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Jahresmitgliederversammlung von Integritas: Keine Revolution durch vergleichende

BONN (hb). Vor zwei Jahren sorgte eine neue europäische Richtlinie zur vergleichenden Werbung für viel Gesprächsstoff. Sollten wir nun über kurz oder lang auch in der Arzneimittelwerbung "amerikanische" Verhältnisse bekommen? Dass dies nicht zu befürchten ist, wurde spätestens mit der anstehenden Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht deutlich. Was wird bei der vergleichenden Arzneimittelwerbung möglich sein? Der Verein für lautere Heilmittelwerbung e.V. - Integritas, ein Selbstkontrollorgan der pharmazeutischen Industrie und der Reformwarenhersteller, nahm sich bei seiner diesjährigen Jahresmitgliederversammlung am 1. Dezember 1999 in Bonn des Themas an.

In seinen Grußworten blickte der Vorstandsvorsitzende von Integritas, Rechtsanwalt Wolfgang Reinsch, kurz zurück in das vergangene Geschäftsjahr. Als "Highlight" hob er die Verleihung des Pharma Recht Sonderpreises 1999 des pmi-Verlages an den Verein hervor. Im übrigen habe Integritas in dieser Zeit eine Reihe von einstweiligen Verfügungsverfahren gegen Nahrungsergänzungsmittel, vor allem gegen Schlankheitsmittel mit aggressiven Werbeaussagen geführt und in allen Verfahren obsiegt. Bedauerlicherweise bereite es jedoch in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten, der Verantwortlichen für die Rechtsverstöße, die ihren Sitz häufig im Ausland hätten, habhaft zu werden.

Besonders spannend gestalte sich derzeit das Feld der vergleichenden Werbung, nachdem sich die Rahmenbedingungen durch die europäische Richtlinie 97/55/EWG grundlegend geändert hätten. Inwieweit sich die neue Rechtslage bereits in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes niedergeschlagen hat und möglicherweise noch niederschlagen wird, kommentierte der Gastredner des öffentlichen Teils der Mitgliederversammlung, Bundesrichter Joachim Starck.

Vergleichende Werbung bislang weitgehend unzulässig

Die vergleichende Werbung sei in Deutschland bislang weitgehend als unzulässig erachtet worden, berichtete Starck und zwar unter Bezugnahme auf den Aspekt der Sittenwidrgkeit nach § 1 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG). Lediglich in Ausnahmefällen und nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen, nämlich

  • bei einem hinreichenden sachlichen Anlass,
  • nach Art und Maß in den Grenzen des Erforderlichen,
  • wenn sie sachlich richtig und wahrheitsgemäß gewesen sei und darüber hinaus
  • ohne pauschale Verunglimpfung

sei der Bundesgerichtshof (BGH) in der bisherigen Rechtsprechung hiervon abgewichen.

Nun aber grundsätzlich zulässig

Das neue europäische Regelwerk (siehe Kasten) verfolge nun einen anderen Ansatz, den der BGH in einigen jüngeren Urteilen zur vergleichenden Werbung (u.a. Az.: IZR 2/96 "Preisvergleichsliste II" und Az.: IZR 69/96 "Vergleichen Sie") bereits zum Tragen gebracht habe. Hiernach soll vergleichende Werbung grundsätzlich zulässig sein, wenn eine Reihe von Bedingungen eingehalten werden.

Nach der Intention der Richtlinie 97/55/EWG soll die vergleichende Werbung vor allem dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit dienen und den Wettbewerb fördern. Diesem Interesse der Verbraucher stehe jedoch auf der anderen Seite das Interesse der Mitbewerber an einem Schutz vor unlauterem Verhalten gegenüber.

Richtlinie deckt nur Waren und Dienstleistungen ab

Starck hob hervor, dass die Definition der Richtlinie für die vergleichende Werbung (siehe Kasten) lediglich den Vergleich von Waren und Dienstleistungen einschließe. Er folgert hieraus, dass der "persönliche Vergleich" damit nicht etwa prinzipiell unzulässig, sondern eben nur kein Gegenstand harmonisierter Vorschriften sei, das heißt, dass dieser weiterhin nach nationalen Recht zu beurteilen sein müsse.

Was ist vergleichende Werbung?

Zunächst sei immer erst die Frage zu prüfen, ob überhaupt eine vergleichende Werbung vorliege. So reiche das Herausstellen eigener Vorzüge, ohne dass erkennbar auf Waren oder Leistungen von Mitbewerbern vorgenommen werde, hierfür noch nicht aus. Dränge sich eine Bezugnahme auf Mitbewerber nicht direkt auf, sondern sei diese nur "um zehn Ecken" ableitbar, so liege begrifflich noch keine vergleichende Werbung vor ("Generika-Werbung" - BGH-Urteil vom 25.März 1999, Az.: I ZR 77/97).

Welche Bedingungen müssen eingehalten werden?

Eine vergleichende Werbung sei nur dann zulässig, wenn sie folgende Bedingungen erfülle (Art. 3a Buchst. a-h der Richtlinie 97/55/EWG):

  • Sie dürfe, was den Vergleich anbelange, nicht irreführend sein. Dabei werde der Irreführungsbegriff, so meint Starck, auf der Basis eines unterschiedlichen "Verbraucher-Leitbildes" derzeit in Deutschland noch strenger ausgelegt als auf europäischer Ebene.
  • Die Werbung müsse Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung vergleichen. Hier fordert Starck eine weite Auslegung in dem Sinne, als dass auch der Vergleich von Produkten zulässig sein müsse, die "nur" funktionsidentisch seien und daher als "Substitutionsprodukte in Frage kämen.
  • Der Vergleich von Eigenschaften müsse objektiv sein und wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen betreffen. Hierzu zähle auch der Preisvergleich. Was die Objektivität des Vergleichs anbelangt, so müssten die Behauptungen auf nachprüfbaren Tatsachen beruhen. Werturteile, wie etwa "schmeckt besser" seien hierzu nicht geeignet.
  • Die Werbung dürfe auf dem Markt keine Verwechslung zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder auch zwischen Marken oder Handelsnamen der beiden Vergleichspartner verursachen.
  • Die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder Verhältnisse eines Mitbewerbers dürften nicht herabgesetzt oder verunglimpft werden.
  • Bei Waren mit Ursprungsbezeichnung dürften nur solche mit der gleichen Bezeichnung verglichen werden, nicht etwa "Burgunder" mit Bordeaux", wie Starck beispielhaft anführte.
  • Die vergleichende Werbung dürfe den Ruf einer Marke, eines Handelsnamens oder anderer Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers oder der Ursprungsbezeichnung nicht in unlauterer Weise ausnutzen. Dies sei zum Beispiel dann gegeben, erläuterte Starck, wenn mit der Aussage "entspricht Original-Produkt N.N." geworben werde.
  • Die Werbung dürfe eine Ware oder Dienstleistung nicht als Imitation oder Nachahmung einer geschützten Marke darstellen. Starck führte hierzu als Standardbeispiel die unzulässige Werbeaussage "riecht wie Chanel No. 5" an.

Die genannten Bedingungen seien kumulativ anzuwenden und müssten uneingeschränkt eingehalten werden.

Keine Revolution in der Arzneimittelwerbung

Starck hegt vor diesem Hintergrund Zweifel, dass sich die Rechtsprechung in Deutschland in bezug auf die vergleichende Werbung grundlegend revolutionieren könnte. Auch ist der vorliegende Entwurf der UWG-Novelle zur Umsetzung der Richtlinie 97/55/EWG in deutsches Recht seiner Einschätzung nach eher dazu geeignet, die vergleichende Werbung weiterhin zu verhindern, dies unter anderem deshalb, weil er das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis zur vergleichenden Werbung nach wie vor beibehält.

Keine Vergleiche in der Publikumswerbung

Über die Novellierung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb hinaus sieht der Gesetzentwurf auch eine Klarstellung im Heilmittelwerbegesetz (HWG) vor, und zwar in bezug auf die vergleichende Arzneimittelwerbung beim Publikum. In Anlehnung an die europäische Werberichtlinie 92/28/EWG soll im HWG nunmehr explizit verboten werden, für Humanarzneimittel außerhalb der Fachkreise mit Angaben zu werben, die nahe legen, dass die Wirkung eines Arzneimittels einem anderen Arzneimittel entspricht oder überlegen ist. Eine Werbung über den Preisvergleich oder auch über die Bequemlichkeit der Anwendung hält Starck vor diesem Hintergrund gleichwohl nicht für ausgeschlossen.

P>Definition für vergleichende Werbung nach der Richtlinie 97/55/ EWG: "Jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von einem Mitbewerber angeboten werden, erkennbar macht."

Zum Hintergrund:

Die vergleichende Werbung war in Deutschland bislang nicht explizit geregelt. Die Rechtsprechung erachtete sie weitgehend als unzulässig, und zwar unter Bezugnahme auf §1 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG). Im Jahr 1997 war die europäische Richtlinie 84/450/EWG* über die irreführende Werbung geändert worden, um spezielle Regelungen zur vergleichenden Werbung in die Richtlinie mit einzubeziehen. Die entsprechende Änderungsrichtlinie 97/55/EWG vom 6. Oktober 1997** muss nun bis zum 23. April 2000 in deutsches Recht umgesetzt werden. Zu diesem Zweck hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) kürzlich den Referentenentwurf eines Gesetzes zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften vorgelegt, der eine Novellierung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) vorsieht.

*Abl. EG Nr. L250 vom 19.9.1984, S. 17-20 **Abl. EG Nr. L290 vom 23.10.1997, S. 18-23

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