Fortbildung

M. SteinChronische Schmerzen – Bericht von der

In Deutschland gibt es mindestens fünf Millionen Patienten mit chronischen Schmerzen, deren Lebensqualität herabgesetzt ist. 600 000 von ihnen gelten als Problempatienten, denn ihre Schmerzen haben einen eigenständigen Krankheitswert und sind besonders therapieresistent. Patienten mit chronischen Schmerzen sind häufig Stammkunden einer Apotheke. Dank den heute zur Verfügung stehenden Medikamenten könnte den meisten Schmerzpatienten geholfen werden. Die Realität sieht jedoch anders aus. Aus Unkenntnis werden vor allem stark wirkende Opioide zu wenig und zu spät eingesetzt. Die zentralen Fortbildung der LAK Rheinland-Pfalz am 6. und 7. Mai in Mainz, die Prof. Dr. Dr. Ernst Mutschler souverän leitete, setzte sich intensiv mit dem Thema "chronische Schmerzen" auseinander.

Der Schmerz ist in der Medizin ein wichtiges Kommunikationsmittel, erklärte Prof. Dr. Manfred Zimmermann, Heidelberg, denn den Patienten fällt es gewöhnlich leichter, über ihre Schmerzen zu sprechen als über Dinge, die sie belasten. Die Schmerzen lassen sich in akute und in chronische Schmerzen einteilen. Der akute Schmerz ist fast immer das Symptom einer Krankheit. Er vergeht mit der Heilung und wird in der Regel nicht als bedrohlich empfunden. Der chronische Schmerz erfasst dagegen den ganzen Menschen, macht ihn depressiv oder erfüllt ihn mit Panik. Die durch den Schmerz ausgelöste Angst oder Depression verschlimmert wiederum das Schmerzerlebnis. Dieser Prozess heißt Chronifizierung. Schmerzen neigen auch bei Behandlung zur Chronifizierung. Die Risikofaktoren dafür sind zum einen biologischer Art wie zum Beispiel die Stärke eines akuten Schmerzes. Waren die akuten Schmerzen bei einem Unfall oder einer Operation sehr stark, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich daraus schwere chronische Schmerzen entwickeln. Zum anderen gibt es zahlreiche psychosoziale Risikofaktoren für die Schmerzchronifizierung, denn die Aktivität einer Hirnregion hängt mit der Wahrnehmung von Schmerzen zusammen. Mit bildgebenden Verfahren lassen sich geringe Änderungen der regionalen Durchblutung im Gehirn messen und Zonen mit erhöhter Durchblutung sichtbar machen.

Verschiedene Schmerzarten

Es gibt drei verschiedene Schmerzarten: Nozizeptorschmerz Sensible Empfänger, die Nozizeptoren, kommen in allen Körperarealen vor, so etwa in der Haut, aber auch in den inneren Organen. Werden diese Rezeptoren erregt, empfinden wir Schmerzen. Von den Nozizeptoren werden Informationen über die Körpernerven zum Rückenmark und nach der Umschaltung an Synapsen teilweise zum Gehirn geleitet, wo es zum bewussten Schmerzerlebnis kommt. Über 99 Prozent dieser Vorgänge bleiben jedoch unbewusst. Das ZNS besitzt viele hemmende Mechanismen und Systeme. Die hemmenden Systeme, zum Beispiel körpereigene Opioide, kontrollieren unsere momentane Schmerzempfindlichkeit. Lässt ihre Wirkung nach, wie das etwa bei der Fibromyalgie der Fall ist, wird der Mensch schmerzempfindlicher und entwickelt eher chronische Schmerzen. Große Bedeutung für die Schmerzhemmung hat das PAG (periaquäduktales Grau), ein Bereich des Hirnstamms, von dem schmerzhemmende Bahnen zum Gehirn und zum Rückenmark ausgehen. Akute Nozizeptorschmerzen werden durch schädliche Reize verursacht und sind nützlich, weil sie den Menschen wie beim Hitzeschmerz oder Verletzungsschmerz warnen und ihn zu einem sinnvollen Handeln anleiten. Werden die Nozizeptoren aber zum Beispiel infolge einer chronischen Entzündung durch körpereigene Entzündungsmediatoren dauerhaft erregt, werden sie sensibilisiert und erzeugen chronische Schmerzen. Neuropathischen Schmerzen (Nervenschmerzen) Im Gegensatz zu Nozizeptorschmerzen, die auf der Erregung von Schmerzrezeptoren beruhen, entstehen neuropathische Schmerzen, wenn periphere Nerven oder Nerven im ZNS direkt geschädigt werden. Ein Beispiel dafür ist die Kompression des Nervus medianus, eines überwiegend sensiblen Nervs in der Handinnenfläche. Dauert die Kompression länger an, führt das zu funktionellen Veränderungen, welche die Nervenbahnen für mechanische Reize sensibler machen. Fehlregulationsschmerzen Darunter versteht man eine Reaktion des menschlichen Nervensystems auf einen Schmerzreiz, die den Schmerz verschlimmert. Angst und Panik auf der einen Seite, Hilflosigkeit und Depression auf der anderen Seite sind solche Reaktionen, die die Schmerzempfindlichkeit erhöhen. Das ZNS reagiert bei Schmerzen normalerweise mit einer Reaktion, die den noxischen Reiz (Schmerzreiz) abschwächt (negative Rückkoppelung; zum Beispiel Hand aus dem Feuer ziehen). Bei vielen Schmerzpatienten wird der Schmerz jedoch nicht abgeschwächt, sondern verstärkt (positive Rückkoppelung). Diese Fehlschaltung ereignet sich auf der Ebene der Psychologie und der sozialen Kommunikation. So kann die Reaktion der Umgebung eines Schmerzpatienten dessen Schmerzen verstärken. Eine Schmerzverstärkung ist auch durch neurophysiologische Mechanismen möglich. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Muskelspannung. Sie baut sich durch die Erregung von Nozizeptoren langsam auf, wird verstärkt und löst dann selbst Schmerzen aus, die sich wie bei den Nackenschmerzen mit der Zeit aufschaukeln können.

Nervensystem verändert sich

Bei der Entstehung von chronischen Schmerzen wirkt die "Plastizität" des Nervensystems mit, also seine Fähigkeit, Strukturen zu verändern oder neu zu bilden. Beispiele dafür sind die Sensibilisierung von Neuronen, Fehlfunktionen der Motorik, die Störung des vegetativen Nervensystems, die Reorganisation kortikaler Regionen nach einer Amputation sowie schmerzfördernde Kognitionen und Verhaltensreaktionen. Die Plastizität des Nervensystems zeigt sich auch dadurch, dass die Gentranskription in den Zellkernen von Nervenzellen durch Schmerzen aktiviert werden kann. Als Folge davon werden in der Nervenzelle neue Substanzen gebildet, die das funktionelle Gleichgewicht der Zelle stören.

Schmerzprävention ist wichtig

41 Prozent der Bevölkerung klagen über Rückenschmerzen. Es gibt hier einige Chronifizierungsfaktoren. So stellt die "Schonhaltung", die häufig infolge der Schmerzen eingenommen wird und bis zur Bettruhe reicht, einen Risikofaktor für chronische Schmerzen dar. Weitere Risikofaktoren sind Depressionen, Kontrollverlust oder Unzufriedenheit am Arbeitsplatz. Um der Chronifizierung von Schmerzen vorzubeugen, gibt es einige Regeln: Wichtig ist eine "vielseitige" Schmerztherapie, die sowohl die Pharmakotherapie als auch andere Behandlungsansätze wie zum Beispiel die Akupunktur oder die Physiotherapie umfasst. Der Patient muss "schmerzverstärkende Einstellungen" abbauen. Soziale Verstärker sollten erkannt und abgestellt werden. Nur eine konzertierte Schmerztherapie ist erfolgversprechend. Mit ihr werden mehr als nur die Symptome behandelt, weil eine gute Schmerztherapie an den Wurzeln des Problems, den plastischen Veränderungen des Nervensystems, ansetzt.

In Deutschland gibt es mindestens fünf Millionen Patienten mit chronischen Schmerzen, deren Lebensqualität herabgesetzt ist. 600 000 von ihnen gelten als Problempatienten, denn ihre Schmerzen haben einen eigenständigen Krankheitswert und sind besonders therapieresistent. Patienten mit chronischen Schmerzen sind häufig Stammkunden einer Apotheke. Dank den heute zur Verfügung stehenden Medikamenten könnte den meisten Schmerzpatienten geholfen werden. Die Realität sieht jedoch anders aus. Aus Unkenntnis werden vor allem stark wirkende Opioide zu wenig und zu spät eingesetzt. Die zentralen Fortbildung der LAK Rheinland-Pfalz am 6. und 7. Mai in Mainz, die Prof. Dr. Dr. Ernst Mutschler souverän leitete, setzte sich intensiv mit dem Thema "chronische Schmerzen" auseinander.

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