- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 7/1999
- Varizellen: "...
Arzneimittel und Therapie
Varizellen: "Kinderkrankheit" mit gefährlichen Folgen
Die Erkrankung nimmt in diesen Fällen häufig einen schwereren Verlauf und kann mit Komplikationen wie Pneumonie, Meningitis, Enzephalitis, hämorrhagischen Effloreszenzen und bakteriellen Superinfektionen verbunden sein. Bei seronegativen Schwangeren können Windpocken besonders in den ersten 20 Wochen die Organe des Embryos schädigen. Erkrankt die Mutter fünf Tage vor bis zwei Tage nach der Geburt, verläuft fast jede dritte konnatale Infektion bei Neugeborenen tödlich. Daher sind sich in Deutschland die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts und andere Impfexperten einig, daß Personen, die ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben, und deren direkte Kontaktpersonen wie Familienangehörige sowie medizinisches Personal, insbesondere in der Pädiatrie und Onkologie, konsequent geimpft werden müssen. Allerdings wird diese dringende Empfehlung bisher nur sehr mangelhaft in die Praxis umgesetzt.
Übertragung durch Tröpfcheninfektion
Die Übertragung der hochinfektiösen Varizella-zoster-Viren aus der Familie der Herpes-Viren erfolgt über Tröpfcheninfektion. Da es sich auch um eine hochkontagiöse Erkrankung handelt, kann sie sich innerhalb kürzester Zeit - gerade in Schulen und Kindergärten - oft epidemieartig verbreiten. Eine akute Ansteckungsgefahr besteht bereits ein bis zwei Tage, bevor die ersten Krankheitssymptome, z.B. juckender Hautausschlag, sichtbar werden.
Die häufigsten Komplikationen sind bakterielle Superinfektionen der Haut und Schleimhautentzündungen. Gerade bei Kindern mit extrem empfindlicher Haut, z.B. bei einer Neurodermitis, kommt es zur Entzündung der aufgekratzten Bläschen mit dem Risiko der Vernarbung. Bei gesunden Erwachsenen, die sich beispielsweise bei ihren Kindern anstecken, kann sich eine schwere Lungenentzündung mit Atembeschwerden und Fieber entwickeln. Hinzu kommt, daß sich nach epidemiologischen Daten aus den USA und England die altbekannte "Kinderkrankheit" zunehmend ins höhere Lebensalter verschiebt - mit wachsenden Komplikationen.
Das zweite Gesicht - schmerzhafte Reinfektion in späteren Jahren
Das Varizella-zoster-Virus ruft neben den Windpocken noch ein weiteres Krankheitsbild hervor: Herpes zoster, auch als Gürtelrose bekannt. Obwohl über 90% der Erwachsenen Windpocken in ihrer Kindheit hatten, sind sie damit keineswegs vor einer Reaktivierung des Virus geschützt. Die Varizella-zoster-Viren lagern sich nach einer überstandenen Erkrankung in den Nervenzellen ab. Ist das Immunsystem beispielsweise infolge von Krankheit oder fortgeschrittenem Alter geschwächt, können die Viren nach Jahren reaktiviert werden und sich stark vermehren - Herpes zoster mit schmerzhaftem Ausschlag ist die Folge. Diese ansteckende Gürtelrose kann sich ausweiten und zu dauerhaften Schäden führen. Herpes-zoster-Patienten gehören daher häufig zu den typischen chronischen Schmerzpatienten und sind eine ständige potentielle Infektionsquelle.
Impfempfehlung für Deutschland ausweiten?
Als erster Impfstoff gegen Varizellen wurde 1984 in Deutschland ein zuverlässiger und sehr gut verträglicher Lebendimpfstoff von der Firma SmithKline Beecham Pharma zugelassen. Die Vakzine enthält abgeschwächte Varizella-zoster-Viren vom Stamm OKA. Zur Zeit ist dieser Varizellenimpfstoff mit einem Antrag auf Indikationserweiterung im Zulassungsverfahren - abschließend soll ein Impfschutz für alle gesunden Kinder ab neun Monaten, Jugendliche und Erwachsene zur Verfügung stehen.
Bei Kindern zwischen neun Monaten und 13 Jahren reicht eine Impfung aus, bei Jugendlichen und Erwachsenen empfiehlt sich eine zweite Impfung im Abstand von mindestens sechs Wochen. Die Serokonversionsraten liegen bei gesunden Personen im Mittel über 98%, bei Leukämie-Patienten bei 90% und bei anderen Risikopatienten bei ca. 80%.
Um Kindern die Erkrankung und Eltern Betreuungsprobleme zu ersparen, wäre es möglich, die Varizellen-Vakzine zum Zeitpunkt der Masern-Mumps-Röteln-Immunisierung zu verabreichen. Nach Ansicht einer Gruppe von Impfexperten der "Deutschen Vereinigung der Bekämpfung von Viruskrankheiten e.V." sollte das langfristige Ziel einer Impfstrategie für Deutschland der Schutz aller gesunden Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen sein.
Kurzfristig empfehlen die Experten neben der konsequenten Umsetzung der Impfung von Risikopatienten, deren Kontaktpersonen und medizinischem Personal eine Impfprophylaxe bei allen Jugendlichen ohne positive Varizellen-Anamnese als ersten Schritt eines Stufenplanes. Diese Strategie würde schwere Krankheitsverläufe, die Komplikationsrate und damit auch Klinikeinweisungen reduzieren.
Quelle Presseinformation vom Presseworkshop "Schutz vor Varizellen: Soll Deutschland impfen?", Worpswede, 27. November 1998, veranstaltet von SmithKline Beecham, München. daz
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.