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Meinung: Wenn die Ausbildung zum Freischwimmer wird

Bezeichnet man die Ausbildung als einen Zustand des Schwimmens, so kann dem Schwimmer auf seinem Weg in die Zukunft allerlei begegnen: wilde Strudel, gefährliche Fische, kalte oder warme Strömungen. Mancher mag auch nur den Stöpsel der eigenen Badewanne finden und sich dann überlegen, ob er daran ziehen soll. Doch Scherz beiseite: Nach der Verabschiedung der neuen Approbationsordnung stellt sich die Frage, welche Aussichten die Pharmaziestudenten von heute haben. Jan Robert Möbius, Präsident des Bundesverbandes der Pharmaziestudenten in Deutschland (BPhD), schildert seine Sicht der Dinge.

Hinwendung zur Medizin

Viel tut sich in diesen Tagen auf dem Gebiet der Ausbildung zum Apotheker. Es wurde auch Zeit, dass die pharmazeutische Ausbildung den veränderten Anforderungen an unseren Berufstand angepasst wird. Die Änderung der Approbationsordnung enthält einige nennenswerte Neuerungen; hierbei fällt vor allem das neue und fünfte Prüfungsfach "Klinische Pharmazie" ins Auge. Auch wenn den meisten noch nicht wirklich klar ist, was man sich darunter vorstellen soll, so ist doch ein Aspekt sehr positiv zu bemerken: Die Gewichtung der Fächer wird von der Chemie zu Gunsten der medizinisch orientierten Fächer (wie z. B. Pharmakologie) verschoben. Dieser Schritt war überfällig, wenn die Apothekerinnen und Apotheker die Zusammenarbeit mit den Ärzten optimieren wollen. Das zeigen auch viele Veranstaltungen, wie beispielsweise das ABDA-Symposium zum Thema "Pharmazeutische Betreuung". "Pharmazeutische Betreuung"? "Klinische Pharmazie"? Zwei Begriffe, die häufig zusammengewürfelt werden und deren Definition bis heute Schwierigkeiten aufwirft. Hieran zeigt sich, wie ungewiss sich die Umsetzung dieses Fachs in der Praxis gestaltet. Zu diesem Zweck wurde auch eine Kommission gegründet, die sich mit diesem Thema beschäftigt. Knackpunkt hierbei ist wiederum, dass sich die Umsetzung weitestgehend kostenneutral gestalten sollte. Das führte zu Vorbehalten, die unter anderem zur Folge hatten, dass die Entscheidung im Bundesrat vom 9. Juni auf den 14. Juli vertagt worden war.

Wahlmöglichkeiten

Ebenso positiv ist auch die Einführung von Wahlpflichtfächern und einer Experimentierklausel z. B. zur alternativen Gestaltung des ersten Staatsexamen, das derzeit noch nach dem Multiple-Choice-Verfahren durchgeführt wird. Es bleibt zu hoffen, dass diese Chance nicht ungenutzt bleibt.

Kommunikation als akademische Disziplin

In Anbetracht dessen, dass fast 80 Prozent der Studierenden später in der öffentlichen Apotheke arbeiten werden, stimmt allerdings bedenklich, dass Themen wie "Kommunikation" und "Betriebwirtschaftslehre" weiterhin erst im dritten Ausbildungsabschnitt (Praktisches Jahr) gelehrt werden sollen. Dabei hat zuletzt der Kommunikations-Kongress in Hamburg den Stellenwert dieser "Disziplin" verdeutlicht. Möchte ein Student dennoch Kenntnisse auf diesem Gebiet erwerben, so trifft er dankenswerterweise auf Firmen wie Ratiopharm, Gehe, Phoenix, Sanacorp, Noweda und wie sie alle heißen, die diese Lücke durch Seminarreihen ausfüllen; verständlicherweise nicht ganz uneigennützig.

Wann kommt die Harmonisierung?

Während auf fast allen Ebenen das europäische Bewusstsein gefördert wird, scheinen die Bemühungen, das Pharmaziestudium auf europäischer Ebene anzugleichen, leider auf der Strecke geblieben zu sein (die Einführung des european credit-point-system ist zwar über die Experimentierklausel theoretisch möglich, aber in der Realität fraglich). Während die Berufsabschlüsse in den meisten europäischen Staaten weitestgehend gegenseitig anerkannt werden, sind die Unterschiede in der Ausbildung doch noch zu groß, als dass man sie mühelos angleichen könnte [1]. Vielleicht ist das auch nicht unbedingt erwünscht. Vergleicht man die Apothekerausbildung in Deutschland mit der in anderen europäischen Staaten, so zeigt sich, dass die deutschen Studenten von einer umfangreicheren praktischen Ausbildung profitieren. Daran ändert auch die Kürzung der Praktikumsstunden zu Gunsten der theoretischen Ausbildung in Seminaren nichts. Ferner ist positiv anzumerken, dass die Anzahl an Studierenden pro Semester im Vergleich zu anderen Studiengängen überschaubar bleibt.

Perspektiven für die praktische Ausbildung

Und was ist mit dem Praktischen Jahr? Vorletzte Woche verkündete der Bundesverband der Angestellten in Apotheken (BVA), dass der bei den letzten Tarifverhandlungen vereinbarten Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit endlich auch ab 1. Oktober 2000 - mit über einem Jahr Verspätung - eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 1,3 Prozent folgt. Diese Tatsache soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Praktikanten, die 1020 DM in den ersten sechs Monaten und 1428 DM brutto in den darauf folgenden sechs Monaten erhalten, netto weniger bekommen als den derzeitig gültigen BAföG-Höchstsatz. Die Vergünstigungen, die sie als Studenten genießen konnten, fallen ebenso weg. Die schlechte Bezahlung wird dadurch begründet, dass der ausbildende Apotheker durch den Praktikanten zusätzlich belastet wird. Bleibt zu hoffen, dass die Ausbildung in den Apotheken wirklich so umfangreich ist, wie sie für einen gut ausgebildeten Berufsnachwuchs notwendig ist. Die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg bietet "Tutorenkurse für Pharmaziepraktikanten und Wiedereinsteiger" an. Ist die Ausbildung in einigen Fällen dann doch nicht ausreichend? Wenn ja, warum? Nichtsdestotrotz sind die Rückmeldungen hierzu recht positiv. Zu bemängeln bleibt jedoch unter Berücksichtigung des Praktikantengehaltes der sehr hohe Preis von 900 DM für zehn Kurse. Interessant erscheint hierbei auch die von der Fachschaft Bonn organisierte Seminarreihe "Fit für die Apotheke", die noch während der universitären Ausbildung läuft. Ferner wird sich zeigen, wie sich das Pilotprojekt "Care" entwickelt, das von Marburger Studenten in Kooperation mit der LAK Hessen und der Förderinitiative Pharmazeutische Betreuung e.V. ins Leben gerufen wurde.

Pharmazie als Hochschulfach

Aussagen des Wissenschaftsrates lassen einen hellhörig werden [2]: Um eine gute Ausbildung in Zukunft gewährleisten zu können, müssten viele Studiengänge an die finanziell günstigeren Fachhochschulen verlagert werden. So unter anderem auch die Pharmazie. Diese Diskussion ist nicht neu und wird seit Jahren geführt. Selbst wenn einiges dafür spricht, so halte ich diese Entwicklung für sehr bedenklich. Es ist zu befürchten, dass der Apotheker weiter vom Arzneimittelfachmann zum Verkäufer degradiert würde. Dieser Entwicklung ist entgegen zu wirken. Ein anderes Thema, das immer wieder auftaucht, ist die mögliche Schließung von einzelnen pharmazeutischen Instituten. Eines der häufig vorgebrachten Argumente ist, dass die Pharmazie anderen Fächern keine Lehrveranstaltungen biete, sondern lediglich von den anderen profitiere. Es böte sich also an, ein so kleines Fach, das sehr viel Geld verschlingt, zu schließen. Vergessen wird hierbei, dass wir an eine straffe Ausbildungsordnung (AAppO) gebunden sind, die sogar Gesetz ist. Dieser Entwicklung kann man nur mit einem Kopfschütteln begegnen; überall klagt man über Fachkräftemangel, die Bundesregierung hat hierfür eigens die Green-Card eingeführt, und Professor Ammon in Tübingen fordert sogar mehr Studienplätze für Pharmaziestudenten [3]. Blättert man die Stellenanzeigen der Fachzeitschriften durch, wird dieser Tatbestand bestätigt. Erfreulicher Nebeneffekt: keine nennenswerte Arbeitslosigkeit. Aber droht der Pharmazie nicht ebenso ein Mangel an Fachkräften wie der IT-Branche? Warum hört niemand auf die warnenden Stimmen? Erst am 14. Juli unterstrich Bundespräsident Rau erneut die Forderung seines Vorgängers im Amt, Roman Herzog, der Bildungspolitik "höchste Priorität" einzuräumen.

Gesunkenes Ansehen in der Öffentlichkeit

Doch nicht nur die Entwicklungen auf dem Bildungssektor stimmen den Berufsnachwuchs nachdenklich. Die Stellung des Apothekers in der Öffentlichkeit hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Wird der Apotheker als Arzneimittelfachmann ernst genommen? Urteilen Sie selbst: - Der Sachverständigenkommission der Bundesregierung zur so genannten "Positivliste" gehört kein einziger Apotheker an [4]. - In Talkshows wie der von Sabine Christiansen zum Thema Arzneimittel waren alle möglichen Personen, sogar eine Schauspielerin, die in einer Fernsehserie eine Krankenschwester spielt, und Nina Hagen, die auf alternative Heilmethoden schwört, vertreten. Apotheker? Fehlanzeige. Haben wir keine angesehenen Persönlichkeiten, deren Meinungen in der Öffentlichkeit Gewicht hätten? Wird dieser Status vielleicht niemandem gegönnt? - Der Fall Stange, inklusive den Aktionen des Herrn Dr. jur. Pieck, sowie das Debakel der Pressekonferenz auf dem Wirtschafts-Kongress in Berlin lassen das Bild des Apothekers in keinem guten Licht erscheinen. - Nicht zu vergessen das "Handbuch Medikamente". Was treibt Kollegen dazu, an einem solchen Werk mit zu arbeiten? Aufklärung schön und gut. Doch wenn schon, dann ordentlich. Richtig, das würde zu einem dermaßen großen "Wälzer" führen, dass Otto-Normal-Patient damit nicht umgehen könnte. Doch für irgend etwas werden wir ja fünf Jahre lang ausgebildet. Wer darf die bei den Patienten entstandene Unsicherheit wieder in mühsamen Gesprächen beseitigen? - Ach ja, da waren ja noch die Fälle "Kwai" und Vertrieb einiger Arzneimittel über einige Tankstellen, nachdem die Mitarbeiter bei der IHK einen Wochenendkurs besucht hatten. Glücklicherweise haben sich diese Probleme von selbst erledigt.

Kollegialität unter Heilberuflern

Auch unter Kollegen im Gesundheitssektor ist die Stellung des Apothekers ausbaufähig. Das Verhältnis Arzt - Apotheker, das Professor Nagel, Direktor der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg, unlängst als "faulen Apfel" bezeichnet hat, muss verbessert werden. Ein Blick nach England und den Niederlanden lässt einen neidisch werden. Während hierzulande Krankenhausapotheken mehr und mehr dezimiert werden, wird dort deren Anzahl sogar erhöht. Es hat sich gezeigt, dass sich hierdurch erhebliche Kosten sparen lassen. An dieser Stelle seien die Bemühungen von ABDA-Präsident Friese herausgestellt, der sich auf dem Gebiet der Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker deutlich engagiert. Auch der Baden-Württembergische Apothekertag in Freiburg hat dies erneut unterstrichen. Die Ansätze für eine bessere Kommunikation müssen jedoch im Studium gelegt werden, damit frühzeitig Vorurteile und Missverständnisse aus der Welt geräumt werden. Ich erlebe es Tag für Tag, dass das Konkurrenzverhalten zwischen den beiden Berufsgruppen förmlich "angezüchtet" wird. Warum nur? Wie ein Befreiungsschlag wirkt da der Artikel von Dr. Michael Fritz im Rheinischen Ärzteblatt [5]. Erstaunlich, dass der Apotheker bei den Umfragen Jahr für Jahr auf dem obersten Platz der Ansehensskala steht. Dem stehen Kommentare gegenüber wie "Ach, Sie verdienen sich doch eine goldene Nase mit Ihrem Schubladenziehen", "Sie können sich doch nicht beklagen!" oder "Was? Apotheker, das muss man studieren?". Es gilt, den Mehrwert des Apothekers stärker in den Vordergrund zu stellen. Hier sind alle gefordert; nicht nur Apotheker, die um jeden Kunden kämpfen müssen, sondern auch diejenigen, deren Apotheke "wie geschmiert" läuft.

Was bringt das Internet?

Viele Probleme stellen sich für die Zukunft. Zwar wird der Gesundheitsmarkt als Wachstumsmarkt bezeichnet, und auch der Stellenwert der Gesundheit steht bei den meisten Bundesbürgern in punkto Grundbedürfnisse an erster Stelle, doch sollen die Entwicklungen auf dem Medizinsektor nicht mehr kosten. Neuerdings sorgt das Internet andauernd für Schlagzeilen. Seitdem "0800DocMorris" seinen Internet-Arzneimittelversand aus den Niederlanden gegründet hat, ist der Gesundheitssektor in Deutschland in heller Aufruhr. Die einen verteufeln diese Entwicklung, die anderen - so zum Beispiel die Krankenkassen und neuerdings wohl auch Bundesgesundheitsministerin Fischer [6] - wittern enormes Einsparungspotenzial. Noch sind wir in Deutschland verhältnismäßig sicher. Doch auch Dr. Brauer vom Deutschen Apotheker Verlag hat festgestellt: "Gesetze kann man ändern"; wenn nicht durch Bundestag und Bundesrat, dann vielleicht längerfristig von Seiten der EU. Verspätet, aber nicht zu spät hat sich der Verein "Apotheker im Internet e.V." gegründet. Erfreulich ist auch, dass die LAK Baden-Württemberg, die Verbraucherzentrale und der Verband der Angestellten-Krankenkassen eine gemeinsame Online-Aktion über Arzneimittel aus dem Internet gestartet haben.

Nachdenken und mitgestalten!

Welche Rolle spielen die Studenten in diesem Trauerspiel? Erschreckend ist, mit welcher Lethargie und Gleichgültigkeit manch einer sein Studium "abreißt". Viele wiegen sich noch in dem Glauben, ihre Einkünfte seien sicher. Andere stecken den Kopf in den Sand in der Hoffnung, alles würde so schnell wie möglich vorbeigehen. Böse Zungen sprechen gar davon, uns würde die Kreativität und die eigene Meinung "aberzogen". Fakt ist: Auch wenn die Zahl an Interessenten für das Studienfach Pharmazie weiterhin groß ist, so hat die Attraktivität des Berufes in letzter Zeit dennoch abgenommen. Mangelt es an Vorbildern? Ich könnte meine Reflexionen durchaus mit den Worten beenden: "Es läuft zwar einiges nicht ganz optimal, aber es gibt gute Ansätze, sodass wir mit etwas Mühe die Zukunft positiv gestalten können". Nein, ich möchte Ihnen und vor allem meinen Kommilitonen raten, sich einige Minuten damit zu beschäftigen, womit sie womöglich morgen konfrontiert werden; und damit meine ich nicht die Klausur in zwei Wochen. Frei nach dem Motto: "Wer nicht schwimmt, geht unter." Und das ist allemal schlimmer, als in die falsche Richtung zu schwimmen.

Quellen [1]Vgl. DAZ Nr. 21 S. 2442 f. [2]Frankfurter Rundschau Nr. 156. [3]DAZ Nr. 25 S. 2895 f. und AZ Nr. 27 S. 1. [4]DAZ Nr. 22 S. 2537 f. [5]RÄBl 4/2000, vgl. DAZ Nr.28 S. 3245. [6]AZ Nr. 29 S. 1 und DAZ Nr. 29 S. 3342.

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