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- DAZ 18/2000
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Physiologie
J. BraterWarum das Herz schlägt
Was dieses Kraftwerk - nicht nur unermüdlich, sondern zugleich auch höchst effizient - am Laufen hält, sind nicht etwa Nerven, die von außen in das Herz einstrahlen, sondern spezielle Herzmuskelfasern, die aufgrund ihres besonderen, nur unter dem Mikroskop erkennbaren Aufbaus in der Lage sind, aus sich selbst heraus elektrische Impulse (Aktionspotenziale) zu erzeugen. Die Gesamtheit dieser Muskelfasern - in Form von Knoten und Leitungen ziehen sie von der Herzbasis bis hin zur Spitze - bezeichnet man als Erregungsleitungs-System.
Der primäre Schrittmacher, von dem die elektrische Erregung ihren Ausgang nimmt, ist der Sinusknoten. Er liegt dort, wo die obere Hohlvene in den rechten Herzvorhof einmündet, und erzeugt durchschnittlich 60 bis 70 Impulse pro Minute. Diese breiten sich zunächst über die beiden Herzvorhöfe aus und sorgen dafür, dass sich deren Muskulatur zusammenzieht und das Blut in die nachgeschalteten Kammern presst.
Dafür, dass sich die Kammern jetzt nicht ebenfalls zusammenziehen, sorgt eine bindegewebige Abgrenzung zwischen Vorhöfen und Kammern, die von der elektrische Erregung nicht überwunden werden kann und nur eine einzige Durchbruchsstelle aufweist. Hier sitzt der Atrioventrikular- oder kurz AV-Knoten (Herzvorhof: Atrium, Herzkammer: Ventrikel). Er nimmt den Impuls aus den beiden Vorhöfen auf und leitet ihn mit einer zeitlichen Verzögerung von ein bis zwei Zehntelsekunden an die Muskulatur der Kammern weiter. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass sich die beiden Kammern erst nach den Vorhöfen zusammenziehen, nämlich dann, wenn sie vollständig mit Blut gefüllt sind.
Ist die Erregung über den AV-Knoten auf die Muskulatur der Kammern übergegangen, so sollen diese nun möglichst gleichzeitig das in ihnen enthaltene Blut in Richtung Lunge bzw. Körper auswerfen. Zu diesem Zweck spaltet sich das Erregungsleitungssystem in zwei Schenkel auf, die man als HIS-Bündel bezeichnet und die schließlich in Form feiner Endigungen (Purkinje-Fasern) in die Arbeitsmuskulatur des Herzens (Myokard) einstrahlen.
Erst wenn sich die elektrische Erregung zurückgebildet und die Herzmuskulatur wieder vollkommen entspannt hat, erfolgt der nächste Impuls, der wiederum, vom Sinusknoten ausgehend, auf dem geschilderten Weg wie eine Welle über das Herz hinwegläuft und dieses zu einer rhythmischen Kontraktion anregt.
Neben seiner Rolle als Verbindungsglied zwischen Vorhöfen und Kammern hat der AV-Knoten noch eine weitere Aufgabe: Fällt nämlich der Sinusknoten als primärer Schrittmacher aus, so springt er automatisch ein und hält das Herz - wenn auch mit nur noch 40 bis 50 Schlägen pro Minute - in Gang.
Wenn das Herz ohne die Hilfe von Nerven arbeitet, kann es dann auch außerhalb des Körpers schlagen?
Ja, das funktioniert. Wird das Herz über die Kranzgefäße nur ausreichend mit sauerstoff- und nährstoffreichem Blut versorgt, so ist es in der Lage, auch außerhalb des menschlichen Körpers viele Stunden lang rhythmisch seine Arbeit zu erfüllen.
Durchläuft die Welle der elektrischen Erregung das Herz überall mit gleicher Geschwindigkeit?
Nein. Wie man sich leicht denken kann, erfolgt die Ausbreitung in den Muskelfasern des Erregungsleitungssystems selbst am schnellsten (etwa 2 bis 4 Meter pro Sekunde). In der Arbeitsmuskulatur pflanzt sich der elektrische Impuls wesentlich langsamer (mit etwa 1 Meter pro Sekunde) fort, und am stärksten, nämlich auf rund ein Zehntel (10 Zentimeter pro Sekunde), wird die Geschwindigkeit im Atrioventrikularknoten herabgesetzt. Dies ist, wie eingangs dargestellt, durchaus sinnvoll, da auf diese Weise die elektrische Erregung erst dann von den Vorhöfen auf die Kammern überspringt, wenn die Zusammenziehung der Vorhöfe abgeschlossen ist.
Wie kann der Arzt die Erregungsleitung überprüfen?
Mit Hilfe des EKG (Elektrokardiogramm). Die elektrischen Spannungsabläufe am Herzen strahlen bis zur äußeren Haut aus und können dort mit Hilfe kleiner Elektroden abgegriffen und - von geeigneten Geräten entsprechend verstärkt - gemessen und als charakteristische Kurve dargestellt werden. Am Kurvenverlauf erkennt der Arzt, ob Störungen die korrekte Erregungsleitung blockieren, insbesondere, ob der Herzmuskel an irgendeiner Stelle, eventuell durch einen vorausgegangenen Herzinfarkt, geschädigt ist.
Auf welche Weise passt der Organismus die Herzleistung an die jeweiligen Bedürfnisse an?
Das Erregungsleitungssystem stellt gewissermaßen das primäre, der Herzarbeit übergeordnete Zentrum dar. Daneben wird das Herz noch von Nerven des vegetativen Nervensystems, die für die Steuerung der unwillkürlich ablaufenden Körperfunktionen verantwortlich sind, beeinflusst. Ein Teil dieses Nervensystems, der so genannte Sympathikus, steigert dabei Schlagfrequenz, Kraftentwicklung und Erregungsgeschwindigkeit, während sein Gegenspieler, der Parasympathikus, dämpfend und verlangsamend auf die Herzarbeit einwirkt.
Welche Störungen der Erregungsleitung unterscheidet man?
Als Folge einer Schädigung des Erregungsleitungssystems oder einer Störung der Herzdurchblutung, aber auch aufgrund von Fehlfunktionen des vegetativen Nervensystems, kann das Herz aus dem Takt geraten. Man spricht dann von Herzrhythmusstörungen. Diese reichen von vollkommen harmlosen Unregelmäßigkeiten bis zu hochgradig lebensbedrohlichen Erkrankungen. So sind einzelne, zwischen den normalen Herzaktionen auftretende Kontraktionen, die man als Extrasystolen bezeichnet, in der Regel bedeutungslos, wohingegen eine abnorme Verlangsamung der aufeinander folgenden Herzschläge (Bradykardie) und vor allem eine beträchtliche Beschleunigung (Tachykardie) in jedem Fall überaus ernst zu nehmen sind. Ziehen sich die Herzvorhöfe in rasender Folge - bisweilen über 300-mal pro Minute - zusammen, so spricht man von Vorhofflimmern. Entsprechend wird dieselbe Erscheinung, wenn die Herzkammern betroffen sind, als Kammerflimmern bezeichnet. Greift der Arzt in einem solchen Fall nicht schnellstens ein, so ist, da das Herz praktisch kein Blut mehr ausstoßen kann, unweigerlich der Tod die Folge.
Was ist ein Herzschrittmacher?
Ein kleines, batteriebetriebenes Gerät, das, unter die Haut gepflanzt, über dünne Kabel regelmäßige Impulse an das Herz sendet und es so in Takt hält. Verwendet wird ein solcher Herzschrittmacher, wenn man erkennt, dass entweder die Erregungsbildung im Herzen gestört ist und dadurch die Schlagfrequenz zu stark absinkt oder wenn das Herz zeitweilig oder dauerhaft sehr unregelmäßig arbeitet. Es gibt heutzutage schon Geräte, die sich automatisch der Herzarbeit anpassen und sich nur dann einschalten, wenn dafür gerade Bedarf besteht.
Lange bevor ein Mensch geboren wird, schon im Mutterleib, beginnt sein Herz zu schlagen. Bis zum Tod hat es sich etwa 2,5 Milliarden Mal zusammengezogen und entspannt. Warum das Herz dauernd und ununterbrochen schlägt, erklärt unser Beitrag in der Rubrik "Physiologie".
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