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Internetapotheke: Klassische Rosinenpickerei
Die "Financial Times Deutschland" hatte in ihrer Ausgabe vom 30. Mai über die Eröffnung der Internetapotheke "0800DocMorris.com" berichtet, die in der Grenzstadt Kerkrade angesiedelt ist und mit 350 häufigen Arzneimitteln wie Kontrazeptiva, Präparaten für chronisch Kranke, Analgetika sowie Mitteln für die Haus- und Reiseapotheke startete. Patienten aus ganz Europa könnten rezeptpflichtige Medikamente zu einheitlichen Niedrigpreisen im Internet bestellen, heißt es im Bericht weiter. Boten lieferten innerhalb von 48 Stunden nach Erhalt des Rezeptes oder nach Bestellung der nicht rezeptpflichtigen Präparate. Es solle Service und Beratung in deutscher, englischer und niederländischer Sprache geben. Bezahlt werde per Lastschrift oder Euroscheck, ab Sommer auch via Kreditkarte. Die Apotheke, in deren Land die Preisbindung fehlt, wolle die Preise in Deutschland um 20 bis 30 Prozent, vereinzelt bis 40 Prozent unterbieten, so die Information der Financial Times.
Auf die deutschen Patienten zielte die Ankündigung, "DocMorris" plane ein Abkommen mit den Krankenkassen, um Online-Kunden ganz oder zum Teil von den hier geltenden Zuzahlungen zu Arzneimitteln zu befreien. Der 36-jährige Apothekenleiter Jaques Waterval habe das Projekt mit zwei Hamburger Kaufleuten und einem elfköpfigen Team gestartet, schreibt die Zeitung. Hauptinvestor sei die Hamburger Techno-Nord. Ziele seien die Gewinnung von europaweit 50 000 Patienten und ein Umsatz von grob umgerechnet neun Millionen Mark (4,5 Millionen Euro). Langfristig werde ein Umsatz nur aus Deutschland von mehr als 550 Millionen Mark (290 Millionen Euro) anvisiert.
Was geschieht mit dem übrigen Apothekensortiment?
Nach Worten von Hans-Günter Friese besteht in unserem Land aus gutem Grund das Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln. Der ABDA-Präsident verwies in diesem Zusammenhang auf den Schutz der Patienten. Die Angebotspalette der niederländischen Apotheke nannte er "klassische Rosinenpickerei". Wenn beispielsweise alle hochpreisigen Arzneimittel oder die gesamte Medikation für chronisch Kranke versendet würden, stelle sich die Frage, was mit dem übrigen Arzneisortiment sowie den Leistungen einer Apotheke geschehe. Die sektorale Betrachtung einzelner Präparate lehnte Friese kategorisch ab, es müsse die gesamte Arzneimittelversorgung betrachtet werden.
Darüber hinaus wies er darauf hin, dass in Ländern, in denen Versand erlaubt sei, die Vertriebskosten teurer als in Deutschland seien. Vom Preis/Leistungsverhältnis her seien die hiesigen Apotheker Spitze, meinte der ABDA-Präsident. Den Hinweis im Zeitungsartikel auf das sehr hohe Preisniveau bei Arzneimitteln in Deutschland - nur in der Schweiz, in Dänemark und Schweden seien Medikamente noch teurer, hieß es dort - wies er zurück. Die Basys-Studie vom Herbst des vergangenen Jahres, die gemeinsam mit dem Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller in Auftrag gegeben wurde, habe vielmehr ergeben, dass die deutschen Arzneimittelpreise nur im unteren Drittel in Europa lägen. Diese Studie sei aussagekräftiger als andere wegen der Einbeziehung der Nachahmerprodukte in die Auswertungen. Es gehe nicht an, Deutschland mit seiner fast 70-prozentigen Generikaquote zum Beispiel mit Frankreich (rund fünf Prozent) zu vergleichen, ohne die Generika zu berücksichtigen.
Die Einrichtung der ersten europäischen Internetapotheke in Kerkrade in den Niederlanden hat Hans-Günter Friese als Verstoß gegen den Verbraucherschutz sowie als Rosinenpickerei kritisiert. Für Deutschland gebe es keinen Grund, ähnliches einzuführen, sagte der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände der Deutschen Apotheker Zeitung in einer ersten Reaktion auf einen groß aufgemachten Artikel in der Zeitung "Financial Times Deutschland".
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