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Selbstmedikationsindustrie setzt auf "Absatzkanal Apotheke"
Wie sich die Selbstmedikation, also der Selbstkauf von Arzneimitteln, entwickeln wird, ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wie Dr. Mark Seidscheck, Hauptgeschäftsführer des Bundesfachverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) erklärte. Einflussfaktoren sind beispielsweise die Gesundheitspolitik, das ärztliche Verordnungsverhalten, Entlassungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus der Verschreibungspflicht und soziodemografische Faktoren. Nach den neuesten Zahlen, die der BAH unlängst vorlegte, legte die Selbstmedikation mit rezeptfreien Arzneimitteln in der Apotheke in Gesamtdeutschland im Jahr 1999 zu Endverbraucherpreisen um 5 % zu im Vergleich zum Vorjahr. Damit beträgt der Umsatz in diesem Segment insgesamt 7,4 Mrd. DM, was einen Anteil am Gesamtmarkt von 14 % ausmacht. Die Selbstmedikation mit freiverkäuflichen Arzneimitteln in Drogerie- und Verbrauchermärkten wuchs im Vergleich zum Vorjahr um 7 % und erreichte 1999 damit einen Gesamtumsatz von 0,8 Mrd. DM, was einen Anteil von 2 % am Gesamtmarkt entspricht.
In Packungseinheiten gerechnet wuchs die Selbstmedikation mit rezeptfreien Arzneimitteln aus der Apotheke um 3 % auf 574 Mio. Packungseinheiten (Anteil: 34 %). Die Selbstmedikation mit freiverkäuflichen Arzneimitteln in Drogerie- und Verbrauchermärkten verzeichnete ein Wachstum von 6 % auf 110 Mio. Packungseinheiten (Anteil: 7 %).
Interessant ist die Darstellung der indexierten Umsatzentwicklungen im Arzneimittelmarkt seit 1987. Hier zeigt sich deutlich, dass der Bereich der verordneten rezeptfreien Arzneimittel praktisch bis heute stagnierte, die Selbstmedikation dagegen auf einen Indexwert von nahezu 180 anstieg.
Positivliste - noch viele Fragezeichen
Auswirkungen auf den Arzneimittelbereich werden in Zukunft nach wie vor politische Entscheidungen haben. So wird die weitere Entwicklung nach Ansicht von Seidscheck durchaus auch davon abhängen, ob in Deutschland letztendlich eine Positivliste eingeführt werden wird oder nicht. Hier zeigte er sich skeptisch. Zwar dürfte die Vorschlagsliste, die der Sachverständigenausschuss als Auflistung von Substanzen, die für eine Positivliste in Frage kommen, bis 30. Juni 2001 erstellen muss, vorgelegt werden, höchst fraglich sei es dagegen, ob diese Vorschlagsliste letztendlich in eine Positivliste mit Auflistung von Präparatenamen umgesetzt wird und als solche in Kraft tritt.
Produkte durch wissenschaftliche Aussagen stützen
Unabhängig davon muss sich heute ein Hersteller von OTC-Arzneimitteln bzw. apothekenpflichtigen, verordnungsfähigen Arzneimitteln überlegen, wie er auf eine mögliche Positivliste reagieren will. Er kann z. B. die Aufnahme in die Positivliste anstreben, ein Unterfangen, das hohen Zeit- und Finanzbedarf beansprucht, der Ausgang ist ungewiss. Er kann aber auch darauf setzen, dass er sein im Markt befindliches apothekenpflichtiges aber nicht verschreibungspflichtiges Präparat noch besser positioniert und beispielsweise durch wissenschaftlich fundierte Aussagen zum Produkt und zur Produktwirkung stützt. Dadurch könnte z. B. die Apothekerempfehlung stimuliert werden.
Denkbar wäre auch bei manchen Präparaten ein Switch von der Verschreibungspflicht in den OTC-Status, was allerdings in aller Regel mit hohen Werbeinvestitionen und zunächst sinkenden Gewinnmargen einhergeht. Schließlich könnte ein Hersteller als Reaktion auf eine Positivliste auch versuchen, den Status des Arzneimittels seines Produktes aufzugeben, was zur Folge hätte, dass er seine Produkte in anderen Vertriebskanälen vermarkten könnte, allerdings mit schwächeren Indikationsansprüchen.
Ob in Deutschland dagegen die Möglichkeit eröffnet wird, Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Präparate zu betreiben, ist mehr als fraglich. Es wäre allerdings die einzige Chance für nicht in der Positivliste gelistete verschreibungspflichtige Präparate an den Endverbraucher heranzutreten, um beispielsweise Wunschverordnungen zu stimulieren.
Selbstmedikation als Chance...
Trotz aller möglichen Szenarien und Bedenken: Seidscheck zeigte sich optimistisch, was die Wachstumschancen im OTC-Markt betrifft. Denn Selbstmedikation ist in den letzten zehn Jahren gegenüber allen anderen Marktsegmenten überproportional gewachsen. Da für den GKV-Markt zukünftig weitere Einschnitte zu erwarten sind, wird die Selbstmedikation Wachstumsimpulse aus gesundheitspolitischen wie aus sozioökonomischen Entwicklungen erfahren. Seidscheck wörtlich: "Die Selbstmedikation ist die einzige Chance, Verordnungsrückgänge zu kompensieren. Eine Stärkung der Selbstmedikation muss daher ein gemeinsames Anliegen von Apothekern und Arzneimittelherstellern sein."
...auch für Apotheken?
Zu einer ähnlichen Beurteilung hinsichtlich des Wachstums der Selbstmedikation auf Grund staatlicher Eingriffe und nicht zuletzt auf Grund der Alters- und Kostenstruktur im Gesundheitswesen, kommt Richard Künkele von der Marktforschungsgesellschaft Drotax. Die Chancen für die Apotheken, an diesem Wachstumsmarkt in Zukunft zu partizipieren, sieht er dagegen skeptischer. Seine Prognose geht dahin, dass Drogeriemärkte, der Lebensmitteleinzelhandel, Reformhäuser und Lebensmittelketten wie Aldi und andere auf dem Gesundheitsmarkt weiter expandieren und ihren Umatz auf dem Gebiet der freiverkäuflichen Arzneimittel steigern werden. Zum Markt der freiverkäuflichen Arzneimittel werden sich eine größere Anzahl von "Gesundheitspflegemitteln" gesellen, hinzu kommt eine Ausweitung der diätetischen Lebensmittel und von Functional Food (Lebensmittel mit Gesundheitsansprüchen).
Der Bereich der Diagnostika wird wachsen, ebenso die Sparte Cosmeceuticals, worunter Kosmetik- und Hautprodukte zu verstehen sind, die unter Gesundheitsaspekten und mit therapeutischen Versprechen vermarktet werden. Auch am großen Markt von Functional Food arbeiten bereits alle großen pharmazeutischen Konzerne. Die Apotheke wird an diesem Markt, wenn sie ihre heutige Struktur beibehält, nicht teilnehmen können, hier werden die Reformhäuser das Rennen machen, prophezeite Künkele.
Lässt sich die Preisbindung halten?
Möglicherweise wird auch die europäische Gesetzgebung in Deutschland Veränderungen bringen. Die Preisbindung im Buchhandel dürfte wohl fallen; Künkele fragte vor diesem Hintergrund, wie lang sich die Preisbindung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln noch halten lässt. Wie stark der Markt der freiverkäuflichen Arzneimittel und Gesundheitspflegemittel in Bewegung ist, zeigt auch die Betrachtung von "modischen Arzneimitteln" bzw. modischen Trends des OTC-Marktes. Hierzu zählt man beispielsweise Präparate mit Fischöl, Ginkgo, Knoblauch, Vitamine, Teebaumöl, Fruchtsäuren, außerdem Schlankheitsmittel, probiotische Lebensmittel und Functional Food. "Das Präparat 'Spargelfit' war beispielsweise vor einiger Zeit etwa ein Jahr lang ein Renner in Apotheken, danach war es nahezu vollkommen vom Markt verschwunden", so Künkele.
Dunkles Szenario für Apotheken
Die Apotheken geraten vor diesem Hintergrund, auch angesichts des zunehmenden Gesundheitssortiments bei Aldi und dem Direktvertrieb von großen Versandhäusern unter Druck. Künkele prognostizierte für die nächsten Jahre eine Reduktion der Apothekenzahl in Deutschland. Schon heute sei ersichtlich, dass die Zahl der Neugründungen sich deutlich verlangsame. Langfristig gesehen sei er überzeugt, dass das Fremd- und Mehrbesitzverbot aufgehoben wird, der Versandhandel kommt, die Preisspannenverordnung fällt, Franchise-Systeme und Apothekenketten etabliert werden und ein vollkommener Sortimentswandel in Apotheken eintritt.
Nicht zuletzt wird auch das Internet die Handelsstrukturen nachhaltig beeinflussen. Künkele ist überzeugt davon, dass bereits heute die Großhandlungen Konzepte für den Tag X in ihren Schubladen liegen habe, wie sie die Apotheken als Franchise-Unternehmen binden. Eine Chance sieht er allerdings für Apotheken auf dem Gebiet der Dienstleistungen, die in Zukunft zunehmen dürften. Die Domäne der Apotheken liegt auf dem Gebiet der Beratung, z. B. Fernreiseimpfberatung, Diätberatung, Umweltberatung und vieles mehr.
Den Preiskampf gegen Schlecker wird die Apotheke verlieren!
Anders die Einschätzung eines Pharmamanagers der Boehringer Ingelheim GmbH, der für den Europabereich Selbstmedikation zuständig ist. Hans V. Regenauer glaubt beispielsweise nicht daran, dass die Harmonisierung und Liberalisierung des Pharmamarktes in Europa allzu schnell und allzu weit voranschreiten wird. Die Apotheke hat für ihn gute Chancen, auch weiterhin einen sicheren Platz im Gesundheitswesen zu halten. Sie genießt hohes Vertrauen in der Bevölkerung, man verbindet mit der Apotheke Beratungskompetenz. Das Hauptgeschäft wird auch in Zukunft für die Apotheke der Markt der verschreibungspflichtigen, der verordneten Arzneimittel sein.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass der Apotheker auch in Zukunft seinen Fokus auf diesen Markt richten wird. Die Selbstmedikation, der OTC-Markt, wird daher nicht selten als nachrangig betrachtet, was Regenauer bedauerte. Statt sich aktiv in der Beratung von Selbstmedikationspräparaten einzusetzen, versucht der Apotheker den OTC-Markt und den Markt der freiverkäuflichen Arzneimittel "über den Preiskampf gegen Schlecker" zu forcieren, ein Kampf, den die Apotheke verlieren wird. Der Durchschnittsapotheker lerne "in Nachmittagsseminaren ein wenig Marketing" und glaube, dass er dann auf diesem Gebiet fit sei. Die Industrie, so Regenauer selbstkritisch, unterstützt dies auch noch fahrlässig durch Rabatte. Nach seiner Auffassung wäre es besser, wenn die Apotheke ihre Stärken im Mikromarketing ausbaut und sich Nischen sucht, wo sie kompetent ist, z. B. in der Beratung, in der Homöopathie, usw.
Premiumpreis für Premiumprodukte
Zur Preispolitik auf dem OTC-Markt: Der Pharmamanager zeigte sich davon überzeugt, dass für ein gutes Produkt ein vernünftiger Preis verlangt werden kann. Als Fehler sieht er, Markenprodukte möglichst im preislichen Mittelfeld zu positionieren. Ein gutes Produkt ist eine Marke, die mit einer Premiumstrategie gefahren werden kann. Auch der Verbraucher sucht nicht immer das billigste Präparat. Gerade über Beratung und Information kann aktiv auf Premiummarken hingewiesen werden.
Mit Vitaminen wachsen
Der Vitaminmarkt wird weiter wachsen - davon ist jedenfalls Holger Seyfarth, Leiter der Vitaminabteilung für das Pharmamarketing von Hoffmann-La Roche, überzeugt. In der Tat sprechen einige Gründe hierfür. Angesichts steigender Gesundheitskosten ist es wünschenswert, dass vor allem auch die ältere Bevölkerung mit der optimalen Menge von Vitaminen, die für ein gesundes Leben notwendig ist, versorgt ist. Personen über 50 sind hochmotiviert, ihre physische und mentale Fähigkeiten so lange wie möglich zu erhalten. Diese Bevölkerungsgruppe bringt auch gute Voraussetzungen dafür mit, nicht zuletzt auf Grund ihrer finanziellen Situation, in ihre Gesundheit, in Fitness und Wohlbefinden zu investieren. So verspricht man sich große Wachstumschancen insbesondere im Segment "50 Jahre +" auf dem Gebiet von Gesundheitsnahrung und gesundem Essen.
Hinzu kommt, dass heute in der Bevölkerung der Begriff Vitamine auch verbunden wird mit Wohlbefinden, Stärke, Energie und einem gesunden Immunsystem, also in erster Linie zur Vorbeugung gegen Krankheiten im Alter. Anfragen zeigten, dass mit Vitaminen angereicherte Lebensmittel von über 60 % der Bevölkerung der Vorzug gegeben wird und dass natürliche Vitamine als besser angesehen werden als synthetisch hergestellte.
80 % der Bevölkerung halten beispielsweise auch bestimmte Aussagen oder wissenschaftliche Informationen auf der Packung von Vitaminen für wichtig. Für den wachsenden Vitamin- und Nahrungsergänzungsmarkt spricht außerdem der Hinweis, dass der Großteil der Bevölkerung Nahrungsergänzungsmittel einnehmen würde, wenn hierfür ausreichend genug Beweise für Ihren Nutzen vorlägen. Und schließlich: kaum jemand ist der Ansicht, dass Vitamine zu teuer sind.
Nur die Starken überleben
Positiv für Markenpräparate sieht auch der Pharmamanager eines kleineren Unternehmens, Johannes Walldorf, OTC-Produktmanager bei der Weleda AG, die Zukunft. In seinen Perspektiven geht er davon aus, dass sich im Gesundheitsmarkt mittelfristig Liberalisierungen abzeichnen werden. Seine Thesen: Der Status Freiverkäuflichkeit wird ausgedehnt, es gibt mehr Entlassungen aus der Verschreibungspflicht, die Preisbindung für OTC-Arzneimittel wird entfallen, der Mehrbesitz von Apotheken erlaubt.
Zahlreiche Apotheken werden schließen, die Überlebenden werden sich auf besondere Dienstleistungen spezialisieren. Das würde für die pharmazeutische Industrie bedeuten, dass mit einer Machtkonzentration, nämlich Apothekenketten, auf Seiten der Handelspartner zu rechnen ist. Langsamdreher werden aus der Regalfläche verschwinden, nur starke Produkte werden in der Apotheke überleben. Vor dem Hintergrund eines solchen Szenarios wird sich auch ein Unternehmen wie Weleda AG dazu entschließen, eine deutliche Markenstrategie auf- und auszubauen. Das breite Sortiment (81 Arzneimittel auf 16 Indikationsgebieten verteilt) muss hierfür gestrafft werden, angestrebt wird mehr Umsatz mit weniger Präparaten. Parallel soll am Aufbau der Dachmarke und der Produktmarke gearbeitet werden.
Die Kommunikation zum Endverbraucher wird gestärkt, beispielsweise durch Callcenter für Verbraucher, durch einen Internetauftritt und durch direkten Kundenkontakt im Bereich Körperpflege. Im Bereich Apotheken wird man den Apothekenaußendienst verstärken, Partnerkundenkonzepte entwerfen, Warenkundeschulungen durchführen und eine Hotline Medwiss einführen.
Mit Knofel Marktführer
Am Beispiel des Knoblauchmarktes versuchte Dr. F. Michel, Lichtwer Pharma AG, Strategien für die internationale Vermarktung von Phytopharmaka aufzuzeigen. Mit einem Umsatz von 95 Mio. Dollar war Kwai in Westeuropa im Jahr 1998 Marktführer unter den Knoblauchpräparaten. Um weiter zu wachsen, hatte sich Lichtwer 1998 bekanntlich dazu entschlossen, Kwai auch über Drogeriemärkte zu vertreiben, was allerdings massiven Ärger bei Apothekern hervorrief, die zudem davon ausgingen, dass andere Produkte und Firmen diesem Beispiel folgen werden. Die Apotheken reagierten entsprechend, die Umsätze von Lichtwer-Verkäufen in Apotheken fielen kontinuierlich seit Herbst 1998.
Die Umsätze außerhalb von Apotheken konnten die Verluste in den Apotheken nicht ausgleichen. Lichtwer entschloss sich daher, Kwai wieder ausschließlich über Apotheken zu vertreiben, mit dem Präparat Kwai forte 300 mg, das am 1. Oktober 1999 eingeführt wurde. Ziel ist es seitdem, so Michel, wieder die Marktführerschaft im Knoblauchmarkt zu erreichen. Strategie ist, mit der starken Marke Kwai wieder Vertrauen aufzubauen. Kwai forte soll als stärkstes Kwai positioniert werden, das Arterienverkalkung verhindert, insbesondere für Risikogruppen und zur Vorbeugung.
Smart shopper kaufen bei Aldi und in der Apotheke
Zahlen von IMS Health GmbH, Frankfurt, vorgestellt von Jürgen Petersen, Direktor Geschäftsbereich Selbstmedikation dieses Unternehmens, zeigen, dass der Selbstmedikationsmarkt außerhalb von Apotheken kontinuierlich wächst. Heute läuft bereits jede dritte Mark im Bereich der Selbstmedikation an den Apotheken vorbei. Je banaler die Indikation, desto mehr setzt der mass-market in diesem Segment um. Deutlich ist ein Trend zum so genannten smart shopper auszumachen, wie Umfragen zeigen. Diese Käuferschicht kauft gezielt und sehr bewusst ihre Präparate in den verschiedenen Einkaufsquellen ein, je nachdem, welche Ansprüche sie damit verbinden. Benötigt er beispielsweise Unterstützung und Service, geht er in die Apotheke.
Bei Präparaten, bei denen er sich auszukennen glaubt, z. B. Franzbranntwein, Melissengeist, Vitamine und Mineralstoffe, Knoblauch, geht er immer öfters in Drogerie- und Einkaufsmärkte. Auch Petersen riet davon ab, den Preiskampf mit Aldi oder anderen Discountern aufzunehmen: "Hier hat der Apotheker keine Chance!". Die Apotheke solle vielmehr im Bereich der Selbstmedikation ihre Kompetenz, die persönliche Beratung ausspielen und nutzen. Dann bezahle der Kunde auch einen angemessenen Preis.
Ein Vorteil des Vertriebskanals Apotheke sei es, dass starke Marken angeboten werden, die der Kunde kennt und denen er vertraut. Die Apotheke sollte versuchen, sich in Nischen zu positionieren, z. B. als "Wellness-Apotheke". Für die Industrie ist die Apotheke nach wie vor ein "Premium-Handelspartner", wo sie ihre eigenen Premiumprodukte vertreiben kann. Unter diesen Voraussetzungen wird es für beide Vertriebskanäle, für Apotheke und für mass-market, in Zukunft eine Berechtigung geben.
Autorität in Marketing umsetzen
Optimistisch, auch weiterhin im Gesundheitsmarkt einen festen Platz einzunehmen, zeigte sich Rudolf Mattenklotz, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein in seinem Statement. Die Apotheke hat nach seiner Auffassung einen unbestreitbaren Kompetenzvorsprung, sie muss aber ihre "Autorität" in Marketing umsetzen. Dazu zählt, ein gutes Ambiente zu schaffen, um Hemmschwellen abzubauen, die Sortimente, die Markenpräparate gut zu präsentieren, Sicht- und Freiwahl auszubauen und über Beratung und Service Stammkunden zu binden.
Der Apotheker sollte sich allerdings nicht in den Preiswettbewerb bei freiverkäuflichen Arzneimitteln einlassen und sollte sich auf apothekenpflichtige Arzneimittel konzentrieren. Umfragen wie das Kundenbarometer bestätigen der Apotheke, dass sie eine der bekanntesten und stärksten Vertriebsmarken im Gesundheitsmarkt ist. Fast in allen relevanten Leistungsmerkmalen erreichen Apotheken Spitzenwerte, so z. B. in der Beurteilung der Freundlichkeit und kompetenten Beratung.
Enjoy Coca-Cola
Dass die richtige Markenpolitik zum Erfolg führt, zeigte Jürgen Veit, Werbeagentur Ogilvy Healthcare, am Beispiel der Marke Coca-Cola Er riet der Industrie, in die Kraft der Marke zu investieren. Coca-Cola beispielsweise ist die bekannteste Marke der Welt. Der Werbefachmann David Ogilvy sagte über die Marke: "Eine Marke ist ein komplexes Symbol. Es ist eine nicht greifbare Summe aus Produktattributen, Name, Preis, Packung, ihre Geschichte, ihren Ruf und der Art und Weise, wie sie beworben wird. Eine Marke wird wesentlich durch den Eindruck von den Verbrauchern, die das Produkt, benutzen, definiert - wie auch durch deren persönliche Erfahrung". Marken, so Veit, sind die Differenz zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung. Und: Marken müssen erlebbar sein. Mit den Marken werden bestimmte Gefühle, Emotionen transportiert.
Auch Freddy Santermans, Leiter des internationalen OTC-Geschäfts bei der Asta Medica AG, kam zu der Überlegung, dass der Markenwert gesteigert werden muss in Zukunft, um im OTC-Geschäft mitzumischen. Zu seinen Visionen gehört es auch, dass beispielsweise das Internet noch stärker zur Kundenansprache genutzt werden wird.
E-Commerce kommt, ob wir wollen oder nicht
Und Dr. Michael C. Müller von der Consultingfirma Roland Berger und Partner GmbH bescheinigte dem E-Commerce ein unglaubliches Wachstumspotenzial: Auch der Gesundheitsmarkt wird von E-Commerce nicht verschont bleiben. Auf dem Internet basierende Dienste haben das Potenzial, Probleme im Gesundheitsmarkt zu lösen. Dies beginnt bei der medizinischen Beratung per Internet, bei dem elektronischen Rezept, bei der Übermittlung von Verschreibungen, beim Verkauf von Arzneimitteln per E-Commerce und Internet, bei elektronischen Versicherungstransaktionen bis hin zum Onlinezusammenschluss von Krankenhäusern und Ärzten.
Betrachtet man sich allein E-Commerce im Bereich der Industrie, so sind verschiedene Modelle vorstellbar. Beispielsweise kann der Verbraucher direkt bei der Industrie Waren und Dienstleistungen ordern. Vorstellbar ist auch die Zwischenschaltung eines Händlers, der Käufer und Verkäufer zusammenbringt. In diesem Fall wendet sich der Verbraucher an diesen Zwischenhändler, der für ihn die Waren zur Verfügung stellt. Als Beispiel für dieses Modell nannte Müller die Firma vitago.de, die sich zur Zeit als Versender von Drogerieartikeln im Markt etablieren will. Denkbar ist in Zukunft, dass sich Kunden mit einem Rezept auch an vitago.de wenden; vitago vermittelt dann nahegelegene Apotheken und übermittelt die Verschreibung online an die für den Kunden nächstgelegene Apotheke. Die Apotheke liefert die Verschreibung an den Kunden aus oder der Kunde holt sich seine über vitago.de vermittelten und bestellten Arzneimittel in der Apotheke selbst ab.
Als weiteres Modell, wie das Internet den Markt revolutionieren könnte, ist das Modell unter Einschaltung eines Marktplatzoperators. Verschieden Anbieter von Waren stellen diese auf einem virtuellen Marktplatz zur Verfügung, wo sich Kunden orientieren können, ebenfalls virtuell. Der Marktplatz gleicht einem virtuellen Kaufhaus oder einer Shoppingmall, wo die Händler ihre Ware und Dienstleistungen anbieten. Der Kunde kann virtuell in dieser Mall spazieren gehen und sich die Waren aussuchen.
Schließlich ist auch vorstellbar, dass eine Plattform, die man als "community builder" bezeichnet, Interessen von Verbrauchern bündelt und an die entsprechenden Händler weiterleitet. Das Internet wird im Gesundheitsmarkt, insbesondere im Arzneimittelmarkt auf verschiedenen Wegen genutzt werden. Zu nennen sind hier beispielsweise der Handel mit freiverkäuflichen und OTC-Arzneimitteln durch große Drogerieanbieter (z. B. vitago.de), Internetapotheken (z. B. Drugstore.com), Versicherungsanbieter (HMOs, z. B. Merck Medco). Es wird einen E-Commerce geben von Arzneimitteln hin in Richtung Ärzte in der Praxis und im Krankenhaus.
Verschreibungen werden auf elektronischem Wege abgewickelt, ebenfalls Produktinformationen weitergegeben. Internetapotheken wie PlanetRx.com oder Drugstore.com werden heute von rund 1,4 Mio. Besucher pro Monat virtuell aufgesucht. Die meisten pharmazeutischen Unternehmen haben das Internet außerdem als zusätzliches Marketingwerkzeug bereits entdeckt. Verbreitet werden Infoseiten, elektronische Broschüren, ein indirektes Marketing durch redaktionell gestaltete Seiten zu Themen der Gesundheit, Werbebanner auf anderen Gesundheitsseiten und vieles mehr.
Um Ärzte beispielsweise mit pharmakologischen Informationen über Arzneimittel aktuell zu informieren, werden unter dem Namen Epokrates von Merck Medco, Eli Lilly und der Firma Palm Daten über das Internet verbreitet frei zum Download für den Palm Organizer. Diese Daten geben Auskunft über 1500 Arzneimittel, Generika und therapeutische Alternativen sowie über mögliche Allergien und Interaktionen. Schon heute nutzen mehr als 35000 Ärzte diesen Dienst. Geplant ist, dieses Angebot weiter auszubauen bis hin zur elektronischen Verschreibung.
Wie wird sich die Selbstmedikation in den nächsten Jahren entwickeln? Wird die Apotheke auch weiterhin eine bedeutende Position für den Vertrieb von OTC-Arzneimitteln darstellen? Wie wird sich überhaupt der Markt der OTC- und freiverkäuflichen Arzneimittel entwickeln? Welche Rolle spielen dabei die Drogerie- und Supermärkte? Und welche Rolle spielt letztendlich das Internet beim Arzneimittelvertrieb? Fragen, mit denen sich Experten aus dem Bereich der Pharmaindustrie und von Consulting-Firmen auf einer Euroforum-Veranstaltung am 7. Juni 2000 in Köln auseinandersetzten. Wir haben die Beiträge zusammengefasst, die für die öffentliche Apotheke von Interesse sind.
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