DAZ aktuell

KBV: Ärzte sollen weiter bei Arzneimitteln sparen

Köln (im). Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat die niedergelassenen Ärzte davor gewarnt, bei den Arzneimitteln den Fuß von der Bremse zu nehmen und künftig sorgloser zu verschreiben. Meldungen, die wegen der Abflachung der Ausgaben im März 2000 um 4,8 Prozent fälschlicherweise Entwarnung suggerierten, sollten nicht zu falschen Schlüssen verleiten, hieß es auf der KBV-Vertreterversammlung am 8. Mai in Köln. Vorstandsmitglied Dr. Jürgen Bausch, Arzneiexperte seiner Organisation, prangerte dort die seiner Meinung nach zu hohen Distributionskosten an.

Die KBV, die Vertretung 110 000 niedergelassener Ärzte, geht von einer "katastrophalen Entwicklung" im Arzneisektor in diesem Jahr aus. Bei Zugrundelegung der Arzneiausgabentöpfe von 1999 überstiegen die Arzneiumsätze der ersten drei Monate den Budgetansatz um 9,8 Prozent, erklärte der erste Vorsitzende der KBV Dr. Manfred Richter-Reichhelm (siehe Graphik). Dies sei rechnerisch eine Überschreitung von mehr als 800 Millionen Mark. Das liege noch über der Entwicklung des ersten Quartals 1999 von plus 200 Millionen Mark, die im vergangenen Jahr das "Notprogramm" der KBV - den Tritt auf die Ausgabenbremse - ausgelöst hatte.

Rationierung droht

Halte die Politik an den gesetzlichen Beschränkungen fest, drohe die Rationierung notwendiger Therapien. Es gebe bereits Signale für eine verschlechterte Versorgung. Die Ärzte forderten die Abschaffung der Budgets. Alternativen könnten Richtgrößen sein, zu denen es unterdessen eine neue Bundesempfehlung mit den Krankenkassen gebe. Ziel sei ansonsten, mit den Krankenkassen für dieses Jahr höhere Ausgabengrenzen zu verhandeln. Richter-Reichhelm verwies in seinem Bericht zur Lage auf den Kostenschub durch hochpreisige Spezialpräparate sowie die Fülle teurer Innovationen.

In diesem Zusammenhang nannte er gemeinsam mit dem Arzneiexperten Bausch hochpreisige Medikamente gegen Krebs, AIDS, Hepatitis oder bei der Transplantationsnachsorge. Hierdurch sowie durch Innovationen kämen wirksame Arzneimittel als Verbesserungen auf den Markt, die jedoch zum Teil Jahrestherapiekosten von 40.000 bis 100.000 Mark pro Patient verursachten. Das ethische Dilemma, dass Ärzte ihren Patienten innovative Präparate aus Budgetgründen verweigern müssten, sei "ein Skandal", sagte Bausch in einem Redebeitrag. In diesem Zusammenhang prangerte er die seiner Meinung nach zu hohen, unhaltbaren Distributionskosten an. "Wenn ein Arzneimittel das Werk für einen Preis von 20.000 Mark verlässt und für 40.000 Mark beim Patienten ankommt, ist das nicht in Ordnung", so das KBV-Vorstandsmitglied wörtlich.

Sparen sollten die Ärzte vermehrt durch das Verschreiben billiger Generika, wobei die Nachahmerquote hier bereits sehr hoch liege. Die Preise von Generika sollten nach Ansicht von Bausch jedoch deutlich gesenkt werden. Die niedergelassenen Ärzte fordern vehement die Abschaffung der Arznei- und Heilmittelbudgets. Es trete bereits jetzt stille Rationierung auf. So gebe es gemessen an internationalen Standards Rationierung bei der Behandlung von Alzheimer- oder Schizophrenie-Kranken.

Festbeträge absichern

In Köln forderte KBV-Chef Richter-Reichhelm zudem die Absicherung des Bundesausschusses Ärzte/Krankenkassen bei der Festlegung neuer Festbeträge durch den Gesetzgeber. Anderenfalls würden die Ärzte ihre Mitarbeit im Gremium verweigern.

Integrierte Versorgung

Bei der integrierten Versorgung - politisches Herzstück der letzten Gesundheitsreform - warnte er davor, die KVen außen vor zu lassen. Die einzelnen Ärzte sollten sich "nicht um kurzsichtiger finanzieller Vorteile willen direkt an die Krankenkassen verkaufen", sondern sich mit ihrer KV abstimmen. Langfristig sah der KBV-Repräsentant keine finanziellen Vorteile, da die Kassen mit den sektorübergreifenden Verträgen Geld sparen wollten, um ihre Beitragssätze stabil zu halten.

Morbiditätsindex kommt

Eine weitere Aufgabe für die KBV sei die Erstellung eines Morbiditätsindex, mit dem der tatsächliche Versorgungsbedarf für die Kranken gegenüber Politik und Krankenkassen belegt werden soll.

Zitat

"Wenn ein Arzneimittel das Werk für einen Preis von 20 000 Mark verlässt und für 40 000 Mark beim Patienten ankommt, ist das nicht in Ordnung". KBV-Arzneiexperte Dr. Jürgen Bausch

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.