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Wirbel um Johanniskraut-Interaktionen: Experten fordern mehr Sachlichkeit
Wirksamkeit erwiesen
Depressive Störungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen, 90 Prozent der Patienten leiden an leichten bis mittelschweren Formen, erklärte der Münchener Psychiater Prof. Dr. Gregor Laakmann. Johanniskraut-Präparate werden seit Jahren erfolgreich zur Therapie depressiver Störungen eingesetzt, wissenschaftliche Studien dazu gibt es aber erst seit einiger Zeit. Nach einer Metaanalyse verschiedener Studien mit Johanniskraut-Extrakten, die 1996 publiziert wurde, wirken Hypericum-perforatum-Extrakte bei Patienten mit leichten bis mittelschweren Depressionen signifikant besser (Ansprechrate 55 Prozent) als Plazebo (Ansprechrate 22 Prozent). In drei frühen Vergleichsstudien zwischen Johanniskraut-Extrakt und synthetischen Antidepressiva (Amitriptylin, Imipramin, Maprotilin) konnte bereits gezeigt werden, dass Johanniskraut bei leichten bis mittelschweren Depressionen genauso gut wirkte wie die synthetischen Antidepressiva. Diese Ergebnisse wurden in weiteren Vergleichsstudien bestätigt.
Ein Mittel, das wirkt, hat auch Nebenwirkungen
Prof. Dr. Walter E. Müller, Frankfurt am Main, wunderte sich darüber, dass die Berichte über die Wechselwirkungen von Johanniskraut mit anderen Arzneimitteln so großes Erstaunen hervorgerufen haben. Dass die weitgehend nebenwirkungsfreie Anwendung pflanzlicher Präparate wie Johanniskraut in Einzelfällen Arzneimittelinteraktionen auslösen kann, mag "für den Laien kaum vorstellbar sein, für den Fachmann ist das aber eher banal". Obwohl laut Müller im Falle des Johanniskrauts "einige ernst zu nehmende Interaktionsmöglichkeiten vorliegen", warnte er davor, "diese Befunde zu überinterpretieren", denn sie müssten vor dem Hintergrund der breiten therapeutischen Erfahrung mit Johanniskraut-Präparaten gesehen werden.
Welche Interaktionen sind wichtig?
Wie Müller darlegte, sollte man dem heutigen Wissensstand zufolge Johanniskraut-Präparate nicht zusammen mit folgenden Mitteln einnehmen. Als Mechanismus der Interaktion vermutet man, dass Johanniskraut bestimmte Isoenzyme des Cytochrom-P450-Systems induziert, das für den Arzneistoffmetabolismus wesentlich ist.
- Proteaseinhibitor Indinavir. Die gleichzeitige Einnahme von Johanniskraut vermindert die Plasmakonzentration von Indinavir.
- orale Antikoagulanzien vom Cumarintyp (Warfarin, Phenprocoumon). Bei gleichzeitiger Gabe von Johanniskraut und Antigoagulans erhöht sich für die Patienten das Risiko thromboembolischer Ereignisse.
- Immunsuppressivum Ciclosporin. Die Ciclpsporin-Plasmakonzentration nimmt bei gleichzeitiger Gabe von Johanniskraut ab. Nach Organtransplantationen kann das zu Abstoßungsreaktionen führen.
- Orale Kontrazeptiva (vor allem Präparate mit niedrigem Östrogenanteil). Die gleichzeitige Einnahme von oralen Kontrazeptiva und Johanniskraut-Präparaten kann das Risiko von Zwischenblutungen leicht erhöhen.
Weitere in der Zwischenzeit bekannt gewordene Interaktionen mit anderen Medikamenten (zum Beispiel Amitriptylin, Digoxin, Theophyllin) sind laut Müller zwar wissenschaftlich interessant, für die therapeutische Praxis aber eher "nicht relevant".
Johanniskraut nach wie vor empfehlenswert
Müller sprach sich dafür aus, die bei einer Johanniskraut-Therapie möglichen Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln "ernst zu nehmen", aber nicht übertrieben und unsachlich zu reagieren. "Auch vor dem Hintergrund der heute bekannten Interaktionen des Johanniskrauts sind klinisch geprüfte Johanniskraut-Präparate nach wie vor gut verträgliche und für viele Patienten empfehlenswerte Medikamente", so Müller.
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