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QMS: Strenge Regeln für Apotheken in der Schweiz
Ein modernes Krankenversicherungsgesetz auf Bundesebene existiert in der Schweiz erst seit 1994, während zuvor überwiegend die Kantone hierfür zuständig waren. Im Zuge dieser Umstrukturierung wurden auch Qualitätsmanagement und Qualitätskontrolle in das Gesundheitswesen eingeführt. Zunächst wurden für Krankenhäuser inhaltliche Qualitätsanforderungen festgelegt. Diese werden in einem peer review-Verfahren überprüft, d. h. die Krankenhäuser kontrollieren sich gegenseitig.
Nach Einschätzung von Grimm Beaettig ist dies ein kostengünstiges, aber wenig wirksames Verfahren, da ein regelmäßiger Kreislauf der laufenden Qualitätsverbesserung fehlt. Später kamen prozessorientierte Beschreibungen der Arbeitsabläufe in vielen Krankenhäusern hinzu, die im allgemeinen nach der Norm ISO 9001 zertifiziert wurden. Doch wird diese Zertifizierung nur als Zwischenschritt auf dem Weg zu einem umfassenden TQM (Total Quality Management) angesehen.
Wesentliche Zielorientierung bietet dabei nicht die ISO-Norm, sondern das stärker inhaltlich und prozessbezogen geprägte EFQM (European Foundation for Quality Management)- Modell. Daher streben Unternehmen im schweizerischen Gesundheitswesen eine Bewerbung um den Esprix an. Dieser Qualitätspreis stellt das schweizerische Analogon zum European Quality Award dar, an dem die Schweiz als Nicht-EU-Staat nicht beteiligt ist.
Das QMS-Konzept des Schweizerischen Apothekerverbandes
Vor diesem Hintergrund hat der Schweizerische Apothekerverband (SAV) vor drei Jahren die verschiedenen Entwicklungen für QMS in Apotheken auf Bundesebene zusammengefasst und ein eigenes apothekenspezifisches Konzept entwickelt. Leitgedanken des Konzeptes sind, die Kundenanforderungen festzustellen, die Geschäftsprozesse an diesen zu orientieren und das QMS durch kontinuierliche und systematische Überprüfung laufend zu verbessern.
Oberstes Ziel ist auch hier die Einführung eines TQM nach den Maßstäben des EFQM. Für die praktische Umsetzung wurde kürzlich ein sehr umfangreiches Musterhandbuch vorgestellt, das konkrete Vorgaben zu diversen Tätigkeiten in der Apotheke macht. Das Handbuch muss demnach nicht erst in der Apotheke erarbeitet, sondern nur auf die individuellen Vorgaben übertragen und umgesetzt werden. Doch werden darin inhaltliche Qualitätsziele vorgegeben, die wesentlich präziser als die gewohnten gesetzlichen Vorgaben formuliert sind.
Strenge Überprüfung
Die Umsetzung wird in externen Audits durch Apotheker über- prüft. Dabei werden auch Fragebögen an Kunden verteilt, die dann an den SAV zurückzusenden sind. Als Ergebnis erhalten die Apotheken vom SAV detaillierte Auditberichte, die das Qualitätsniveau hinsichtlich der verschiedensten Arbeitsabläufe der Apotheke genau beschreiben und in Punkten bewerten. Dies soll zunächst als Anregung für künftige Verbesserungen dienen. Anonymisierte Auswertungen erlauben den Vergleich mit anderen Apotheken im Umfeld.
Die Bewertung verteilt sich je zur Hälfte auf die Betriebsstruktur und die organisatorischen Prozesse einerseits und die pharmazeutischen Tätigkeiten andererseits. Denn beide Bereiche werden als unverzichtbar für die Ziele der Apotheke angesehen. Im pharmazeutischen Bereich wird beispielsweise durch Beobachtungen im Handverkauf ermittelt, ob die Beratungsgespräche inhaltlich angemessen sind. Als Kriterien dienen dabei Maßstäbe der Fédération Internationale Pharmaceutique (FIP).
Versandapotheke und die Folgen
Nach 18 Monaten wird ein weiteres Audit fällig. Bis dahin soll eine Mindestpunktzahl festgelegt werden, die von den Apotheken erreicht werden muss. Wird die Punktzahl nicht erreicht, soll der Apotheke die Berechtigung zur Arzneimittellieferung zu Lasten der Krankenversicherung entzogen werden, so die derzeitige Planung. Diese rigiden Forderungen müssen vor dem Hintergrund der in der Schweiz tätigen Versandapotheke gesehen werden. Denn es wird erwartet, dass die Versandapotheke mangels direktem Kundenkontakt die gestellten Anforderungen nicht erfüllen kann.
Kein Modell für Deutschland
Bei den deutschen Teilnehmern löste die Präsentation eine intensive Diskussion aus. Ein positives Echo fand das bundeseinheitliche Vorgehen. Doch die Vorgabe eines Musterhandbuches wurde von verschiedenen Vertretern von Länderkammern mit QMS-Aktivitäten sowie Apothekern mit QMS-Erfahrungen scharf kritisiert. Hier fehle der Spielraum für eigene Qualitätsziele. Noch wichtiger sei, die Prozesse gemeinsam im Team zu erarbeiten. Praktiker bezeichneten die gemeinsame Arbeit an einem eigenen QMS in der Apotheke als unverzichtbare Voraussetzung für die Akzeptanz durch die Mitarbeiter und für die Umsetzung. Ein extern vorgegebenes Handbuch werde dagegen nur am Tag des Audits praktiziert und bleibe danach ungenutzt. Dr. Jens Schneider, Vize-Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, sieht darin einen fundamentalen Unterschied zwischen dem schweizerischen Konzept und den Vorstellungen der ABDA.
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