondern auch auf dem sogenannten Salvage Pathway decken, der durch Leflunomid nicht beeinflusst wird.
Aktivierte Lymphozyten benötigen eine etwa 7- bis 8-mal größere Menge an Pyrimidinen als ruhende Lymphozyten, so dass hier der Bedarf nicht mehr nur über den Salvage Pathway gedeckt werden kann. Wird bei aktivierten Lymphozyten die DHODH blockiert, beispielsweise durch Leflunomid, kommt es hier zu einen Mangel an Pyrimidinen. Als Folge können sich die aktivierten Lymphozyten nicht weiter vermehren. In experimentellen Untersuchungen zeigten sich jedoch keine apoptotischen oder nekrotischen Effekte, mit Zufuhr von beispielsweise Uridin konnte der Zellzyklus wieder vollständig aktiviert werden.
Als weiteren Wirkungsmechanismus hemmt Leflunomid auch zelluläre Rezeptor-Tyrosinkinasen. Jede Rezeptor-Tyrosinkinase kann mehrere intrazelluläre Signalwege beeinflussen. Außerdem hemmt Leflunomid NF kappa B, einen zellulären Transkriptionsfaktor, der bei Entzündungsreaktionen eine Rolle spielt.
Drei klinische Studien mit Leflunomid
Die Wirksamkeit von Leflunomid in der Indikation "rheumatoide Arthritis" wurde in zwei Studien, die mit Plazebo und aktiver Vergleichssubstanz kontrolliert wurden, und einer aktiv kontrollierten Studie untersucht. Die drei randomisierten Studien wurden für insgesamt zwei Jahre doppelblind und kontrolliert fortgeführt, um Aufschluss über die Langzeiteffekte von Leflunomid zu erhalten. Alle Leflunomid-Patienten erhielten eine Initialdosis von 100 mg/Tag für die ersten drei Tage, gefolgt von einer Erhaltungsdosis von 20 mg/Tag ab dem vierten Tag bis Studienende.
- Für die Studie MN301 wurden insgesamt 358 Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis randomisiert. Drei Behandlungsgruppen wurden miteinander verglichen: Leflunomid (n=133, 20 mg/Tag), Sulfasalazin (n=133, 2 g/Tag) und Plazebo (n=92). Die Behandlungsdauer betrug 24 Wochen. Patienten, die von der Behandlung im Rahmen der Studie profitierten, erhielten die Möglichkeit, an kontrollierten, doppelblinden Verlängerungsstudien teilzunehmen (MN303, MN305). Patienten, die bis dahin Plazebo erhielten, wurden nach 24 Wochen doppelblind auf Sulfasalazin umgestellt. Insgesamt boten die Studien eine Behandlungsdauer von 96 Wochen.
- An der Studie US301 nahmen insgesamt 482 Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis teil. Sie erhielten entweder Leflunomid (n=182, 20 mg/Tag) oder Methotrexat (n=182; 7,5 - 15 mg/Woche) oder Plazebo (n=118). Alle Patienten wurden mit Folat (2 mg/Tag) substituiert. Die Gesamtbehandlungsdauer betrug 52 Wochen für die erste Analyse mit einer doppelblinden Verlängerung auf insgesamt 104 Wochen.
- An der Studie MN302 nahmen insgesamt 999 Patienten teil. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip zwei aktiven Behandlungsgruppen zugeordnet, Leflunomid (n=501, 20 mg/Tag) oder Methotrexat (n=498, 7,5 - 15 mg/Woche). Folsäure war keine obligate Begleitmedikation in dieser Studie.
Die Wirksamkeit von Leflunomid wurde mit etablierten Methoden gemessen: Die Zahl der schmerzhaften und geschwollenen Gelenke (nach dem 28-Gelenke-Index) und die Einschätzung der Krankheitsaktivität durch den Prüfarzt und den Patienten waren die primären Zielgrößen für die multinationalen Studien. Primärer Wirksamkeitsparameter in den USA und sekundäre Zielgröße in den anderen Studien war die "ACR20 Response", ein kombinierter Index für die Aktivitätsbeurteilung der rheumatoiden Arthritis.
Ein "ACR20 Responder" ist ein Patient, der mindestens 20% Besserung bei den schmerzhaften und geschwollenen Gelenken zeigt und darüber hinaus in drei der folgenden fünf Parameter: globale Beurteilung der Krankheitsaktivität durch den Prüfarzt, globale Beurteilung der Krankheitsaktivität durch den Patienten, "Health Assessment Questionnaire (HAQ)" als Maß für Gelenkfunktion/Funktionseinschränkung, Schmerz und Blutsenkungsgeschwindigkeit oder C-reaktives Protein als Maß für die Entzündungsreaktion. Außerdem wurde die Wirkung von Leflunomid auf die Reduktion der Gelenkzerstörung durch Röntgen-Analysen geprüft.
Leflunomid ist wirksam und sicher
Leflunomid war Plazebo in allen primären und sekundären Zielgrößen statistisch signifikant überlegen. Zwischen der Wirksamkeit von Leflunomid und Methotrexat oder Sulfasalazin wurden keine klinisch relevanten Unterschiede gefunden. Die Wirksamkeit von Leflunomid ist bereits nach einem Monat Behandlung offenkundig, stabilisiert sich nach drei bis sechs Monaten und bleibt über die gesamte Behandlungsdauer konstant. Auch im zweiten Behandlungsjahr bleibt die durch Leflunomid erzielte Besserung erhalten.
Leflunomid verlangsamt im Vergleich zu Plazebo die Gelenkzerstörung durch die rheumatoide Arthritis deutlich und statistisch signifikant. Die Ergebnisse sind mit Methotrexat und Sulfasalazin vergleichbar. Auch bei der radiologisch feststellbaren Verlangsamung der Gelenkzerstörung ist ein Langzeiteffekt über zwei Jahre Behandlungsdauer offenkundig.
Unerwünschte Wirkungen
Leflunomid ist gut verträglich. Unerwünschte Wirkungen betreffen vor allem den Magen-Darm-Trakt: Es kann zu Diarrhö, Übelkeit und Bauchschmerzen kommen. Diese unerwünschten Wirkungen sind in der Regel nicht schwerwiegend, führen nicht zum Absetzen der Medikation und sind unter fortgesetzter Behandlung reversibel. Bei etwa einem Prozent der Patienten kommt es zu einer leichten Blutdruckerhöhung. Leflunomid kann außerdem zu allergischen Reaktionen und zu einem verstärkten, reversiblen Haarausfall führen.
Darüber hinaus kann es zu reversiblen Transaminasen-Anstiegen im Serum kommen. Diese Nebenwirkung zeigt sich vor allem zu Beginn der Therapie, so dass in den ersten Wochen regelmäßige Kontrollen der Leberwerte (etwa alle zwei bis vier Wochen) erforderlich sind. Bisher wurden jedoch keine schwerwiegenden Nebenwirkungen mit Leflunomid beobachtet, während bei gleicher Dauer der Exposition zwei Fälle von idiosynkratischer Agranulozytose unter Sulfasalazin und fünf Fälle von Pneumonitis unter Methotrexat auftraten. Wegen seiner teratogenen Wirkung ist Leflunomid in der Schwangerschaft kontraindiziert.
Kombination mit Methotrexat
Aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsmechanismen von Leflunomid und Methotrexat liegt es nahe, beide Substanzen miteinander zu kombinieren, um einen additiven therapeutischen Effekt zu erzielen. In einer offenen Pilotstudie wurden 30 Patienten mit rheumatoider Arthritis, die alle trotz einer Behandlung mit Methotrexat keine Verbesserung zeigten, über einen Zeitraum von zwölf Monaten zusätzlich mit Leflunomid behandelt. Dabei zeigte sich bereits nach sechs Monaten eine Responderrate (gemäß ACR 20% Responder) von fast 50%. Nach zwölf Monaten waren es 53% Responder, bei zwei Patienten trat sogar eine vollständige Remission ein.
Die Kombination wurde generell gut vertragen. Die Nebenwirkungen waren mit dem bekannten Nebenwirkungsprofil von Methotrexat und den von Leflunomid in den Phase-III-Studien beobachteten Nebenwirkungen identisch. Drei Patienten brachen die Therapie wegen erhöhter Leberwerte ab, die sich alle reversibel zeigten.
Darüber hinaus wurden keine pharmakokinetischen Wechselwirkungen zwischen Leflunomid und Methotrexat verzeichnet, sodass diese Kombinationstherapie eine weitere Alternative zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis darstellen könnte. Weitere Studien werden zur Zeit durchgeführt.
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