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Arzneimittel und Therapie
Adipositas: Fünf Säulen gegen zu viel Fett
Zweifellos ist ein schlanker Körper schöner anzusehen als ein fettleibiger. Doch die Ästhetik ist zweitrangig, wenn Mediziner ihren Patienten das Abnehmen verordnen. Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen und Typ-II-Diabetes sind die häufigsten Adipositas-assoziierten Gesundheitsstörungen. Allein durch eine gesunde Lebensweise, sprich ausreichende Bewegung und bewusste Ernährung, ließen sich zahlreiche Medikamente einsparen. Doch kaum etwas ist so schwierig, wie Wohlgenährte zum Abnehmen zu bewegen. Wenn überhaupt, sind viele erst dazu bereit, wenn es gesundheitlich wirklich ernst wird. Dabei ist längst bekannt, dass nicht erst das Erreichen das Normalgewichts Profit bringt. Jedes Pfund weniger auf der Waage nützt der Gesundheit - eine Tatsache, mit der sich Patienten motivieren lassen müssten.
Fett macht fett
Was den Menschen im Laufe seines Lebens vom Normal- zum Übergewichtigen avancieren lässt, ist in den allermeisten Fällen ein Zuviel an Nahrungsaufnahme. Entscheidend für die überflüssigen Pfunde ist der Fettgehalt in der Nahrung. Auf eine einfache Formel gebracht: Fett macht fett. Kohlenhydrate gelten entgegen landläufiger Meinungen inzwischen längst nicht mehr als "Dickmacher", sondern als "Sattmacher".
Ein Blick auf den Kaloriengehalt stellt die plakative Darstellung auf etwas wissenschaftlichere Füße: Mit einem Gramm Fett führen wir dem Körper 9 kcal zu, mit einem Gramm Kohlenhydrat lediglich 4 kcal, also nicht einmal halb so viel. Kohlenhydrate haben aber weitere Vorteile: Der Körper kann aus Brot, Spaghetti oder Kartoffeln vergleichsweise schlecht Fett bilden. Und: Kohlenhydrate machen eher satt, da das zugeführte Volumen bei gleicher Kalorienmenge deutlich größer ist als bei Fett.
Weniger Fettresorption
Bei der Fettresorption greift auch Orlistat (Xenical®) an, ein Wirkstoff, der seit etwa einem Jahr zur Therapie der Adipositas zur Verfügung steht. Er hemmt die Lipasen im Dünndarm und sorgt so dafür, dass etwa 30 Prozent weniger Fett aus der Nahrung in den Körper gelangen.
Aktuelle Daten einer Zwei-Jahres-Studie zeigen den Nutzen dieser Behandlung: Im ersten Behandlungsjahr nahmen die Probanden unter Orlistat (dreimal täglich 120 mg) bei gleichzeitiger hypokalorischer Kost 10,2 Prozent im Vergleich zum Ausgangsgewicht ab, unter Plazebo waren es nur 6,1 Prozent. Im zweiten Jahr war eine eukalorische Ernährung erlaubt, unter der das Gewicht zwar leicht anstieg, der Nutzen der Therapie blieb jedoch erhalten. So lag die durchschnittliche Gewichtsreduktion nach zwei Jahren bei Orlistat-Patienten im Vergleich zum Beginn der Studie immer noch bei 8,1 Prozent (Plazebo: 4,5%).
Mit dem Gewicht gingen auch die kardiovaskulären Risikofaktoren zurück: LDL-Cholesterin, Blutdruck und HbA1c-Wert besserten sich deutlich. So normalisierte sich beispielsweise bei 72,2 Prozent der Probanden mit einem pathologischen Glucose-Toleranz-Test die Stoffwechsellage. Dies gelang auch bei 25 Prozent der Probanden mit einem manifesten Diabetes. Die Problematik der Therapie ist bekannt. Unangenehme Fettstühle ließen vier Prozent der Probanden die Therapie abbrechen. Doch diese unangenehme Nebenwirkung lässt sich therapeutisch nutzen. Viele Übergewichtige essen allein deshalb nicht mehr so fett, um von öligen Stühlen verschont zu bleiben.
Die Sache mit den fünf Säulen
Doch die Pharmakotherapie allein kann es nicht richten. Sie gilt nur als ein integraler Bestandteil des einheitlichen Therapiekonzeptes, das auf fünf Säulen basiert:
- Ernährungsumstellung: Fettkonsum normalisieren, Kohlenhydrate freigeben - so lautet hier der Slogan. Konkret bedeutet dies: Der Patient kann sich an Brot, Nudeln und Kartoffeln satt essen, sollte aber auf Leberwurst und Sahnesoßen verzichten. Angestrebt wird entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ein Fettanteil in der Nahrung von maximal 30 Prozent. Übergewichtige und Adipöse bringen es dagegen auf satte 50 Prozent und mehr Fett in der Nahrung. Welche Nahrungsmittel reich an Fett sind, lässt sich zudem einfacher vermitteln und vom Patienten leichter umsetzen als langwieriges Kalorienzählen. Aufmerksam sollte man ihn jedoch auf versteckte Fette machen, beispielsweise in Wurst, Fertiggerichten oder Erdnüssen.
- Verhaltenskontrolle: Das Verhalten sollte flexibel kontrolliert werden. Eine allzu rigide Kontrolle nach dem Motto "Ich esse ab jetzt nie mehr Butter" führt nicht zum Erfolg, sondern eher zu Frust und Rückfall. Besser sind Veränderungen in kleinen, erreichbaren Schritten.
- Bewegungssteigerung gilt als noch schwieriger als die Ernährungsumstellung. Deshalb ist auch hier Sensibilität in der Beratung gefragt. Die Empfehlung, täglich 30 Minuten zu joggen, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Vielmehr geht es um eine realistische Steigerung der körperlichen Aktivität, die der Übergewichtige tatsächlich umsetzen kann. Schon eine halbe Stunden walken, radeln oder schwimmen sind ausreichend, wenn es regelmäßig gemacht wird.
- Gruppentherapie: Vielen Patienten hilft es auch, sich mit Mitstreitern auszutauschen. Im Rahmen einer Gruppentherapie wird nicht nur über Ernährung, Bewegung und Verhaltensänderung gesprochen. Die Mitstreiter können sich auch unterstützen und motivieren - und die Erfolge zusammen feiern.
- Medikamentöse Unterstützung: Die fünfte Säule ist die Pharmakotherapie. Sie kann vor allem dafür sorgen, dass die Patienten motiviert bleiben, da sie bereits in den ersten Wochen Fett verlieren. Damit steigen auch die Chancen auf eine langfristige Umstellung des Lebensstils, in dem auch ohne Orlistat das erreichte Körpergewicht zumindest gehalten werden kann.
Quelle Dr. Joachim Prager, Hoffmann-La Roche AG; Prof. Dr. Volker Schusdziarra, TU München; Prof. Dr. Jürgen Margraf, Universität Basel. Pressekonferenz "Ein Jahr Therapie mit Xenical", München, 12. August 1999, veranstaltet von Hoffmann-La Roche AG, Grenzach-Whylen.
"Ich soll abnehmen" - mit diesem zweifellos guten Rat ihres Arztes kommen viele Übergewichtige in die Apotheke. Aber wie? All zu häufig kommt es nach Diäten zum Jojo-Effekt: Das Gewicht geht runter und wieder rauf. Seit einem Jahr kann mit Orlistat die Gewichtsreduktion unterstützt werden. Mit Erfolg, wie die Erfahrungen zeigen. Wichtig ist jedoch, dass die medikamentöse Therapie in ein Gesamtprogramm integriert ist.
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