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Expo 2000: Eine Reise um die Welt an einem Tag

HANNOVER (tmb). Das Gelände der Expo ist etwa so groß wie das Fürstentum Monaco. Auf dieser Fläche wird eine ungeheure Vielfalt meist eindrucksvoller oder verblüffend gestalteter Ausstellungen geboten, die kein Besucher an einem Tag bewältigen dürfte. Eindrücke von der Expo können sich daher immer nur auf Teile der Weltausstellung beziehen, müssen nicht an jedem Tag so wieder zu erleben sein und sind stets subjektiv geprägt. Was ein Besucher, der am Gesundheitswesen interessiert ist, zu diesem Sachgebiet und darüber hinaus auf der Expo erleben kann, soll hier beschrieben werden. Kommen Sie mit auf eine Weltreise über die Expo 2000!

Wer die Expo mit der Bahn besucht, betritt die Welt der Zukunft in Halle 13 und läuft damit unmittelbar auf die Pharmaxie zu. So günstig diese Platzierung der Expo-Apotheke aus der Perspektive der Bahnreisenden ist, so sehr bildet dies für alle anderen Expo-Gäste eine Randlage, die kaum wahrgenommen wird. Die Halle dient insgesamt eher technischen Zwecken, gegenüber der Apotheke liegt beispielsweise das Informationszentrum der Deutschen Post.

Expo-Apotheke

In diesem Umfeld erscheint die Expo-Apotheke eher als Serviceeinrichtung und weniger als Exponat. Von der Ausstellungsleitung war zunächst auch nur eine 60 Quadratmeter große Arzneimittelabgabestelle geplant. Doch ist nun eine Apotheke der Zukunft entstanden, die als offizielles Expoprojekt anerkannt wurde. Sie vermittelt selbst inhaltliche Aussagen und geht weit über ihre rein technische Zweckbestimmung hinaus. Doch wer sich als Expo-Besucher zum Ziel setzt, neue Entwicklungen im Gesundheitswesen kennen zu lernen, wird durch das technische Umfeld leider nicht unbedingt auf die Expo-Apotheke aufmerksam.

Zukunft Gesundheit

Stattdessen dürfte ein solcher Besucher sich zunächst dem Themenpark zuwenden. Die Ausstellung in Halle 5 mit dem Titel "Zukunft Gesundheit" bietet im Expo-Plan den einzigen direkten Hinweis auf eine solche Thematik. Mitten im Themenpark hat diese Halle eine zentrale Lage und dürfte daher viele Besucher anziehen. Doch im Vergleich zu den oft kunstvoll und fantasiereich gestalteten Ausstellungen anderer Hallen und Pavillons erscheint der Eingangsbereich dieser Halle eher wenig einfallsreich.

Auf unförmig gestalteten Gebilden erklären deutsche und englische Texte jeweils einzelne Herausforderungen des Gesundheitswesen in verschiedenen Ländern. Zum Teil bleibt es bei Problemen, mitunter wird auch auf Lösungsperspektiven hingewiesen, etwa bei der gesundheitlichen Aufklärung als Maßnahme gegen AIDS in afrikanischen Staaten. Für den gesundheitlich interessierten Fachbesucher sind dies alles Allgemeinplätze, aber keine Neuigkeiten.

Doch bildet dieser Ausstellungsteil nur den Wartebereich für die dahinter liegende Attraktion der Gesundheitsabteilung: In einer Halle sind futuristisch gestylte Liegesessel um einen See angeordnet. Bildprojektionen im Halbdunkel lassen die Grenze des Sees verschwimmen, so dass am Eingang vor dem versehentlichen Tritt ins dunkle Nass gewarnt wird. Das Zusammenspiel aus Bildern und Klang-Kollagen wird als "Wassertheater" bezeichnet. Im Liegesessel erlebt, soll es dem Ausstellungsbesucher einen Moment der Ruhe und Besinnung verschaffen - und vielleicht etwas Zeit geben, über die gesundheitlichen Probleme nachzudenken, die im Eingangsbereich thematisiert wurden.

Thema Ernährung

Konkretere Erlebnisse bietet die Abteilung "Ernährung" in der benachbarten Halle 6. Hier werden exotische Speisen angeboten und damit weitere Sinne angesprochen. Verschiedene Exponate informieren über landwirtschaftliche Produktionsmethoden unterschiedlicher Kontinente. Tiefgreifende Erkenntnisse sind kaum zu gewinnen, die Botschaft erscheint zumeist eher platt. So wird die Verschwendung von Proteinen bei der Fleischerzeugung angeprangert.

Expo als Erlebnis

Fachlich führt dies alles nicht weiter, aber die Expo soll ja eine allgemeine Perspektive für ein breites Publikum bieten und auch einfach Spaß machen. Die Expo setzt offenbar auf Unterhaltung und oft verblüffende Effekte, weniger auf tiefschürfende Erkenntnis - eher Disneyland als Deutsches Museum.

So führt der Weg weiter über die Exponale zur Expo-Plaza auf das Pavillongelände Ost. Die Exponale ist eine gewaltige Brücke, die den Messeschnellweg überspannt. Beim Aufgang zur Exponale kommt auch an einem eher trüben und regnerischen Tag eine geradezu sommerliche Stimmung auf. Jugendliche Besucher lagern auf dem gewaltigen Treppenaufgang und betrachten das Fernsehprogramm auf einer Großleinwand. Darüber schweben die Gondeln der Expo-Seilbahn. Dieser Anblick vermittelt mehr Visionen künftiger städteplanerischerer Gestaltung als die meisten Ausstellungsstücke.

Wer aus den Weiten des westlichen und mittleren Ausstellungsgeländes bis hierhin vordringt, bekommt nun erstmals das Gefühl, mit Tausenden anderer Besucher auf einem Gelände zu sein. An diesem trüben Wochentag prägen Schulklassen das Bild. So kommt Leben auf das Gelände. Von den prognostizierten Besucherscharen aus aller Welt ist allerdings wenig zu bemerken, man spricht deutsch auf der Weltausstellung.

Obwohl viele Teile der Ausstellung fast leer wirken, betragen die Wartezeiten für den "Planet of Visions" und den "Bertelsmann Planet m" stets etwa 45 Minuten. Diese beiden Attraktionen befinden sich jeweils an den beiden Enden der Exponale. Die Wartezeit ist auch auf Tafeln an den verschiedensten Orten des Geländes abzulesen.

Doch ist Zeit ein knappes Gut, erst recht auf einer Weltausstellung, die ohnehin nicht an einem Tag zu betrachten ist. So stellt sich dem Besucher die Frage, viel Zeit für ein besonders angepriesenes und vielversprechendes Ziel aufzuwenden oder lieber die Schätze im Verborgenen zu suchen. Angesichts der Vielfalt der Ausstellung spricht vieles für die letztgenannte Taktik.

NationenPavillons

Die Exponale führt auf das Ost-Gelände und damit gerade zu den besonders spektakulären LänderPavillons. Zentral gelegen sind die Pavillons von Deutschland und Frankreich. Dahinter ragt der vielgelobte niederländische Bau eindrucksvoll 40 Meter in die Höhe. Die meisten anderen europäischen Staaten schließen sich auf beiden Seiten des Europa-Boulevards an.

Das südliche Ende des Geländes war für die Vereinigten Staaten vorgesehen, doch sind diese nur durch etliche "inoffizielle" Pavillons vertreten, gekennzeichnet durch das weithin sichtbare "M", das für einen in aller Welt bekannten Fast-Food-Anbieter steht. Auch an diesem nicht gerade besucherstarken Tag sind dort meist längere Schlangen zu beobachten als vor den meisten NationenPavillons. So dürften die Vereinigten Staaten wohl als einzige Nation mit Sicherheit eine positive finanzielle Bilanz aus der Expo ziehen können.

Doch die regulären NationenPavillons unterscheiden sich in einem weiteren Punkt ganz wesentlich von den beliebten Gelegenheiten zur Kalorienzufuhr. Von eher exotischen Ausnahmen wie Nepal oder Bhutan abgesehen, funktionieren alle LänderPavillons nach dem gleichen Prinzip: Eine möglichst fantasievolle oder skurrile äußere Gestaltung zieht die Aufmerksamkeit der Besucher an, erlaubt aber keinerlei Blick ins Innere der Pavillons. Davor bilden sich mehr oder weniger lange Besucherschlangen. Doch erfährt man nicht, wofür man sich anstellt. Auf Schaufenster oder andere Einblicke ins Innenleben der Pavillons wird offenbar bewusst verzichtet. Auch der offizielle Führer zur Expo macht nur vage Andeutungen. So steckt wohl ein bewusstes Konzept dahinter.

Pavillons als Black Box

Wer an speziellen Themen interessiert ist, hat bei dem Prinzip der Black boxes kaum eine Chance, gezielt einen aussagekräftigen Pavillon aufzusuchen. So böte sich das Thema Gesundheit wohl in jedem Land an, aber wo finden sich tatsächlich Exponate dazu? Wer sich damit erst einmal abgefunden hat, geht wesentlich lockerer über das Gelände und fühlt sich als Entdecker unbekannter Länder. Der vorbereitete Museumsbesucher mit gutem Vorwissen über alle Exponate ist dagegen nicht gefragt.

Erst im Pavillon zeigt sich, ob dieses Land interessante Anregungen oder Einsichten bietet. Dort findet sich zumeist eine bunte Mischung aus Natur, Kultur und Technik. Videovorführungen präsentieren die Schönheit des Landes. An kleinen Bildschirmen können sich die Besucher manchmal interaktiv zu speziellen Themen informieren und ein entsprechendes Video abrufen. Beeindruckende Modelle zeigen touristisch bedeutsame Sehenswürdigkeiten oder historische Ansichten. Kunst- und Gebrauchsgegenstände vermitteln ein Bild von den unterschiedlichen Kulturen. Wohl in keinem Pavillon fehlt eine Gelegenheit, Produkte des Landes zu erwerben. Von einer Reise bringt man schließlich Souvenirs mit!

Die meisten Pavillons verstehen sich offenbar als Visitenkarte des Landes und wollen zu einer "richtigen" Reise einladen. Natürlich präsentieren sich die Länder deshalb positiv und vermitteln eine optimistische Zukunftsvision. Dies mag als naive Heile-Welt-Utopie kritisiert werden. Doch würde die kritisch-mahnende Grundhaltung mit dem ökologischen Zeigefinger, die sich im Themenpark immer wieder finden lässt, wohl kaum der Aufgabe der NationenPavillons gerecht. So entsteht ein interessanter Kontrast zwischen den Zukunftsvisionen des Themenparks und der Pavillons.

Seilbahn-Abenteuer

Die Pavillons kleinerer Länder lassen sich oft auch ohne Anstehen besuchen und versprechen damit interessante Einsichten ohne großen Aufwand, genau richtig für den Besucher mit geringem Zeitbudget. Besonders gute Chancen bieten hierfür anscheinend die Pavillons des westlichen Ausstellungsgeländes, die von der zentral gelegenen Expo-Plaza weit entfernt sind. Von den Pavillons Ost führt der Weg dorthin einmal quer über das ganze Expo-Gelände. Der Fußweg geht vorbei an den Ausstellungshallen im Gelände "Mitte", in denen sich kleinere Länder ohne eigenen Pavillon präsentieren. Die Alternative zu dieser strapaziösen Tour ist die Fahrt mit der Seilbahn, die einmal über das gesamte Gelände von den Vereinigten Arabischen Emiraten bis nach Venezuela führt.

In der Nähe des venezuelanischen Pavillons sind auf dem westlichen Gelände beispielsweise Mexiko und Kolumbien vertreten. Ganz in der Nähe präsentiert sich Island mit einem gewaltigen blauen Würfel, an dem von allen Seiten Wasser herabströmt. Doch an einer Seite führt der Weg hinein in eine spiralförmig gewundene Ausstellung, in deren Mitte gelegentlich ein künstlicher Geysir Wasser versprüht. Weiter nach Süden schließen sich auf diesem Gelände beispielsweise Japan, Korea, Indien und Australien an.

Beim Besuch des fünften Kontinents findet sich dann endlich - eher zufällig - ein gesundheitsbezogenes Exponat, das bionische Ohr. Dieses Implantat kann Signale auf den Hörnerv leiten und fast Ertaubte hören lassen. Auch sonst bietet der australische Pavillon eine sehenswerte Mischung aus eindrucksvoller Naturdarstellung, Technik und Aborigine-Kunst.

Er liegt unweit der Halle 13, so dass sich der Rundgang an dieser Stelle schließt. Wer einmal durch das Expo-Gelände gegangen ist, steht in dieser Halle vor der schweren Wahl: Der gestresste Besucher kann sich bei der Deutschen Bahn oder der Lufthansa informieren, wie man Hannover wieder verlässt, oder als Alternative in der Apotheke Kopfschmerztabletten und Blasenpflaster kaufen, um doch noch eine Runde über das riesige Gelände durchzuhalten. Vorbei an der Expo-Apotheke führt der Weg hinaus zum Messebahnhof und in die ganz normal-verrückte Welt von heute.

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