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Profil statt Profit (Lutz Bäucker)
Sie wissen doch auch wie das ist: Kommt ein Kunde in Ihre Apotheke, verlangt "was Starkes für mein Kopfweh". Sie denken nicht lang nach - höchstens an Ihren Übervorrat! - greifen in die entsprechende Schublade und verkaufen Ihrem Kunden "was Starkes" - gegen dessen Kopfweh. Ob das Präparat, das Sie da gerade übern Tresen schieben, auch das Wahre ist, daran denkt der gute Pharmazeut nicht unbedingt sofort - wenn Sie ehrlich sind! (Und das hoffe ich doch ...)
Wer macht sich da unnötig Kopfzerbrechen? Nun - sehen Sie: So ist der Alltag, brauchen wir nicht drumherum zu reden. Dass nun - wieder mal - eine nicht-apothekeneigene Institution genau da ansetzt und uns und dem Rest vom Vaterland zeigt, was von einem wichtigen Teil dieser von unsereins verkauften Pillen und Pülverchen zu halten ist - nämlich nix! -, das tut weh.
Die Stiftung Warentest tut das, was wir eigentlich tun sollten, nein: müssten: die Verbraucher aufklären und informieren über die Qualität der Waren aus dem (Möchtegern-?) "Gesundheitszentrum Apotheke". Ob die Klassifizierung in "wenig geeignet" u. ä. gummiparagrafenmäßig sinnlos ist oder doch wenigstens ein vom Verbraucher gierig aufgesogener Hinweis auf mögliche Qualität, ist hier und jetzt wurscht.
Was zählt ist: Erstens, das Riesenecho in allen Medien. Könnten Deutschlands Apotheker - ja; WIR!!! - auch haben. Wenn sie nur wollten, sich trauten und pfiffig genug wären ...
Was sie leider - zweitens - nicht sind. Bedenkenträger, Angsthasen, juristische Spitzfindigkeiten-Aufspürer - die prägen das Verhalten der Pharmazeuten. Ein Jammer. Seit Jahrzehnten! Nix geht voran, ohnmächtig lassen wir uns die Butter vom Brot nehmen, von selbsternannten Verbraucheranwälten, die sich natürlich die Unterstützung einiger weniger mutiger Pharmazeuten gesichert haben.
Punkt drei: statt uns selbstbewusst der Marketingmaschinerie der Pharmaindustrie entgegen zu stemmen und deren Nebelwerferstrategie zu hinterfragen, verharren wir wie die Kaninchen vor der Schlange und schimpfen auf Warentester, Bittere Pillen-Dreher und anderes "G'schwerl", die uns nur die Kundschaft verunsichern bzw. gegen uns aufhetzen. Dass wir mit souveränem, unabhängigem und fachlich fundiertem (trotz Pharmaziestudiums) Auftreten sowie begründeter Kritik am längst undurchdringlichen Pillendschungel Deutschlands das Vertrauen der Massen im Nu erobern könnten - das scheint nicht in deutsche Apotheker-Köpfe reinzugehen!
Profit vor Profil, so lautet die Rechnung. Leider ist sie falsch. Und sie geht an den Bedürfnissen der Zeit vorbei. Die Öffentlichkeit wäre offen für ein neues Bild vom deutschen Apotheker: als Pfadfinder im Medikamenten-Gestrüpp, als Ombudsmann des von Werbung und Pseudo-Aufklärung verunsicherten Kunden, der trotz zur Schau getragener Forschheit nach Hilfe und Orientierung geradezu lechzt! Welch eine Chance bietet sich da für uns: das ultimative Pillen-Buch. Von den Fachleuten, die sich wirklich auskennen. Unabhängig. Eindeutig. Und positiv (außer für die Hersteller fragwürdiger Präparate ...). Und dazu weltoffene Presse-Pharmazeuten, rhetorisch geschult, witzig, ohne Scheu davor, mal in den Tagesthemen, mal im Boulevard-TV aufzutreten oder in obskuren Talk-Shows das zu tun, was zukünftig unsere vielleicht einzige Überlebenschance ist: überzeugend die Wahrheit über Deutschlands Tropfen und Tabletten zu erzählen. Zuerst das Profil zeigen - der Profit, der kommt von ganz allein.
Wer macht den Anfang - jetzt!? Bevor alles zu spät ist. Noch in diesem Jahr muss was passieren. Ich freue mich schon auf die Einladungen zu entsprechenden ersten Gesprächen: dabei sein ist nicht alles, aber ein Anfang!
Lutz Bäucker
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