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Arzneimittel und Therapie
Moderne Therapie des Schlaganfalls: Differenziertes Blutdruckmanagement hat ober
Aktuelle Empfehlungen zur Akuttherapie
In der Akutphase des Schlaganfalls hängt die Funktion der Hirnzellen in erster Linie von einer ausreichenden Hirnperfusion im Kerngebiet des Infarkts und im Bereich der ischämischen Penumbra ab. In dieser Phase wird die Hirndurchblutung vorrangig vom Blutdruck gesteuert. Wünschenswert ist ein systolischer Wert > 160 mmHg. Um im Rahmen des therapeutischen Fensters den Perfusionsdruck zu erhöhen, sollten sehr niedrige arterielle Blutdruckwerte notfallmäßig mit Plasmaersatzmitteln (z.B. 6%igem HAES) oder notfalls durch Catecholamine (Dopamin oder Dobutamin) gesteigert werden. Exzessive Blutdruckwerte (systolisch > 220 mmHg) müssen dagegen vorsichtig (um 10% in 30 Minuten) auf 190 bis 200 mmHg gesenkt werden, um einen Anstieg des Perfusionsdrucks auf pathologische Werte und die Ausweitung des Hirninfarktes zu umgehen und das Risiko für Komplikationen wie intrazerebrale Blutungen, Subarachnoidblutungen oder Hirnödem zu minimieren. Blutdruckabfälle und hypotensive Werte sind dabei unbedingt zu vermeiden.
Vorzugsweise sollte für die Blutdrucksenkung ein rasch wirkendes Antihypertensivum mit guter Steuerbarkeit wie Urapidil eingesetzt werden. Nur wenn durch bildgebende Verfahren die Möglichkeit einer Hirndruckerhöhung ausgeschlossen ist, kommen bedingt einige wenige Calciumantagonisten oder exakt steuerbare gefäßerweiternde Antihypertonika als Alternative in Betracht.
Wenn im subakuten Stadium des Insults (Tag 3 bis 5) die Blut-Hirn-Schranke zerstört ist, steigt das Risiko für intrazerebrale Blutungen, und die Entwicklung eines Ödems hängt direkt von der Höhe des Blutdrucks ab. In dieser Phase muss der systolische Blutdruck auf Werte von etwa 150 bis 160 mmHg gesenkt werden.
Behandlung des Hirnödems
Die therapeutischen Möglichkeiten bei vasogenem Hirnödem sind begrenzt. Erste Maßnahme ist die Hochlagerung von Kopf und Oberkörper um 30 Grad. Für maximal zwölf Stunden kann eine kontrollierte Hyperventilation erfolgen (Ziel: arterieller Kohlendioxid-Partialdruck von 28 bis 35 mmHg).
Außerdem kann eine Therapie mit Mannit durchgeführt werden (2 bis 4x 125 mg Mannit i.v. über jeweils 20 Minuten, maximal 4 bis 6x pro Tag). Alternativ kommt nach Ausschluss eines Diabetes mellitus Glycerin per os in Betracht (50 mg in Orangensaft 3x pro Tag). Für einige wenige Patienten stellt die frühzeitige Kranioektomie eine Alternative zur medikamentösen Behandlung dar.
Nur wenige Antihypertensiva geeignet
Zu den sehr wenigen antihypertensiven Substanzen, die intrakraniell nicht vasodilatativ wirken und den Hirndruck nicht erhöhen, zählt Uradipil (Ebrantil). In der Akutphase von Hirnprozessen wie Schlaganfällen oder posttraumatischen Zuständen gilt die Substanz aufgrund ihrer guten Steuerbarkeit und der fehlenden Hirndrucksteigerung als Mittel der ersten Wahl. Reboundeffekte, wie sie unter verschiedenen anderen Antihypertensiva beobachtet werden, treten daher unter Uradipil nicht auf.
Uradipil blockiert deutlich stärker die peripheren Alpha-1- als die Alpha-2-Adrenozeptoren und nimmt keinen Einfluss auf die zentralen Alpha-2-Rezeptoren. Der Alpha-Blocker blockiert zusätzlich die zentralen Serotonin-5-HT1A-Rezeptoren. Dadurch verringert Urapidil die durch die Alpha-1-Blockade ausgelöste sympathische Aktivität. Reflextachykardien treten daher unter dem Antihypertensivum nicht auf. Ebenso kommt es aufgrund der linearen Pharmakokinetik nicht zu Dosierungsproblemen.
In einer Dosierung von 0,5 bis 1 mg/kg i.v. bewirkt Urapidil eine 20- bis 30%ige Abnahme des mittleren arteriellen Drucks während einer Neuroleptanästhesie. Dieser Effekt beruht ausschließlich auf einer Senkung des peripheren Gesamtwiderstandes. Eine Zunahme der zerebralen Durchblutung und damit des intrakraniellen Drucks ist nicht zu verzeichnen, auch nicht bei Hypertonikern mit intrakraniellen Tumoren.
Quelle: Symposium "Therapie des Schlaganfalls 2000" im Rahmen des 106. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 1. Mai 2000, veranstaltet von Byk Gulden, Konstanz.
Bei Schlaganfallpatienten spielt die Auswahl des richtigen Antihypertensivums eine ausschlaggebende Rolle, weil nur die optimale blutdruckregulierende Therapie eine Ausweitung des Hirninfarktes vermeiden kann. Zahlreiche Antihypertensiva erhöhen jedoch neben ihrer blutdrucksenkenden Wirkung gleichzeitig den intrakraniellen Druck. Insbesondere bei bereits erhöhtem intrakraniellen Druck, wie er schon in der Frühphase des Infarktes, vorrangig jedoch ab dem dritten Tag durch die Bildung vasogener Ödeme auftritt, müssen zusätzliche zerebrale Durchblutungsstörungen durch einen weiteren intrakraniellen Druckanstieg dringend vermieden werden.
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