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Absprache Arzt/Apotheker: Auch Ärzte können gegen das Apothekengesetz verstoß

Eine Verwaltungsbehörde kann Ärzten unter Hinweis auf §11 Apothekengesetz untersagen, dem Inhaber einer Apotheke Patienten zuzuführen und Verschreibungen zuzuweisen, die grundsätzlich in jeder Apotheke erhältlich sind. Dies hat das Oberwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem rechtskräftigen Urteil entschieden. (Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. September 1999, Az.: 13 A 3323/97)

Ausgangspunkt der Entscheidung war folgender Fall: Der Kläger, ein Arzt, betreibt eine onkologische Praxis. Eine Patientin löste auf Bitten seines Personals ein auf eine Zytostatikarezeptur sowie ein auf ein Fertigarzneimittel im Rahmen der Zytostatikatherapie bezogenes Rezept in der im gleichen Gebäude befindlichen Apotheke ein. Gegen die hierauf ergangene Untersagungsverfügung durch die Ordnungsbehörde wandte sich der Kläger. Das Oberverwaltungsgericht hob die Untersagungsverfügung auf. Es betonte jedoch, dass nicht nur Apotheker, sondern auch Ärzte die Vorschrift des §11 Apothekengesetz zu beachten hätten. Die Untersagungsverfügung sei aber rechtswidrig, weil ein Verstoß gegen diese Norm nicht vorliege.

Strikte Trennung

§11 Apothekengesetz bestimmt, dass Apothekenleiter und Apothekenpersonal mit Ärzten und anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen dürften, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben. Diese Bestimmung bezieht sich nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts auch auf Ärzte. Sie sei Ausdruck des Grundsatzes einer strengen Trennung zwischen dem Beruf des Arztes und dem des Apothekers und seines Personals und diene dazu, die Unabhängigkeit des Apothekers gegenüber anderen Heilberuflern ausdrücklich zu sichern, was die grundlegende gesundheitspolitische Bedeutung dieses Themas für den Gesetzgeber belege. Der Arzt solle sich danach ausschließlich bei der Auswahl von Arzneimitteln von fachlich-medizinischen Gesichtspunkten und von seinem ärztlichen Gewissen leiten lassen, während der Apotheker die ihm zugewiesene Kontrollfunktion bei der Lieferung und Aushändigung von Arzneimitteln sachgerecht und eigenverantwortlich entsprechend seiner herausgehobenen Stellung im Gesundheitswesen wahrzunehmen habe. Auch die freie Apothekenwahl durch den Patienten werde durch §11 Apothekengesetz gewahrt.

Dadurch, dass der Arzt an einem dem Apotheker verbotenen Rechtsgeschäft mitwirke, begehe der Arzt nunmehr selbst eine Ordnungswidrigkeit - zumindest wirke er an der Begehung einer solchen durch den Apotheker oder durch dessen Personal mit. In der Missachtung eines gesetzlichen Verbots und einem Mitwirken an einem solchen Verstoß liege eine Störung der öffentlichen Sicherheit, welche die zuständige staatliche Ordnungsbehörde zum Einschreiten berechtige. Es könne nicht sein, dass der Arzt wegen seines gesetzwidrigen Verhaltens ordnungsrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werde und nur mit berufsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen habe, während der Apotheker über §11 ApoG sowohl mit ordnungsrechtlichen als auch berufsrechtlichen Maßnahmen belangt werde. Deshalb sei auch der Arzt in vollem Umfang §11 ApoG zu unterwerfen.

Bitte oder einschüchternde Empfehlung?

Die Untersagungsverfügung hob das Gericht gleichwohl auf, weil im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des §11 ApoG nicht gegeben waren. Insbesondere habe keine Zuweisung von Verschreibungen vorgelegen. Unter Zuweisung falle alles, was dazu diene, ärztliche Verschreibungen unter Ausschluss anderer Apotheken unmittelbar einer einzelnen Apotheke oder mehreren Apotheken anteilmäßig im Wechsel zukommen zu lassen. Dabei sei regelmäßig entscheidend, dass der Arzt den Patienten das Rezept nicht aushändige, sondern unmittelbar der begünstigten Apotheke zugehen lasse, die dem Patienten sodann die verschriebenen Arzneimittel abgebe. Die seitens einer Mitarbeiterin des Klägers gegenüber dem Patienten geäußerte Bitte, das Rezept in der Apotheke im selben Haus einzulösen, erfülle diesen Tatbestand jedoch nicht. Der Tatbestand der Zuweisung von Verschreibungen könne bei einer Überbringung des Rezepts durch einen Patienten in die Apotheke nur dann vorliegen, wenn dem eine intensive und einschüchternde Empfehlung des Arztes bzw. seines Personals vorausgegangen sei. Ein solch massives Auftreten durch den Arzt habe jedoch im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden können.

Aus den Urteilsgründen

"Der Wortlaut des §11 ApoG erfasst mit der ausdrücklichen Bezeichnung von "Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen" auch andere heilberuflich tätige Personen als das Apothekenpersonal. Der in der Bestimmung u.a. genannte Arzt ist jedenfalls notwendigerweise Beteiligter an einer etwaigen unzulässigen Vereinbarung (vgl. §2 Abs. 1 Nr. 5 ApoG) mit dem Apothekenbetreiber oder dessen Personal. Den Begriffen "Rechtsgeschäfte" und "Absprachen" ist das Mitwirken mehrerer Personen - außer dem durch §11 ApoG unmittelbar angesprochenen Erlaubnisinhaber und dem Apothekenpersonal mindestens einer weiteren Person - immanent. Auch wenn wegen der Normadressierung an den Erlaubnisinhaber und das Personal von Apotheken eine, nach strafrechtlichen Begriffen, "unmittelbare Täterschaft" des Arztes in diesem Fall nicht in Betracht kommt, wäre er damit somit "Gehilfe" einer durch den Apotheken-Betriebserlaubnisinhaber oder das Apothekenpersonal begangenen Tatbestandsverwirklichung einer apothekenrechtlich unzulässigen Vereinbarung in Form eines Rechtsgeschäfts oder einer Absprache."

Leitsatz

Auch Ärzte (und andere Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen) können dem Anwendungsbereich des §11 ApoG unterfallen.

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