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Arzneimittelsicherheit bei Blutprodukten nach modernen Standards
Zur Entstehung des Paul-Ehrlich-Instituts
Das Paul-Ehrlich-Institut ist eine selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Es geht zurück auf das vor mehr als 100 Jahren in Berlin-Steglitz gegründete Institut für Serumforschung und Serumprüfung. Im Jahr 1899 wurde die in "Institut für Experimentelle Therapie" umbenannte Einrichtung dann nach Frankfurt verlegt. Ihr erster Direktor war Paul Ehrlich, der Begründer der Chemotherapie und der Immunologie, der 1908 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Im Jahr 1989 zog das Institut in einen modernen Neubau in Langen um, weil die Kapazitäten in dem Frankfurter Gebäude wegen der zunehmenden Aufgabenstellungen erschöpft waren. Der beeindruckende Komplex beherbergt heute 500 Mitarbeiter.
Zulassungsbehörde für immunbiologische Arzneimittel
Nachdem das Paul-Ehrlich-Institut ursprünglich lediglich für Sera und Impfstoffe, Testsera, Testallergene und Testantigene zuständig war, wurden seine Befugnisse im Zuge der Maßnahmen zur Erhöhung der Arzneimittelsicherheit bei Blut- und Blutprodukten im Jahr 1994 auf diese Produktgruppe ausgeweitet. Es ist damit zuständig für die Zulassung und Chargenprüfung sämtlicher immunbiologischer Human- und Tierarzneimittel. Hinzu kommt die Erfassung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen dieser Produkte sowie die Koordinierung von Maßnahmen zur Risikoabwehr. Mitarbeiter des PEI unterstützen darüber hinaus die Bundesländer bei der Überwachung und Kontrolle von Blutspendeeinrichtungen und Plasmapheresezentren. Weitere Tätigkeits- und Forschungsschwerpunkte sind die Grundlagen- und angewandte Forschung in der Bakteriologie, Virologie, Immunologie, Allergologie, die Charakterisierung neuer Krankheitserreger, insbesondere von Retroviren und die Entwicklung von Standardpräparaten und standardisierten Messverfahren.
Was wird für die Sicherheit von Blutprodukten getan?
Über die verschiedenen Maßnahmen und Instrumente zur Erhöhung der Arzneimittelsicherheit bei Blut und Blutprodukten referierte in einem Kurzvortrag der Leiter der Abteilung Hämatologie und Transfusionsmedizin Prof. Dr. Rainer Seitz. Als wichtige Voraussetzungen für die Virussicherheit dieser "empfindlichen" Präparategruppe nannte er gesunde Spender und eine sachgemäße Gewinnung und Herstellung. Infizierte Spenden könnten heute mittels hochempfindlicher Labormethoden weitgehend ausgeschlossen werden. Das Restrisiko beruhe im Wesentlichen auf dem so genannten diagnostischen Fenster, das heißt dem Zeitraum von der Infektion bis zur Bildung nachweisbarer Antikörper bzw. vom Virus gesteuerter Eiweiße. Bei HCV gehe dieses über drei Monate, ein langer Zeitraum. Durch die Einführung der Testung auf Virusgenome mit der Nukleinsäureamplifikationstechnik (NAT) (für alle aus Plasmapools hergestellten Produkte seit dem 1. Juli 1999 vorgeschrieben) habe dieser jedoch erheblich verkürzt werden können. So liege das Restrisiko, AIDS oder Hepatitis-Viren übertragen zu bekommen, nach den Ergebnissen einer großangelegten Studie heute für HIV bei > 1 : 1 Million, für Hepatitis B bei > 1 : 200 000 und für Hepatitis C bei > 1 : 100 000.
Kein Inverkehrbringen ohne staatliche Chargenprüfung
Über das arzneimittelrechtliche Zulassungsverfahren hinaus müssten Blutprodukte vor dem Inverkehrbringen einer staatlichen Chargenprüfung unterzogen werden. Diese bestehe aus der Begutachtung des Herstellungsprotokolls und der Unterlagen über die Herkunft der Ausgangsmaterialien sowie aus einer Laborprüfung, bei der der Wirkstoffgehalt nachgemessen und die sicherheitsrelevanten Tests nachgetestet würden. Rund 475 Blutprodukte, das heißt Erythrozytenkonzentrate, Thrombozytenkonzentrate, Blutplasma zur Transfusion bzw. zur Herstellung von Blutgerinnungsfaktoren, Human-Albumin, Immunglobulinen, seien im Jahr 1999 vom Paul-Ehrlich-Institut zugelassen und etwa 2200 Chargenfreigaben erteilt worden. Zusammen mit den Überwachungsmaßnahmen der Bundesländer ergäben sich damit mehrere Ebenen zur Kontrolle der Gewinnung von Blut und der Herstellung von Blutprodukten.
Virus-Tests müssen ständig weiterentwickelt werden
Die Ausführungen von Seitz wurden ergänzt von Dr. Heide Soboll aus dem Fachgebiet virale Diagnostika. Sie berichtete von den Anforderungen, die das PEI an Reagenzien zum Virusnachweis stellt. Am Beispiel des HI-Virus machte sie deutlich, warum diese einer ständigen Weiterentwicklung bedürfen. Je mehr Typen und Subtypen entdeckt würden, umso größer würden die Ansprüche an die Tests, denn sie sollten möglichst alle Subtypen und diese außerdem bereits in der Frühphase der Infektion erkennen können. Nicht auf allen Gebieten sei das PEI bereits mit den heute verfügbaren Tests zufrieden, sagte Soboll. So lägen die derzeit zugelassenen 17 HIV-Tests in ihrer Empfindlichkeit zwar sehr eng zusammen, die 20 HbsAG und die HCV-Tests streuten jedoch in diesem Punkt erheblich stärker.
Antikörper in breiter klinischer Anwendung
Die Leiterin des Fachgebietes Mono- und Polyklonale Antikörper, Dr. Gabriele Schäffner, umriss die klinische Anwendung von Sera und Immunglobulinen sowie die Methoden, die das PEI zu deren Wertbemessung einsetzt. Zu den polyklonalen Antikörpern gehörten die aus tierischem Serum hergestellten Immunsera und die Immunglobuline, die aus menschlichem Blut oder Blutplasma gewonnen werden. Immunsera würden heute seltener angewendet, seien aber in einigen lebensbedrohlichen Situationen immer noch außerordentlich wichtig, wie in der Vorbeugung und Behandlung der Diphtherie, bei Schlangen- oder Skorpionstichen, aber auch in der Immunsuppression bei Organtransplantationen. Die therapeutische Bedeutung der Immunglobuline sei demgegenüber so groß, dass sie den entscheidenden Faktor für den Plasmabedarf darstellten. Einen wesentlichen Fortschritt auf dem Gebiet der immunologischen Therapie hätten vor diesem Hintergrund die monoklonalen Antikörper gebracht, denn diese könnten im Gegensatz dazu unabhängig von natürlichen Ressourcen nach entsprechender Determinierung in Fermentern biotechnologisch in unbegrenzter Menge hergestellt werden. Je nach Antikörperspezifität böten sie darüber hinaus zahlreiche therapeutische Möglichkeiten.
Wertbestimmung bei Sera und Immunglobulinen
Als einen der Kernpunkte der Überprüfung von Immunsera und Immunglobulinen im PEI führte Schäffner die Wertbestimmung an. Jede Charge müsse einer definierten Spezifikation entsprechen, bevor sie für das Inverkehrbringen freigegeben werde. Dieser maßgebliche klinische Parameter für die Wirksamkeit werde anhand individuell ermittelter Standards bestimmt. Die von Paul Ehrlich entwickelten und früher zu diesem Zweck eingesetzten so genannten "Schutzversuche" an Tieren würden allerdings heute mehr und mehr durch moderne Methoden wie den Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA) und die Durchflusszytometrie ersetzt. Bevor eine Labor-Methode an die Stelle des vorgegebenen Tierversuchs treten könne, müsse sie jedoch erst unter Beweis stellen, dass sie vergleichbare Ergebnisse liefere. Hierin liege eine wesentliche Forschungsaufgabe des PEI, weshalb das Institut an einer Vielzahl von wissenschaftlichen Projekten auf diesem Sektor beteiligt sei.
Jedes Jahr einmal öffnet das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen seine Pforten für die Öffentlichkeit, ein guter "Brauch". In diesem Jahr hatten Interessierte am Samstag, den 17. Juni 2000, die Gelegenheit sich vor Ort über die Verarbeitung und Testung von Blut und Blutprodukten zu informieren. Ein kleiner Laborrundgang führte zu sechs Stationen mit verschiedenen Themen. Vorträge gaben einen Einblick in die Aufgaben des PEI, angefangen von den Zeiten Paul Ehrlichs, des berühmten ersten Direktors, bis hin zu dem heutigen breitgefächerten Leistungsspektrum der Behörde.
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