- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 38/1999
- 50 Jahre Bayerische ...
DAZ aktuell
50 Jahre Bayerische Landesapothekerkammer: Für Freiberuflichkeit und mehr Veran
Johannes M. Metzger, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, begrüßte die zahlreich erschienenen Gäste aus Politik, Verwaltung, Hochschule und Heilberufekammern. Wie Metzger erklärte, hätte man die Wiedergründung der Bayerischen Landesapothekerkammer schon am 20. August feiern müssen, aus Gründen der Effektivität habe man jedoch dieses Ereignis mit dem "Tag der Apotheke" verbunden. Man habe auch nur eine "kleine Feier" veranstaltet, da "uns in diesen Zeiten, in denen unverantwortliche Veränderungen, ja teilweise Destruktionen vorgenommen werden sollen, nicht der Sinn nach einem großen Festakt stand".
Apotheke ist Sozialplatz
Im Hinblick auf die aktuelle Gesundheitspolitik sagte Metzger, man werde so lange die bestmögliche Arzneimittelversorgung haben, wie die freie Heilberufsapotheke bestehe, in der der Apotheker persönlich und uneingeschränkt verantwortlich die Patienten betreuen und beraten würde. Die Botschaft laute, so Metzger, dass eine den Menschen verpflichtete Apotheke als Sozialplatz unverzichtbar in einer Zeit sei, in der die Menschen immer älter und einsamer würden. Das Sparen sei nie Selbstzweck, es müsse dabei die Wirtschaft gesunden, und nicht krank gemacht werden. Wer Politik nur zur Durchsetzung seiner ideologischen Ziele betreibe, warnte Metzger, werde und müsse in einer offenen freien demokratischen Gesellschaft scheitern.
Kompetenzzentren für Arzneimittel
Ministerialdirektor Alfred Müller vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit ging in seinem Grußwort auf den hohen Rang der Gesundheit und den Stellenwert der Apotheken für die Bürger ein. Die Politik müsse mit gesundheitspolitischen Themen "vorausschauend, sensibel und ideologiefrei" umgehen, führte Müller aus. Die Apotheken würden schon seit langem nicht mehr durch Arzneimittelherstellung und -verteilung charakterisiert, sondern sie handelten zunehmend als Kompetenzzentrum für Arzneimittel gegenüber Patienten, Kunden und Ärzten. Wie Müller betonte, haben die Apotheken von der Selbstmedikation bis zur Gesundheitsberatung einen wesentlichen Anteil am hochentwickelten Stand unseres Gesundheitswesens.
Müller sprach sich für die Freiberuflichkeit der Apotheker aus: "Die Erfahrungen mit rein kommerziell arbeitenden Apotheken, aber auch mit rein planwirtschaftlich strukturierten Systemen der Arzneimittelversorgung lehren vor allem eins, dass die Apotheker ihre anspruchsvolle Tätigkeit zur Sicherung der Arzneimittelversorgung und Förderung der Gesundheit der Bürger am besten ausüben können, wenn die Apotheken von freiberuflich tätigen Apothekern in freier Niederlassung betrieben und geleitet werden."
Wirtschaftsfaktor Gesundheit
Joachim Lorenz, Münchner Stadtrat und Politiker der Grünen, sagte, München, der Sitz der Bayerischen Landesapothekerkammer, sei ein Zentrum der medizinischen Forschung und Wissenschaft geworden. Eine von der Stadt München in Auftrag gegebene Untersuchung über die Gesundheit als Wirtschaftsfaktor in der Stadt München habe dabei ein Wertschöpfungspotenzial ermittelt, "das viel größer ist als bisher vermutet". Im Hinblick auf die Gesundheitsreform 2000 forderte Lorenz die Bayerische Landesapothekerkammer auf, sich konstruktiv an der Diskussion zu beteiligen. "Wir alle wollen das solidarisch finanzierte Gesundheitssystem erhalten und weiterentwickeln, sehen aber die Beitragsstabilität und die Senkung der Lohnnebenkosten als wichtigen Aspekt", erklärte Lorenz.
Dr. Maria Fick, Vizepräsidentin der Bayerischen Landesärztekammer, forderte Apotheker und Ärzte in der jetzigen schwierigen Situation zu gemeinschaftlichem Handeln auf. Nach der Spaltung der beiden Heilberufe durch die gesetzliche Regelung FriedrichII. von Hohenstaufen im 13.Jahrhundert, gelte es heute, die Trennung zu überwinden und sich gemeinsam im Interesse der Patienten zu engagieren.
Bayerische Standfestigkeit
Wie Dr. Johannes Pieck, Sprecher der Geschäftsführung der ABDA, in seinem Grußwort ausführte, war die Zeit von 1949 bis 1999 die Phase der Wiedererstehung der Staatlichkeit in Bayern und in Deutschland, die Phase der Sicherung des Föderalismus und des Subsidiaritätsprinzips auch bei der Selbstverwaltung der Körperschaften. Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes hätten sich alle Bundesländer dazu bekannt, so Pieck, die Selbstverwaltung der Heilberufe durch Kammergesetze zu organisieren. "Wir leben heute in einer Zeit, wo das nicht mehr ganz selbstverständlich ist", sagte Pieck im Hinblick auf eine Richterin am Bundesverfassungsgericht, die die Institution der Kammern in Frage gestellt habe.
"Ich wünsche mir", so Pieck, "dass wir auch noch in 50 Jahren gleichermaßen von der Freiheit und Selbstverantwortung eines freien Berufes sprechen können". Der Bayerischen Landesapothekerkammer attestierte Pieck Standfestigkeit in grundsätzlichen Fragen zum Berufsrecht der Apotheker. Das sei nicht selbstverständlich in einer Zeit, wo die Freiberuflichkeit des Apothekers nicht nur politisch gefährdet sei, sondern manchmal auch durch das Tun und Lassen der eigenen Berufsangehörigen in Frage gestellt werde.
Bewegte Geschichte
Der langjährige Präsident und jetzige Ehrenpräsident der Bayerischen Landesapothekerkammer Dr. Hermann Vogel sprach in seinem Vortrag über die Geschichte und die Aufgaben der Kammer in Bayern. Wie Vogel ausführte, wurde 1816 der Pharmazeutische Verein Bayerns, der älteste Landesapothekerverein in Deutschland, gegründet.
1842 erfolgte dann in Bayern infolge von Änderungen der Gewerbeordnung die Bildung eines Apothekergremiums in jedem der 8 Regierungsbezirke. Die Gremien waren eine Interessenvertretung, es bestand keine Pflichtmitgliedschaft. 1908 wurden sie in Bezirksapothekerkammern umgewandelt. 1927 wurde das so genannte Kammergesetz in Bayern verabschiedet, das die Berufsgerichtsbarkeit regelte und die Errichtung von Landesapothekerkammern mit sich brachte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm die Bayerische Landesapothekerkammer den Wiederaufbau der 805 bayerischen Apotheken, die zum Teil zerstört waren. Im August 1949 wurde die erste Delegiertenversammlung nach dem Krieg gewählt, weshalb man in diesem Jahr das 50-jährige Bestehen der Bayerischen Apothekerkammer nach dem Krieg feiert.
Die Kammer - weder Staat noch Standesfilz
In zweiten Teil seines Vortrags sprach sich Vogel für die Institution Kammer aus. Sie sei weder Staat noch Standesfilz, sondern berufsständische demokratische Selbstverwaltung, die umfassend die Interessen der Apotheker vertrete. "Vieles hat sich in 50 Jahren geändert, auch das Berufsbild des Apothekers", sagte Vogel. Deshalb habe die Bayerische Landesapothekerkammer schon Ende der 70er Jahre formuliert, dass der Apotheker sich vom Arzneimittelhersteller zum Arzneimittelberater gewandelt habe. "In dieser Funktion", so Vogel, "bekommen wir von der Bevölkerung in allen Umfragen gute Noten". Dass dies so bleibe, dafür sorge die Bayerische Landesapothekerkammer mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit.
Freiberuflichkeit dient dem Verbraucherschutz
Als Freiberufler sollten sich die Apotheker untereinander einen Leistungswettbewerb, aber keinen Preiswettbewerb liefern, forderte Vogel. Das Merkmal der Freiberuflichkeit sei bei den Apothekern die Arzneimittelpreisverordnung, die dem Verbraucherschutz diene. Bezüglich der pharmazeutischen Qualität erklärte Vogel, die Kammer fördere den fachübergreifenden Austausch und die Fortbildung der Apotheker. Die umfassende pharmazeutische Betreuung sei die Antwort der Apotheker auf eine gesellschaftliche Herausforderung. "Nur so bleibt der Apotheker auch in Zukunft ein unverzichtbarer Partner im Gesundheitswesen", sagte Vogel.
Für Pflichtmitgliedschaft in der Kammer
Vogel begrüßte die Pflichtmitgliedschaft bei der Kammer. Denn nur dadurch könne die Kammer die Gesamtinteressen des Berufsstandes wahrnehmen, was man in der Vergangenheit mit Nachdruck bewerkstelligt habe. "Die Bundesregierung und die Krankenkassen müssen auch künftig mit dem erbitterten Widerstand der Apotheker rechnen", warnte Vogel, "wenn Gesetzesvorhaben die Berufsausübung der Apotheker aushöhlen oder in Frage stellen wollen". Die Aufgabe der Kammer sei, die Apotheke ökonomisch zu sichern, weil man nur dann dem gesetzlichen Versorgungsauftrag gerecht werden könne. "Unser Programm lautet", so Vogel, "Verbesserung der Arzneimittelversorgung und mehr Verantwortung für die Apotheker".
Gesunde Staatsferne
50 Jahre Selbstverwaltung habe funktioniert, betonte Vogel. Deshalb verstehe er nicht, weshalb Kammern in jüngster Zeit in Frage gestellt würden. In Zeiten, wo sich der Staat immer mehr zurückziehe, würden funktionierende Institutionen der Selbstverwaltung an Bedeutung zunehmen. Damit die Qualität nicht leide, verpflichte der Staat die einzelnen Berufe, ihre Qualität zu sichern.
"Das wollen wir in freier Selbstbestimmung und nicht als staatliche Außenstellen tun, wir wollen weiterhin eine gesunde Staatsferne", sagte Vogel. Er schloss mit den Worten: "Es lebe die Freiberuflichkeit, es lebe die gute Zusammenarbeit in der Heilberufsfamilie, es lebe die berufsständische Selbstverwaltung und es lebe die Bayerische Landesapothekerkammer."
Kritik an Bundesgesundheitsministerin Fischer
Mit scharfen Worten griff Gerhard Reichert, 1. Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes BAV, die Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer an, weil sie es für erforderlich halte, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Krankenkassen weitere Maßnahmen ergreifen müssten, um eine strikte Beachtung des gesetzliches Gebots der wirtschaftlichen Verordnungsweise von Arznei- und Hilfsmitteln zu gewährleisten.
Ein großer Teil der erhöhten Kosten für Arzneimittel im Vergleich zu 1998 sei von der Regierung "hausgemacht", entgegnete Reichert. Denn gegenüber dem Vergleichszeitraum 1998 habe man die Mehrwertsteuer erhöht, die Zuzahlung der Patienten gesenkt, die Befreiungsmöglichkeit für chronisch Kranke erweitert und stationäre Behandlungsformen in den ambulanten Bereich verlagert. Diese 5,5 Prozent Kostensteigerung könne man nicht den Apothekern anlasten, so Reichert. Wenn jetzt am Arzneimittel gespart werden solle, lasse das nur den Schluss zu, dass die Bevölkerung die Wahlgeschenke der neuen Regierung bezahlen müsse.
Verbesserte Arzneimitteltherapie
Wie Reichert ausführte, ist der wesentliche Faktor für die erhöhten Arzneimittelausgaben in diesem Jahr nicht die Mehrverordnung von Arzneimitteln, sondern die Verbesserung der Arzneimitteltherapie. Als Beispiele nannte Reichert die gentechnisch erzeugten Humaninsuline, neue Wirkstoffe in der Onkologie, Proteaseinhibitoren in der AIDS-Therapie, Interferone in der Therapie der Multiplen Sklerose sowie neue Medikamente bei Parkinson, Depressionen und Epilepsie.
"Die Arzneimittelmehrausgaben aufgrund des therapeutischen Fortschritts müssen mit 5,5 bis 6 Prozent angesetzt werden", erklärte Reichert. Wenn man das alles berücksichtige und saisonale Besonderheiten wie die Grippewelle im ersten Quartal dieses Jahres hinzunehme, seien de facto keine Mehrausgaben entstanden, "jedenfalls keine Mehrausgaben, die durch unwirtschaftliches Verordnen der Ärzte zustande gekommen wären".
Gesundheit als Staatsziel
Reichert formulierte als die wichtigsten Staatsziele das Recht auf Sicherheit im sozialen Bereich, das Recht auf Betreuung und optimale Behandlung von Krankheit, das Recht auf Gesetz und Ordnung und das Recht auf Schutz vor Armut. Hinter diesen Staatszielen müssten sich alle anderen Dinge einordnen. "Solange wir uns Prestigeobjekte wie den Umzug von Bonn nach Berlin oder die Beibehaltung des Kohlepfennigs leisten", argumentierte Reichert", solange muss der Bürger das Recht auf eine optimale Versorgung auch mit Arzneimitteln und medizinischen Leistungen haben.
Als "Gretchenweisheit" bezeichnete Reichert die Erklärung des Bundesgesundheitsministeriums, ein Globalbudget sei notwendig, weil niemand mehr Geld ausgeben könne als er einnehme. Das beste Beispiel sei der Bund selbst, so Reichert, der im laufenden Jahr mit 53,3 Milliarden DM Mehrausgaben zeige, dass er auch nicht mit seinen Einnahmen auskommen könne oder wolle.
Importarzneimittel unsinnig
Heftig wehrte sich Reichert dagegen, dass nach dem neuen Gesetz die Versorgung der Versicherten mit Importarzneimitteln zur Regelversorgung gemacht werden solle. "In täglich 3Millionen Fällen müssten die Apotheken zunächst versuchen, die Importarzneimittel zu beschaffen", erklärte Reichert. Diese Regelung sei nicht nur für Patienten und Apotheken unzumutbar, sie sei auch standortfeindlich und wegen der verkomplizierten Abrechnungsprüfung verwaltungskostensteigernd.
"Ich stelle mir schon jetzt diese gigantische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vor, wenn ein Spezialprüfer bei der Kasse nachprüft, ob die Apotheke auch genügend geforscht hat, ob das entsprechende Importarzneimittel nicht doch bei der Kleinfirma xyz zu haben gewesen wäre", sagte Reichert. Deshalb müsse man auf die Präferenzklausel für Importarzneimittel im SGBV verzichten und die vermehrte Verordnung inländischer Generika fördern.
Datenannahmestelle überflüssig
Mit Unverständnis reagierte Reichert auf die Überlegungen des Gesetzgebers, eine einheitliche Datenannahmestelle für Arzneimittel zu schaffen, die bis zu 100 Mio. DM kosten könnte. Damit soll laut Reichert erreicht werden, dass die Apotheken die Daten, die sie jetzt schon haben, nicht mehr verwerten dürfen. "Unsere Rechenzentren", entgegnete Reichert, "sind doch heute schon größtenteils in der Lage, die Arbeiten einer einheitlichen Datenannahmestelle zu erledigen". Die Apotheken könnten so den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen anonymisierte Patientendaten liefern, woraus man wissenschaftliche Erkenntnisse zum Nutzen aller gewinnen könnte.
Am 16. September 1999, dem "Tag der Apotheke", feierte die Bayerische Landesapothekerkammer mit einem Gartenfest im Münchner Apothekerhaus ihr 50-jähriges Bestehen nach dem Krieg. Im Mittelpunkt der Feier standen ein Rückblick auf die Geschichte der Bayerischen Landesapothekerkammer und die aktuelle Gesundheitspolitik.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.