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Arzneimittel und Therapie
Orale Therapie des Typ-II-Diabetes: Nateglinid wirkt mit der Mahlzeit
Die Studien bestätigen bisherige Resultate, wonach das Aminosäurederivat Nateglinid auf einzigartige Weise die frühe Insulinsekretion bei Typ-II-Diabetikern wiederherstellt: Seine insulinsekretorische Wirkung auf die Betazellen des Pankreas setzt sehr rasch ein, hält nur kurz an und kontrolliert dadurch auf physiologische Weise die prandialen Glucosespitzen.
Der Typ-II-Diabetes beginnt als postprandiale Glucosestörung mit akuten Glucosespitzen, die bereits im prädiabetischen Stadium zu kardiovaskulären Schädigungen führen. Um langfristig eine erfolgreiche Therapie des Typ-II-Diabetikers zu erzielen, sollte der effektiven Kontrolle der gefährlichen prandialen Glucosespitzen künftig besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die neue Generation der postprandialen Glucoseregulatoren könnte dafür besonders geeignet sein. Der erste Vertreter dieser Stoffklasse, Repaglinid, ist seit Oktober 1998 auf dem Markt.
Neue Generation prandialer Glucoseregulatoren
Nateglinid ist ein Aminosäure-Derivat, das als isomere D-Form des natürlichen Phenylalanins vorliegt. Damit steht erstmals ein natürlicher Stoff zur prandialen Diabetestherapie zur Verfügung. Beim stoffwechselgesunden Menschen wird die Insulinsekretion nicht allein durch Glucose, sondern auch durch die mit der Nahrung aufgenommenen Aminosäuren angeregt. Nateglinid imitiert diesen Prozess und erzielt damit eine physiologische Stimulation der bei Typ-II-Diabetikern gestörten prandialen Insulinsekretion.
Physiologische "Quick on-quick off"-Wirkung
Nateglinid stimuliert die Betazellen des Pankreas zur Insulinsekretion, indem es die ATP-sensitiven Kalium-Kanäle der Betazell-Membran blockiert. Sowohl im Tiermodell als auch in einer plazebokontrollierten Studie mit stoffwechselgesunden Probanden und Typ-II-Diabetikern zeigte sich, dass die insulinsekretorische Wirkung von Nateglinid sehr schnell einsetzt und ebenso rasch wieder endet ("Quick on-quick off"-Wirkung). In-vitro-Studien haben verdeutlicht, dass Nateglinid innerhalb kürzester Zeit am Kalium-ATP-Rezeptor ansetzt und eine äußerst kurze Halbwertszeit am Rezeptor besitzt (ca. 2 Sekunden).
Im Vergleich dazu beträgt die Halbwertszeit von Sulfonylharnstoffen und dem postprandialen Glucoseregulator Repaglinid 3 Minuten. Die kurze Halbwertszeit von Nateglinid am Rezeptor ermöglicht nach Aussage von Novartis das bedarfsgerecht schnelle "Abschalten" der Insulinsekretion nach der Normalisierung der Glucosespitzen. Die insulinsekretorische Wirkung von Nateglinid ist glucosesensitiv. Diese physiologische Wirkweise erklärt das in Studien belegte geringe Hypoglykämierisiko von Nateglinid.
Nateglinid erreicht seine maximale Plasmakonzentration nach weniger als einer Stunde. Seine Eliminationshalbwertszeit beträgt etwa eine Stunde. Die pulsatile Stimulation schont zudem die Betazellen und erhält ihre Aktivität langfristig, da im Gegensatz zu Sulfonylharnstoffen keine Inhibition der Proteinbiosynthese in der Betazelle verursacht wird. Nateglinid akkumuliert nicht im Gewebe.
Mono- und Kombinationstherapie
Die positive Wirkung von Nateglinid auf die prandialen Glucosespitzen und HbA1c-Werte bei Typ-II-Diabetikern wurde in vier doppelblinden, plazebokontrollierten Phase-III-Studien mit insgesamt mehr als 2500 Studienteilnehmern bestätigt. In Studien zur Kombinationstherapie mit Metformin erwies sich Nateglinid als besonders geeignet, um eine drastische HbA1c-Senkung bei Typ-II-Diabetikern zu erreichen. Bei Patienten unter Metformin-Therapie und unzureichend kontrollierten Glucosewerten konnte Nateglinid das glykierte Hämoglobin zusätzlich senken.
Neue orale Therapieoption mit "dualer"Wirkung
Epidemiologische Untersuchungen weisen auf den Zusammenhang zwischen erhöhter postprandialer Blutglucose und kardiovaskulärer Morbidität bzw. Mortalität hin. Die Ergebnisse der aktuellen Studien mit Nateglinid sprechen ihrerseits dafür, dass die Substanz entscheidende Kriterien für eine kardiovaskulär protektive Langzeitwirkung erfüllt.
Mit Nateglinid deutet sich eine "duale" Therapiestrategie an: Rekonstitution der frühen Insulinsekretion und günstige Beeinflussung der Entwicklung kardiovaskulärer Folgeerkrankungen durch effektive Reduktion der als toxisch geltenden Glucosespitzen ("Glucose-Spikes"). Die Wirkung von Nateglinid auf die prandiale Koagulation und die atherosklerotischen Prozesse am Endothel von Typ-II-Diabetikern soll in weiterführenden Studien untersucht werden.
Postprandiale Therapie erfordert entsprechende Messparameter
Angesichts der therapeutischen Fortschritte vernachlässigt das gegenwärtig praktizierte Screening jedoch die Kontrolle der entscheidenden postprandialen Blutglucosespitzen zugunsten von Langzeitparametern. Eine Studie zur Bewertung von Nüchtern- versus prandialen Plasmaglucose-Parametern im Vergleich zu HbA1c bei oral therapierten Typ-II-Diabetikern zeigte, dass die postprandiale Glucose (2 und 4 Stunden nach Applikation gemessen) um 10% exakter mit dem HbA1c korrelierte als die Nüchternplasmaglucose.
Das neue orale Antidiabetikum Nateglinid wurde von der Novartis Pharma AG klinisch entwickelt. Nach dem erfolgreichen Abschluss der klinischen Phase-III-Studien im Sommer plant Novartis, die Marktzulassung für Nateglinid noch in diesem Jahr bei der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) und der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zu beantragen. Die Substanz wird unter dem Handelsnamen Starlix® vermarktet werden.
Quelle: Satellitensymposium "The Role and Treatment of Mealtime Glucose Excursions in Typ-II-Diabetes", 28. September 1999, anlässlich der 35. Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD), Brüssel (Belgien); veranstaltet von Novartis Pharma AG, Basel (Schweiz). daz
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