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- DAZ 31/2000
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Die Seite 3
Da blickt er nun ernst von vielen teuer bezahlten Plakatwänden auf Deutschlands Bevölkerung herab und bedankt sich für eine Unterstützung, die er von den meisten nie bekommen hat, und von der wohl der Großteil der Menschen überhaupt nicht weiß, worum es da eigentlich geht. Dr. med. Matthias Rath, seines Zeichens Arzt aus Deutschland, jetzt im niederländischen Almelo lebend, will der Nation weismachen, dass es eine böse Pharmaindustrie, einen bösen Professor Großklaus von der Codex Alimentarius Kommission und böse Medien gibt, die Lügen über Vitamine verbreiten und der Bevölkerung nicht die ihr zustehende "Vitaminfreiheit" gewähren (wir berichteten bereits über diesen selbsternannten Wissenschaftler und seine Aktivitäten).
Nachdem er nun angebliche Codex-Pläne des "Pharma-Kartells", mit denen bestimmte Vitamindosierungen nicht erlaubt sein sollten, habe stoppen können, feiert er sich und lässt sich von einer kleine Schar von Anhängern feiern mit oben genannter Plakataktion, mit einem Videofilm und Infomaterial, was sogar den Apotheken ohne Aufforderung zugesandt wurde. Der Vitamindoktor lässt sich sogar in seinen eigenen Infoblättern als derjenige würdigen, der "die Menschheit vom Würgegriff des Pharma-Kartells befreit haben wird", wie es "in Geschichtsbüchern zu lesen sein wird".
Mein Kommentar dazu: eine einzige absurde und widerliche Marketingkampagne, um eigene, nicht zugelassene Vitaminprodukte von den Niederlanden aus vertreiben zu können. Denn eigentlich müssten Rath's Vitaminprodukte, wie bereits das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz feststellte, aufgrund ihrer sehr hohen Dosierungen (sollten sie in Deutschland rechtmäßig vertrieben werden können) eine Zulassung als Arzneimittel haben - was sie eben nicht haben. Und nur vor diesem Hintergrund ist Rath's Feldzug für "Vitaminfreiheit" zu verstehen. Denn um eine Zulassung scheint er sich nicht zu bemühen.
Ich halte Rath für einen mehr oder weniger kleveren Geschäftemacher, der unter Umgehung des Arzneimittelgesetzes hochdosierte Vitaminprodukte ("Es ist noch kein Mensch an Überdosierung von Vitaminen gestorben") für teures Geld von Holland aus per Versand in den Markt bringt. Mit einem eigenen haarsträubenden Theoriegebäude (Rath's Zellular Medizin) versucht er dem kleinen Mann auf der Straße Wissenschaftlichkeit vorzuspielen, außerdem durch "klinische Beweise" mit unhaltbaren Pilotstudien, an denen z. B. acht oder zehn Patienten teil genommen haben.
Wollte man Rath ernst nehmen, dann stellt sich sofort die ihn entlarvende Frage, warum er nicht den legalen Weg der Zulassung wählt, um seine Zellular-Medizin-Vitamine in den Verkehr zu bringen. Wenn sie ach so gut nützen, dann dürfte das doch nicht so schwer sein. Geld für echte Studien scheint ja vorhanden zu sein, wenn man sich die Plakataktionen und den Werbeversand von Infomaterial einschließlich Video- und Audiokassetten vergegenwärtigt.
Hinzu kommt eine weitere Facette des undurchsichtigen Vitamindoktors: Rath veröffentlichte z. B. im Mai eine ganzseitige Anzeige in der New York Times, in der er Präsident Clinton auffordert, die Organisatoren von Auschwitz nicht zu begnadigen, und auf ein Zwangslabor-Lager von Bayer, BASF und Hoechst in Auschwitz hinweist. Da drängt sich die Vermutung auf, dass noch andere Beweggründe hinter den Aktionen von Rath stecken. Sind womöglich auch ominöse Geldgeber im Hintergrund, die ihn stützen? Wir werden uns weiter umhören.
Unser Titelthema: Ernst zu nehmende Fortschritte in der Arzneitherapie zeichnen sich ab bei Bemühungen, "essbare" Impfstoffe herzustellen, nämlich Pflanzen, die gentechnisch so verändert werden, dass sie Impfstoffe produzieren. Gegenüber herkömmlichen Methoden der Schutzimpfung könnte dies große Vorteile bringen, vor allem hinsichtlich Applikation und einer Durchimpfung der Bevölkerung, z. B. auch in ärmeren Ländern. Unser Titelthema erklärt, wie weit man auf diesem Gebiet schon fortgeschritten ist, wie man zu solchen Impfstoffen kommt und dass die "Impfbanane" nicht allzu fern ist. Dann müsste allerdings auch die Apothekenbetriebsordnung geändert und der Obststand in unseren Apotheken zugelassen werden. Peter Ditzel
Nichts als Unrat(h)
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