- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 27/2000
- Klinische Pharmazie: Mit ...
DAZ aktuell
Klinische Pharmazie: Mit den Ärzten kooperieren
"Überzeugen durch Wissen" schlug Möllmann als Weg für eine langsame Annäherung zwischen Apothekern und Ärzten vor. Er selbst hat Medizin und Pharmazie studiert und leitet die Notfallaufnahme der Medizinischen Universitätsklinik "Bergmannsheil" in Bochum. Apotheker sollten ihre Scheu vor Ärzten ablegen: "Ärzte verstehen nicht so viel von Arzneimitteln", fasste Möllmann die untergeordnete Rolle der Pharmakologie im Medizinstudium zusammen. Eine Fülle von Aufgaben in klinischer (also patientenorientierter) Pharmazie wartet auf die Apotheker in Krankenhaus und Offizin. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen.
Arzneimittelnebenwirkungen
Vor einigen Jahren kamen gehäuft Patienten mit Zungenschwellung und Luftnot in die Notfallaufnahme. Sie wurden mit Verdacht auf eine Anaphylaxie erfolgreich intravenös mit einem Glucocorticoid behandelt. Später stellte sich heraus, dass all diese Patienten einen ACE-Hemmer eingenommen hatten. ACE-Hemmer können als seltene Nebenwirkung ein angioneurotisches Ödem, meist im Gesichts-, Zungen- oder Rachenbereich, hervorrufen. Apotheker sollten Patienten, die einen ACE-Hemmer bekommen, ruhig einmal fragen, ob sie an Lidschwellungen, Schluckbeschwerden oder Heiserkeit leiden. Wenn ja, empfiehlt sich ein Arztbesuch (oder eine Mitteilung des Apothekers an den Arzt), damit ein lebensbedrohliches Angioödem gar nicht erst auftritt.
Erklärungsbedürftige Arzneiformen
Patienten, die erstmals ein Dosieraerosol oder einen Pulverinhalator verordnet bekommen, sind sehr dankbar, wenn ihnen der Apotheker die Handhabung demonstriert. Zu diesem Zweck sollte der Apotheker Vorführgeräte vorrätig haben.
Unterschiedliche Pharmakokinetik
In Zukunft dürfte es besonders wichtig werden, zwischen Arzneimitteln derselben Gruppe differenzieren zu können. Durch genaue Kenntnisse der einzelnen Arzneimittel kann der Apotheker den Patienten helfen und das Budget entlasten. In Deutschland sind zur Zeit vier inhalative Glucocorticoide zur Asthmabehandlung zugelassen: Flunisolid, Budesonid, Beclometasondipropionat (ein Prodrug; der Wirkstoff ist Beclometasonmonopropionat) und Fluticason. Diese Substanzen weisen große pharmakokinetische Unterschiede auf, was ihre Wirksamkeit und die Gefahr systemischer Nebenwirkungen entscheidend beeinflusst. Flunisolid und Budesonid werden sehr schnell - zu 90 bis 95% innerhalb einer Stunde - aus der Lunge in den Kreislauf resorbiert. Dagegen verweilt Fluticason über neun Stunden in der Lunge, dem Ort des Krankheitsgeschehens. Ein weiterer Vorteil des Fluticasons ist die fast nicht mehr vorhandene Resorption der verschluckten Substanz. Erfahrungsgemäß werden nämlich beim Inhalieren etwa 70 bis 80% der Dosis verschluckt und gelangen in den Magen-Darm-Trakt. Während Budesonid zu 11% und Flunisolid zu 20% im Magen-Darm-Trakt resorbiert wird, sind es bei Fluticason weniger als 1%. Dass auch Beclometasondipropionat hohe systemische Wirkungen hat, beweist folgende Untersuchung: Kinder mit einem allergischen Ekzem, das topisch nicht behandelbar war, zeigten nach Inhalation des Glucocorticoids eine deutliche Hautbesserung.
Galenische Kenntnisse für die Praxis
Wie wichtig galenische Kenntnisse für die Praxis sind, zeigte Möllmann am Beispiel der innerlichen Budesonid-Behandlung bei der entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn. Der Wirkstoff soll sich am Ort des pathologischen Geschehens auflösen, so dass nur ein Teil abflutet und die Nebenwirkungsrate gering ist. Zugelassen sind Budenofalk 3 mg Kapseln und Enterocort Kapseln. Die Hartgelatinekapseln enthalten Pellets, die sich je nach Ummantelung bei unterschiedlichen pH-Werten auflösen: Enterocort bei pH 5,25, also bereits im Duodenum, Budenofalk erst bei pH 6,4, das heißt zielgerichtet an der Ileozäkalklappe. Eine noch bessere Wirkstoff-Deposition erreicht der Patient, wenn er die Budenofalk 3 mg Kapsel mit dem Frühstück einnimmt.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.