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Expo 2000
P. Ditzel:Die Apotheke auf der Weltausstellung
Über 300 Apothekerinnen und Apotheker aus mehreren Ländern hatten sich beworben, die Apothekerin Doris Nelskamp erhielt den Zuschlag, die Expo-Apotheke betreiben zu dürfen, die einzige Apotheke, die auf der Weltausstellung Aussteller und Besucher rund um die Gesundheit versorgen wird. In Zusammenarbeit mit Apotheker Stephan Iskenius als Mitinitiator hat sie ein Apothekenkonzept entworfen, das zukunftsweisende Wege in der deutschen Pharmazie aufzeigen will.
Nach wie vor sieht sie pharmazeutische Kompetenz und gute Kundenberatung als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Apotheke an. Aber es müsse in Zukunft mehr hinzu kommen. "Die Apotheke als Rezeptabgabestelle ist nicht mehr zeitgemäß. Was wir brauchen ist ein neues Bild der Apotheke, die Gesundheit ganzheitlich betrachtet und deren Besuch Spaß macht, so die Expo-Apothekerin. Vor diesem Hintergrund will sie - unter dem Slogan "Lust auf Gesundheit" - neue Wege in der Pharmazie aufzeigen.
Die Apothekenvision, die auf den Namen "Pharmaxie" getauft wurde, nimmt Gestalt an auf 1100 Quadratmetern, verteilt auf zwei Stockwerken in der Halle 13 der Expo. Entworfen wurde kein Supermarkt, keine Drugstore-Apotheke, sondern ein Erlebnis Apotheke. Und das beginnt bereits bei der Architektur der Expo-Apotheke. Man habe sich von der Natur - ganz nach dem Motto der Expo "Mensch - Natur - Technik" - inspirieren lassen: Architektur und Ausstattung der Apotheke greifen Farbverläufe, Stimmungen und Formen aus dem Vorbild Natur auf.
Die Kreativen
Zwei junge Innenarchitektinnen, Frau Susanne Brandherm und Frau Sabine Krumrey, Köln, konnten mit ihren kreativen Ideen das Duo Nelskamp/Iskenius überzeugen. Da sie bereits zahlreiche Erfahrungen mit Apothekenumbau und -einrichtungen hatten, fiel es ihnen nicht schwer, sich in ein Erlebnis Apotheke hineinzudenken. Zurückgezogen in Klausur für intensives Brainstorming, überlegten sie, wie der Leitgedanke der ganzheitlichen Pharmazie umgesetzt werden könnte. In nur wenigen Monaten, seit Oktober des vergangenen Jahres, kreierten und zeichneten, tüftelten und verfeinerten sie ihr Pläne für die Expo-Apotheke: "Es ist eine echte Herausforderung, ein solches Projekt realisieren zu können", resümierten die Innenarchitektinnen.
Die äußere Erscheinung
Schon der äußere Auftritt der Expo-Apotheke ist ungewöhnlich. Die Frontansicht wird an eine Unterwasserwelt erinnern. Auf die Vorderfront der Expo-Apotheke werden animierte Bilder projiziert, die den Eindruck einer Unterwasserwelt vermitteln. Das Motiv wird ein echter "Eye-Catcher" sein. Nur ein traditionelles rotes Apotheke-A und ein grünes internationales Kreuz werden noch darauf hinweisen, dass es sich hier um eine Apotheke handelt.
Der hinter der Vorderfront liegende Raum ist rund gestaltet. Auf der äußeren hinteren Wand der Apotheke wird das Thema "Erde, Wasser, Feuer, Luft" durch Bildprojektionen dargestellt. Eine Erlebnisrampe, die an der runden Rückwand der Apotheke von unten nach oben verläuft, führt den Besucher an diesen vier Elementen vorbei.
Das Innenleben
Durch einen torähnlichen Eingang gelangt man ins Innere der Erlebniswelt Apotheke, die auf zwei Stockwerke verteilt ist. Im Erdgeschoss befindet sich die Verkaufs- und Beratungsfläche für Arzneimittel und all diejenigen Leistungen, die eine Apotheke im klassischen Sinn bietet - der Begriff "Offizin" dürfte hierfür wohl nicht mehr zeitgemäß sein. Insgesamt sieben Plätze sind für die "Beratungswahl" vorgesehen, bestückt mit Doppelhandverkaufstischen. Hinter ihnen sind Arzneiregale in die Wand eingelassen für Schnelldreher, zwischen den Regalen finden sich an vier Stellen die Ausgabeplätze der Wendelrutschen, über die die Ware aus dem Lager vom ersten Stock nach unten transportiert wird. Bei den Möbeln verzichtete man auf ein Ladenbausystem, alle Möbel wurden nach den Entwürfen von Brandherm + Krumrey Innenarchitektur individuell gefertigt.
Ein markanter Unterschied zur herkömmlichen Apotheke: die Erlebnispräsentationen in Form von "Competence Centers", die den "medizinischen" Charakter einer Apotheke ergänzen sollen. Die Idee: Dienstleistung am Kunden darf und soll gezeigt werden. In der Mitte der rund 550 Quadratmeter großen runden "Offizin" sind diese Aktionsinseln platziert, die in Zusammenarbeit mit Firmen bestückt werden. Die Beratungsinseln, die durch halbhohe Wände umgeben sind (um den gesamten Raum nicht die Übersichtlichkeit zu nehmen, aber dennoch einen gewissen Ruhebereich zu schaffen), befassen sich mit bestimmten Themen, so z. B. mit dem Thema Bein: der Kunde kann sich hier umfassend über Venengesundheit informieren und bestimmte Checks durchführen lassen. Auch das Thema Kosmetik und Körperpflege ist in einem Competence Center vertreten. Weitere Themen der Centers sind z. B. Mutter und Kind, Vitamine, Stärkung, Gesundheitschecks, Hauttests.
An den HV-Tischen werden sich keine Kassen befinden. Der Kunde erhält am HV einen Beleg, auf dem der Preis seiner erworbenen Waren gespeichert wird. Beim Verlassen der Apotheke trifft er auf die Kassenstation, wo der Beleg dann eingelesen und der Betrag kassiert wird.
Gesundheit und Natur erleben - um dieses Ziel näher zu bringen, haben sich die beiden Innenarchitektinnen für naturnahe Materialien und Farben entschieden. Der Fußbodenbelag wird in Linoleum ausgeführt, in verschiedenen warmen Erdfarben wie gelb, orange, rostrot. Für die Möbel haben sie Naturholz vorgesehen, zum Teil auch in Erdtönen lackiert. Die Grundbeleuchtung der Apotheke stellen Lichtbänder dar, die dem runden Grundriss folgen, ergänzt durch schwenkbare Strahler.
Abheben nach oben
"Nach oben" gelangt man in der Apotheke auf zwei Wegen: von der Offizin aus führt eine Treppe in den oberen Bereich, man kann ihn aber auch über die bereits erwähnte Erlebnisrampe, die man unten im Innenraum betritt, die dann an der Außenwand entlang läuft und im oberen Stockwerk wieder nach innen mündet. Sie führt vorbei an animierten Bildern, die Erde Feuer, Wasser und Luft darstellen, und ist mit unterschiedlichen Belägen versehen, die den Eindruck der Elemente verstärken sollen. Oben angekommen wird der Besucher emotional angesprochen und eingeladen, "Gesundheit zu tanken". Ein kleiner Rundweg führt ihn durch den Vital-Parcours, der mit Pflanzen ausgestaltet ist; er findet dort zwei Klangsessel, um Musik zu fühlen, und eine Sauerstoffbar, außerdem ein Kunstobjekt zum Thema "Alles dreht sich, alles bewegt sich...". Eine kleine Brücke über einen Spalt, der den Blick in die Offizin nach unten ermöglicht, führt in einen Zeit-Raum (mehr dazu weiter unten). Auch ein weiterer HV-Tisch, eine Ecke für Gesundheitschecks und Umweltanalysen ist auf dem oberen Stockwerk der Expo-Apotheke untergebracht. Eine zweite kleine Brücke führt vom Vital-Parcours über den Lichthof zur Technik der Apotheke, dem Warenlager mit Kommissionierautomat, einem Bürobereich und dem Seminarraum.
Die Logistik muss stimmen
In der Expo-Apotheke rechnet man mit einer hohen Kundenfrequenz von täglich 3500 bis 4500 Besuchern, die pharmazeutisch betreut werden wollen, das Handling von rund 6000 Arzneimittelpackungen muss bewerkstelligt werden. Darüber hinaus ist die Apotheke zuständig für rund 30 000 Expo-Mitarbeiter, die auf dem Expo-Gelände arbeiten. Eine Extra-Abteilung der Apotheke, ausgestattet mit einem "Apo-mobil", wird die per Anruf, Fax oder E-Mail bestellten Arzneimittel an die Arbeitsplätze dieser Personen schnell und unproblematisch bringen. Natürlich wird wohl keine Apotheke ein solches Konzept in dieser Fülle nachgestalten oder nachbauen können, aber einzelne Elemente könnten durchaus für die eine oder andere Apotheke als Vorbild dienen.
Der Zeit-Raum
Eine der Besonderheiten der Expo-Apotheke wird der vom Krefelder Architekturpsychologen Dr. phil. Heinz-Georg Rupp entworfene "Zeit-Raum", ein Wellness-Center für Geist und Seele, sein, der sich im oberen Stockwerk befindet. Rupp hat einen ähnlichen Raum bereits in einem Hotel in Herzogenaurach eingerichtet. Wie Rupp im Gespräch mit der DAZ verriet, hatte er die Idee zu einem solchen Meditationsraum in einem Traum: er sah einen Brunnen umgeben von sieben Blütenblättern, die wie eine schützende Nische einen Menschen aufnehmen konnten. Sinn eines solchen Raums soll es sein, so Rupps Philosophie, die Konzentration zu stärken, kreative Ideen freizusetzen und zu sich selbst zu finden.
In der Expo-Apotheke konnte Rupp nun einen ähnlichen Raum wie in Herzogenaurach gestalten. Der Eingang ist einer Felsspalte nachempfunden. Der Besucher wird durch einen leicht gebogenen Gang ins Innere geführt, so dass der Innenraum nicht sofort eingesehen werden kann. Im runden Innenraum finden sich Sitznischen in die Wand eingelassen für zwölf Personen. Man kann sich in diese Nischen verkriechen oder im Schneidersitz sitzen.
Es soll nicht nur das Gefühl einer Höhle entstehen, die Sitznischen, die Rupp als "Entspannungsblase" bezeichnet, sollen vielmehr eine doppelte Sicherheit vermitteln. Warme, weiche Materialien sollen Ruhe ausstrahlen: Die Nischen sind mit Schaumstoff ausgekleidet, der mit Filz überzogen ist.
Die Wände des Raums sind gellgrau, die Stimmung im Raum wird durch Lichtprogramme in bestimmte Farben getaucht, Klänge, die leise in die Nischen eingespielt werden, sollen beruhigend wirken. Wesentlich für Rupp sind aus psychologischer Sicht: Menschen brauchen gerade in unserer unruhigen hektischen Zeit Ruhe, um Auftanken zu können.
Manche Menschen müssen erst wieder lernen, Ruhe zu finden. Deswegen ist ein Anliegen des Raumes, Hilfestellung dabei zu geben, wieder zur Entspannung zu finden. Das zweite Anliegen ist, das Sich-konzentrieren-Können zu erleichtern, das vielen Menschen bei der immensen Informationsflut immer schwerer fällt. Die Kon-Zentration soll gefördert werden durch die Gestaltung der Mitte des Raums: hier steht ein Kupferkegel, eine Art Kegelskulptur, ein Unikat des Kölner Objektkünstlers Victor Bonato. In der Spitze des Kegels sitzt ein beleuchteter Bergkristall. An der Oberfläche des Kegels fließt langsam Wasser herab, das im Boden um den Kegel herum, der in einer nicht sichtbaren Wanne steht, versickert. Der Zeit-Raum möchte Ruhe ausstrahlen, Kon-Zentration bringen und dadurch zur Kreativität führen.
Der Meditationsraum ist in der Expo-Apotheke bewusst eingeführt worden - auch wenn die Fläche von manchen lieber als Verkaufsfläche genutzt worden wäre. Aber: warum soll eine Apotheke nicht auch Ruhe und Konzentration schenken dürfen - so die Philosophie, die letztendlich auch für kleinere Apotheken umsetzbar und machbar wäre. Rupps Idee: Selbst ein halber Zeit-Raum, der durch Spiegel optisch vergrößert wird, könnte als Wellness-Center für Geist und Seele fungieren.
Die Expo-Apotheke will eine neue Dimension der Apotheke erschließen über ihre Philosophie, Konzeption und Architektur. Sie ist Realität und Zukunftskonzept. Sie möchte zeigen, wo's lang gehen kann. Sie will Lust an der Gesundheit vermitteln und zeigen, dass es Spaß macht, in eine Apotheke zu gehen - und zwar nicht erst dann, wenn man krank ist.
Am 1. Juni wird die Weltausstellung Expo 2000 in Hannover eröffnet. Zum deutschen Beitrag gehört u. a. die Vorstellung einer "Weltapotheke", eine voll funktionstüchtige Apotheke für die Besucher der Expo und die Mitarbeiter der Ausstellung. Unter dem Namen "Pharmaxie" will die Apotheke neue Wege der Pharmazie aufzeigen und Apothekenvisionen vorstellen. Wir haben uns die Pläne für die Expo-Apotheke angesehen.
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