- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 46/1999
- Anthroposophie: Schutz ...
Arzneimittel und Therapie
Anthroposophie: Schutz vor Allergien?
Diese Familien schränken den Gebrauch von Antibiotika stark ein, lassen Kinder wenig impfen und unterscheiden sich auch in ihrem Ernährungsverhalten von "normalen" Familien. Die Auswertung der Studie ergab, dass die Verbreitung von Allergien bei Kindern aus anthroposophischen Familien geringer ist, als bei Kindern der Kontrollfamilien. Auch andere Studien zeigen, dass Infektionen in frühster Kindheit die Entwicklung von Allergien hemmen können.
Jedes dritte Kind in industrialisierten Ländern leidet an Allergien. Obwohl vor allem erbliche Faktoren für das Risiko einer allergischen Erkrankung verantwortlich sind, spielen vermutlich auch andere Ursachen eine wichtige Rolle. Immunologische Daten zeigen, dass beispielsweise eine Infektion mit dem Respiratory Syncytial Virus eine allergische Erkrankung fördern kann. Andere Infektionen (Masern, Hepatitis A oder Tuberkulose) scheinen dagegen die Entstehung von Allergien zu verhindern. Eine Zunahme der allergischen Erkrankungen bei Kindern kann so möglicherweise auch auf Infektionskrankheiten und/oder Impfprogramme zurückgeführt werden.
Auch die Ernährung und die Zusammensetzung der Mikroflora des Darms könnten an der Entwicklung von Allergien beteiligt sein, da Tierversuche und In-vitro-Studien gezeigt haben, dass spezielle Darmbewohner, die Lactobacillen, das Interleukinprofil verändern und die antigeninduzierte IgE-Produktion hemmen können.
Weniger Antibiotika
Um zu überprüfen ob Infektionskrankheiten, Impfprogramme oder die Zusammensetzung der Darmflora eine Rolle bei allergischen Erkrankungen von Kindern spielen, wurden Familien mit einem anthroposophischen Lebensstil untersucht. Die Schule der Anthroposophie wurde in den frühen zwanziger Jahren von Rudolf Steiner gegründet und beeinflusst die Erziehung (Steiner-Schulen), medizinische Aspekte und auch die Ernährung.
Anthroposophische Ärzte schränken beispielsweise den Gebrauch von Antibiotika stark ein. Viele Kinder werden nur gegen Tetanus und Polio geimpft, und die ersten Impfungen erfolgen auch später als allgemein üblich. Anthroposophische Familien konsumieren vorwiegend Nahrung, die nach biodynamischen Prinzipien angebaut wird. Schon kleine Kinder werden normalerweise mit spontan vergorenem Gemüse ernährt, welches viele lebende Lactobacillen enthält.
Querschnittsstudie mit 295 Kindern
Um den Einfluss eines anthroposophischen Lebensstils auf die Häufigkeit von allergischen Erkrankungen bei Kindern zu untersuchen, wurden in einer Querschnittsstudie 295 Kinder im Alter von 5 bis 13 Jahren von zwei anthroposophischen Steiner-Schulen in Schweden mit 380 Kindern gleichen Alters von zwei benachbarten Schulen verglichen.
Untersucht wurde das Auftreten von Allergien und Infektionskrankheiten, der Gebrauch von Antibiotika und Impfstoffen sowie soziale Aspekte. Für 13 Allergene wurde ein Pricktest durchgeführt. Weiterhin wurden von den Kindern und ihren Eltern Blutproben genommen, um allergenspezifische Serum IgE-Antikörper zu analysieren.
- Eine statistische Auswertung dieser Studie zeigte, dass an Steiner-Schulen nur 52% der Kinder Antibiotika bekommen hatten, verglichen mit 90% der Kinder aus den Kontrollschulen.
- 18% der Kinder der Steiner-Schulen bzw. 93% der Kontrollkinder hatten eine kombinierte Immunisierung gegen Masern, Mumps und Röteln erhalten, 61% der Kinder der Steiner-Schulen waren an Masern erkrankt.
- Vergorenes Gemüse, welches lebende Lactobacillen enthält, wurde von 63% der Kinder aus Steiner-Schulen konsumiert, im Vergleich zu 4,5% der Kinder aus den Kontrollschulen.
- Eine kombinierte Auswertung des Pricktests und der Blutuntersuchungen zeigte, dass nur 24% der Kinder aus Steiner-Schulen, aber 34% der Kinder der Kontrollschulen an Allergien litten.
Die Verbreitung von Allergien bei Kindern aus anthroposophischen Familien ist also geringer als bei Kindern der Kontrollfamilien.
Hygiene-Hypothese
In den letzten 10 Jahren sind viele Untersuchungen über das Risiko allergischer Sensibilisierung während der Kindheit in Abhängigkeit von der Familienstruktur und des Lebensstils durchgeführt worden. Fast alle Untersuchungen wiesen darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen der Familiengröße und den allergischen Erkrankungen der Kinder gibt. Einige Studien zeigten, dass ältere Geschwister einen "schützenden Effekt" auf die jüngeren Kinder ausübten.
Diese Ergebnisse führten zur sogenannten "Hygiene-Hypothese", die davon ausgeht, dass Infektionen in frühester Kindheit das Risiko allergischer Erkrankungen reduzieren können. Auch weitere Studien konnten diese Hypothese bestätigen. Eine Publikation aus Deutschland kam zu dem Schluss, dass Kinder umso weniger Allergien haben, je früher sie in öffentliche Kindertagesstätten kamen und somit einer größeren Infektionsgefahr ausgesetzt waren.
Auch eine Schweizer Studie zeigte, dass die Verbreitung von Symptomen der saisonalen Rhinitis und der aeroallergen-spezifischen IgE-Antikörper bei Kindern aus Bauernfamilien dreimal niedriger ist als bei Kindern aus anderen Familien. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass die Infektionsgefahr der Kinder durch den Kontakt mit Tieren erhöht ist. Denkbar ist allerdings auch, dass die Ernährung in Bauernfamilien sich deutlich von der in anderen Haushalten unterscheidet, da vorwiegend zu Hause angebaute Nahrungsmittel und unpasteurisierte Milchprodukte konsumiert werden, die die frühe Reifung des Immunsystems durch Effekte auf die Mikroflora des Darms beeinflussen können.
Literatur Alm, J. S., et al.: Atopy in children of families with an anthroposophic lifestyle. Lancet 353, 1485-1488 (1999).
Jedes dritte Kind in industrialisierten Ländern leidet an Allergien. Obwohl vor allem erbliche Faktoren für das Risiko einer allergischen Erkrankung verantwortlich sind, spielen vermutlich auch andere Ursachen eine wichtige Rolle. Da möglicherweise auch Infektionen, Impfungen oder die Ernährung die Entwicklung von Allergien beeinflussen können, wurden in einer Studie Kinder aus Familien mit einem anthroposophischen Lebensstil untersucht. Diese Familien schränken den Gebrauch von Antibiotika stark ein, lassen Kinder wenig impfen und unterscheiden sich auch in ihrem Ernährungsverhalten von "normalen" Familien. Die Auswertung der Studie ergab, dass die Verbreitung von Allergien bei Kindern aus anthroposophischen Familien geringer ist als bei Kindern der Kontrollfamilien. Ein anthroposophischer Lebensstil kann also möglicherweise das Risiko allergischer Erkrankungen reduzieren. Auch andere Studien zeigen, dass Infektionen in frühster Kindheit die Entwicklung von Allergien hemmen können.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.