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- DAZ 48/1999
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Arzneimittel und Therapie
HIV-Therapie: Neben Wirksamkeit zählen Einfachheit und Verträglichkeit
Daher ändern sich die Ansprüche, die an die antiretroviralen Substanzen gestellt werden. Sie müssen nicht nur hochwirksam, sondern auch einfach einzunehmen und über einen langen Zeitraum verträglich sein. Diese Eigenschaften weisen viele der Medikamente bisher nur begrenzt auf.
Außerdem erschweren die Entwicklungen von Resistenzen und Kreuzresistenzen die Therapie. Was noch fehlt, ist eine Strategie. Denn versagt das erste Regime, wird jede weitere Behandlung schwierig. Daher beschäftigen sich immer mehr Studien mit der Frage, mit welcher der vielen Therapiemöglichkeiten am besten begonnen wird, um nachfolgend noch möglichst viele Therapieoptionen zu haben, weil nur hierdurch die antiretrovirale Wirksamkeit möglichst lange aufrecht erhalten und ein Therapieversagen auch bei vielfach vorbehandelten Patienten möglichst weit hinausgezögert werden kann.
Einfaches Regime: Saquinavir zweimal täglich
Eine Vereinfachung der Therapie wäre beispielsweise, wenn die Proteaseinhibitoren (PI) nicht mehr, wie zur Zeit überwiegend üblich, dreimal täglich, sondern seltener eingenommen werden. Dass dies bei Saquinavir in einer Softgelformulierung ohne Verminderung der antiretroviralen Wirksamkeit möglich ist, zeigten mehrere Studien.
So ergab die TIDBID-Studie, deren 24-Wochen-Daten von C. Cohen, Community Research Initiative, Brooklin, USA, auf einer Konferenz in San Francisco präsentiert wurden, dass das virologische Ansprechen unter Saquinavir in Kombination mit zwei neuen Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) unabhängig davon ist, ob die Substanz zwei- (bid) oder dreimal (tid) am Tag eingenommen wird.
Saquinavir einmal täglich
Möglicherweise lässt sich die Therapie mit Saquinavir sogar noch weiter vereinfachen, indem die Substanz nicht zwei-, sondern nur einmal am Tag eingenommen wird. Denn immer mehr pharmakokinetische Studien sprechen dafür, dass Saquinavir in Kombination mit niedrig dosiertem Ritonavir ohne Wirksamkeitsverlust als Einmal-täglich-Dosierung (qd) verabreicht werden kann. Hinter dem Ansatz steht die Überlegung, dass Ritonavir ein potenter Inhibitor des Enzymsystems Cytochrom P450 Cyp3A ist, das für eine schnelle Metabolisierung von Saquinavir in der Leber sorgt. Daher kann Ritonavir möglicherweise den Abbau von Saquinavir verzögern, seine Serumlevel erhöhen und damit die Dosisfrequenz reduzieren.
Dies bestätigte eine offene, randomisierte Studie, die M. S. Saag, University of Alabama, Birmingham, UK, vorgestellt hat. In ihr sind 41 gesunde Freiwillige fünf Gruppen zugeordnet und über einen Zeitraum von 13 Tagen mit Saquinavir/Ritonavir-Kombinationen in unterschiedlichen Dosierungen behandelt worden. Wie die pharmakokinetische Auswertung ergab, erzielte das Regime Saquinavir 1600 mg qd/Ritonavir 100 mg qd die höchsten Saquinavir-Serumkonzentrationen. Die mittleren Spiegel lagen nach 24 Stunden noch deutlich über dem Wert, der unter der Standard-tid-Dosierung kurz vor Einnahme der nächsten Dosis, also nach acht Stunden, vorlag.
Lipodystrophie: Protease-inhibitoren unterscheiden sich
Hinsichtlich der Langzeitverträglichkeit der Medikamente war die so genannte Lipodystrophie im letzten Jahr ein viel diskutiertes Thema. Der Symptomenkomplex, der unter anderem mit einer Umverteilung des Körperfetts sowie erhöhten Lipidwerten einhergehen kann, wurde zunächst als Nebenwirkung den Proteaseinhibitoren zugeschrieben, inzwischen ist jedoch bekannt, dass er auch unter Stavudin oder Lamivudin auftreten kann.
Neueste Studien zeigen erstmals Unterschiede für die einzelnen Proteaseinhibitoren: Unter Saquinavir scheinen die Störungen des Fettstoffwechsels am geringsten ausgeprägt zu sein, unter Ritonavir hingegen treten die stärksten Veränderungen auf. Eine weitere Nebenwirkung, die unter dem sonst gut verträglichen Proteaseinhibitor Nelfinavir auftreten kann, die Diarrhö, lässt sich einfach und effektiv mit Calcium behandeln.
Gute Verträglichkeit bessert Adhärenz
Dass Therapieregime, die einfacher einzunehmen und besser verträglich sind, die Adhärenz von Patienten fördern, konnte eine randomisierte, offene, prospektive Studie bestätigen, die B. Roca, Hospital General, Castellon, Spanien, präsentierte. In ihr hatten 112 antiretroviral vorbehandelte Patienten Nelfinavir oder Indinavir erhalten, jeweils in Kombination mit Lamivudin und Stavudin. In einem Abstand von drei Monaten wurden die Studienteilnehmer untersucht und zu ihrer Adhärenz befragt. Das mittlere Follow-up betrug sechs Monate.
Das immunologische, klinische und virologische Ansprechen war in beiden Gruppen über den gesamten Zeitraum vergleichbar. Hinsichtlich der Adhärenz war Nelfinavir jedoch - es ist besser verträglich und muss im Gegensatz zu Indinavir nicht auf nüchternen Magen eingenommen werden - bei jeder Untersuchung überlegen: Während nach sechs Monaten im Indinavir-Arm nur 48% der Patienten eine adäquate Adhärenz aufwiesen, waren es im Nelfinavir-Arm 70%. Nebenwirkungen wurden in beiden Gruppen beobachtet. Sie führten bei 34% der Patienten im Indinavir-Arm und nur bei 12% im Nelfinavir-Arm zu einem Abbruch der Therapie.
Therapiestrategie: Erst Nelfinavir, dann Saquinavir/Ritonavir
In Bezug auf die Strategie der antiretroviralen Therapie sind in San Francisco zwei Studien vorgestellt worden, die dafür sprechen, als ersten Proteaseinhibitor Nelfinavir einzusetzen und anschließend, bei dessen Versagen, mit Saquinavir bzw. Saquinavir/Ritonavir zu behandeln. So stellte R. Haubrich, University of California, San Diego, USA, beispielsweise erste Ergebnisse einer noch nicht abgeschlossenen Studie vor, in der die Resistenzmuster bei Patienten untersucht werden, deren erste Proteaseinhibitor-haltige Therapie versagt hat.
Ausgewertet wurden die Daten von 116 Patienten, die zu Studienbeginn eine mittlere CD4-Zellzahl von 295 Zellen/µl und eine mittlere Viruslast von 4,1 log Kopien/ml hatten. 96 Patienten waren Proteaseinhibitor-vorbehandelt, 59% mit Nelfinavir, 23% mit Indinavir und die restlichen mit Saquinavir, Ritonavir oder Amprenavir (APV). Die Sensitivität war in dieser überwiegend mit Nelfinavir vorbehandelten Patientengruppe gegenüber Saquinavir und Amprenavir am größten. Während bei 82% der Patienten diese Proteaseinhibitoren noch wirkten, zeigten nur noch 67, 68 bzw. 28% der Patienten eine Sensitivität gegenüber Indinavir, Ritonavir bzw. Nelfinavir.
Aufgeschlüsselt nach der Vorbehandlung ergab sich folgendes Bild: Während unter Nelfinavir nur 29% der Patienten eine Resistenz gegenüber zwei oder mehr Proteaseinhibitoren entwickelten, betraf dies unter Indinavir 70% der Patienten.
Der Einsatz von Nelfinavir als Proteaseinhibitor und die nachfolgende Therapie mit der Kombination Saquinavir/Ritonavir wurde von A. Zolopa, Stanford University, Stanford, USA, detailliert im medizinischen Alltag ("real-world-setting") untersucht. Die multizentrische, retrospektive Kohortenstudie basiert auf Daten von 88 Patienten, die mit Nelfinavir als erstem Proteaseinhibitor für mindestens 12 Wochen behandelt und nach Versagen dieser Therapie auf eine Ritonavir/Saquinavir-haltige Kombination umgestellt worden waren.
Zum Zeitpunkt der Therapieumstellung lag die mittlere Viruslast bei 33000 Kopien/ml und die mittlere CD4-Zellzahl bei 259 Zellen/µl. Von den Patienten, die nicht zusätzlich mit einem Nicht-Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) behandelt worden waren, konnte nach 24 Wochen etwas mehr als die Hälfte wieder eine Viruslast unter der Nachweisgrenze von 500 Kopien/ml erzielen.
Nach neuesten Daten scheint dieser Effekt bis zur 52. Woche anzuhalten. Die CD4-Zellzahl stieg bei den Patienten im Mittel um 100 Zellen/µl an. Bei Patienten, die zusätzlich einen NNRTI erhalten hatten, lag die Ansprechrate sogar bei 70 bis 85%.
Quelle 39th Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC), San Francisco, USA, 26. bis 29. September 1999.
Seit mehr als drei Jahren stehen zur Behandlung der HIV-Infektion zwar hochpotente Therapieregime zur Verfügung, doch mit ihnen sind auch neue Probleme aufgetaucht. Die HIV-Infektion ist durch die neuen Therapieoptionen zu einer nahezu chronischen Erkrankung geworden. Das hat zur Folge, dass die Patienten ihre Medikamente teilweise mehrere Jahrzehnte einnehmen und diese in ihren (Arbeits)alltag integrieren müssen. Damit rücken Aspekte wie bequeme Anwendung und möglichst wenig Nebenwirkungen in den Vordergrund.
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