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Berichte
Therapie mit ätherischen Ölen
Aromatherapie sei eine Heilmethode, so wurde die Konferenz programmatisch eröffnet, in der sowohl objektive wissenschaftliche Argumentation als auch subjektive Verbesserung des Wohlbefindens ihren Platz finden. Die Integration dieser beiden nur scheinbar widersprüchlichen Konzepte erklärt die stetig zunehmende Attraktivität der modernen Aromatherapie. Viele Menschen, die sich von der "kalten", symptomorientierten Technomedizin abwenden, sind dennoch nicht bereit, Logik und das Prinzip von Ursache und Wirkung vollkommen aufzugeben. Die Aromatherapie kommt ihnen entgegen, indem sie einerseits die Wirkungen ätherischer Öle mit den Mitteln der konventionellen Pharmakologie zu erklären versucht, andererseits die nur schwer fassbaren, aber durchaus relevanten Wirkungen zulässt, die aus der Wechselwirkung der Öle mit der emotionalen Seite unseres Seins resultieren.
Breit gefächert waren die Themen der Beiträge: Aromatherapie sei eine uralte, seit den Ägyptern und Babyloniern bis ins letzte Jahrhundert praktizierte Heilmethode, die im Zeitalter der modernen Arzneimittel in Vergessenheit geraten war und nun ein vehementes Comeback erlebt. Zum Teil verblüffende Berichte von Heilungserfolgen betrafen altbewährte und neue Einsatzbereiche der Aromatherapie: Neben die altbewährten Indikationen wie Atemwegserkrankungen, virale oder bakterielle Infektionen und nervöse Störungen sind psychosomatische oder hormonell bedingte Krankheitsbilder getreten wie prämenstruelles Syndrom, menopausale Probleme und thyreoide Dysfunktionen, insbesonders als Folgereaktionen Adrenalin-bedingter Erschöpfungszustände.
Aromatherapie in Krankenhäusern...
Während in England der Einsatz der Aromatherapie in Krankenhäusern und medizinischen Praxen schon alltäglich ist, ist die Skepsis der deutschen Medizin schwerer zu überwinden. Vorreiter in dieser Bewegung waren vor etwa sieben Jahren einige Münchner Großkliniken. Dort wird Aromatherapie als unterstützende Methode in der Krankenpflege und zur Desinfektion eingesetzt, gezielt ausgewählte Wohlgerüche in Kranken-, Behandlungs- und Aufenthaltsräumen sorgen für eine entspannte, angstfreie Atmosphäre, so berichtete M. Demleitner, München, Vizepräsidentin von Forum Essenzia. Lavendelöl, im Diffuser oder direkt
am Patienten appliziert, ersetze viele Schlaftabletten, und in der Wund- oder Strahlennachbehandlung bewähre sich der Einsatz ätherischer Öle, vor allem von Lavendel- und Teebaumöl, im höchsten Maße.
...und in Entwicklungsländern
Für Entwicklungsländer sind ätherische Öle wegen ihrer kostengünstigen und relativ simplen Gewinnung und Anwendung besonders interessant. Die Akzeptanz ist meist erfreulich, zumal hier die Verknüpfung mit traditionellen und spirituellen Heilweisen ("Schamanen") offensichtlich ist. In El Salvador beispielsweise wird seit dem Ende des Bürgerkriegs 1990 mit staatlicher und ausländischer Unterstützung (u.a. der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, GTZ) und logistischer Betreuung durch das Pacific Institute of Aromatherapy in ländlichen Regionen ein Basis-Gesundheitsdienst auf der Grundlage der Aromatherapie etabliert. Mit nur wenigen Grundtypen ätherischer Öle, die möglichst aus heimischen und regional kultivierten Pflanzen hergestellt werden können, soll ein Maximum therapeutischer Möglichkeiten erreicht werden. Der Einsatz solcher Öle bei Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts und der Atemwege, aber auch in der Geburtshilfe wird bereits mit Erfolg praktiziert, so der Referent aus El Salvador.
Komplementäre Therapie
Heute versucht man, Zivilisationskrankheiten wie Neurodermitis oder Asthma auch mit alternativen Therapien zu begegnen. Wie in San Francisco gezeigt wurde, können korrekt durchgeführte Interventionen mit ätherischen Ölen bei Asthma sehr effektiv sein. Während die unmittelbare Erleichterung, die der Einsatz der heute üblichen Aerosol-Therapeutika bewirken kann, mit der Aromatherapie nicht erzielt wird, haben sich Behandlungen mit ätherischen Ölen dennoch zur Reduzierung von Anfälligkeit und Abhängigkeit von konventionellen Pharmaka als wirksam erwiesen. Bewährt haben sich sekretolytisch wirksame Öle (von diversen Eucalyptus-Arten, Myrtus oder Ravensara) und solche, die der Stabilisation des autonomen Nervensystems dienen (z.B. Vetiveria, Nardostachys, Cistus).
Den breiten Anwendungsbereich der Aromatherapie unterstrich auch eine Studie der Universität von Florida. Psychotherapie und Aromatherapie wurden hier als komplementäre Strategien in der Behandlung von verhaltens- und emotionsgestörten, u.a. autistischen Kindern eingesetzt. Die Kinder wurden mit Mischungen aus drei ätherischen Ölen ihrer Wahl behandelt, inhalativ und mit Massage. Langfristig konnte eine Gemütsstabilisierung festgestellt werden, ebenso eine erhöhte Motivation, geforderte Leistungen zu erbringen, die dann mit dem Riechen an Duftstreifen belohnt wurde (Aromamotivation).
Möglichst genuine Öle verwenden
Einhelligkeit herrschte auf der Konferenz, dass genuine ätherische Öle - trotz saisonaler oder destillationsbedingter Variationen in der Zusammensetzung - den synthetischen, halbsynthetischen oder "naturidentischen" Substanzen weit überlegen bzw. von einer grundsätzlich anderen Qualität sind. Die Gründe dafür sieht man in Synergieeffekten einzelner Bestandteile, in den natürlichen Stereo- und Enatiomerenverhältnissen mit höherer Rezeptoraffinität sowie im Einfluss von Spurenkomponenten. Dies hat sowohl in den USA als auch offensichtlich in Europa bzw. Deutschland (vgl. dazu auch DAZ 1997, Nr. 51/52, S. 4690) zu einem gespaltenen Markt für ätherische Öle geführt. In den USA und Kanada etablieren sich immer mehr kleine Unternehmen, die zwar teurere, aber unverfälschte, eindeutig definierte und deklarierte Öle produzieren. Teilnehmer aus Frankreich und der Türkei bestätigten diesen Trend auch für Europa.
Rationale Aromatherapie
Genau da hakte H. Wagner, München, in seinem Plädoyer für eine "rationale Aromatherapie" ein. Die Ansätze seien noch sehr zaghaft, aber eigentlich logisch, da wie bei der Phytotherapie allgemein die Akzeptanz nur erreichbar sei durch wissenschaftliche Untersuchungen in Richtung
- Standardisierung,
- Klinikstudien und
- Wirkmechanismus.
Zwar ist bis heute eine klare Abgrenzung der Wirkungsmechanismen noch nicht möglich: Ätherische Öle entfalten bei Inhalation sowohl über die olfaktorische Induktion, also reflektorisch über Hypothalamus und Hypophyse, wie auch direkt systemisch über den Blutweg ihre Wirkungen.
Inzwischen gibt es jedoch schon eine Fülle von Daten, die auf der Basis der modernen Erkenntnisse der Molekularbiologie Einblick in die Interaktionen der ätherischen Öle bzw. ihrer Komponenten an diversen Rezeptorsystemen geben (z.B. Ca-antagonistische Wirkung von Menthol, Apiol oder Eugenol, antiemetische von Ingweröl durch Bindung an den 5-HT3-Rezeptor). Ausgedehnte Resorptions- und Pharmakokinetik-Studien (besonders der Arbeitsgruppe Buchbauer, Wien) bringen Licht in die Reaktionsabläufe, neueste pharmakologische Modelle und Untersuchungen bestätigen lang tradierte Anwendungsweisen.
Anschauliche Beispiele berichtete H. Can Baser, Eskiehir, aus der Türkei. Dort nehmen ätherische Öle und Wässer (Hydrosole), ölige Mazerate und sogenannte Attars (ätherische Destillate, die nach einer aus Indien stammenden Methode direkt in Sandelholzöl aufgefangen werden) seit Jahrhunderten einen festen Platz in der Volksmedizin ein.
Nepeta caesarea, eine endemische Katzenminze, ist dort ein beliebtes Hausmittel bei Kopf-, Magen- und allgemeinen Schmerzen wie auch bei Bronchospasmen. Nun konnte gezeigt werden, dass Nepetalacton, das Hauptterpen (90-95%) des ätherischen Öls, opioide analgetische Effekte aufweist, vergleichbar mit denen des Morphins, jedoch vermutlich ohne dessen suchterregende Effekte.
Das auf jedem türkischen Markt gehandelte Allheilmittel "Kekik" stammt von verschiedenen Origanum-Arten. Seine Wirkung dürfte ebenfalls auf dem ätherischen Öl beruhen, denn es zeigt in In vitro-Modellen und Tierversuchen analgetische, choleretische, spasmolytische, Mastzell-degranulierende und hypotensive Effekte.
Risiko - ja oder nein?
Ausführlich wurden auch Fragen zur Toxizität von ätherischen Ölen diskutiert, über die bei den Anwendern und in der Populärliteratur noch immer Uneinigkeit und Widerspruch herrschen. Häufig seien die Vorsichtsempfehlungen unangebracht oder übertrieben, z.T. seien sie einfach auf Fehlinterpretationen von toxischen Daten und LD50-Werten bei Labortieren zurückzuführen. Gerade, was die emmenagoge und Uterus-stimulierende Wirkung von ätherischen Ölen betrifft, sei manche ungeprüfte Unwahrheit endlos weiter kolportiert worden. Sofern die nötigen Vorsichtsmaßnahmen und Verdünnungsvorschriften beachtet werden und eine mögliche sensibilisierende oder reizende Wirkung durch Auftragen auf kleine Hautareale und durch vorsichtiges Einatmen getestet wird, sei eine risikolose Anwendung in den meisten Fällen gegeben.
Literatur
Buchbauer, G., et al.: Dtsch. Apoth Ztg. 136, 2939-2944 (1996) und 137, 3719-3736 (1997).
Dr. Renate Seitz, München
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