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Feuilleton
Landschaft des Jahres: Der Böhmerwald – das grüne Dach Mitteleuropas
Der Böhmerwald ist mit 500 km Länge das größte zusammenhängende Waldgebirge in Mitteleuropa. Es gliedert sich in den Hinteren Wald in Böhmen (Sumava) sowie in den Vorderen Wald, der als Bayerischer Wald bezeichnet wird. Der Oberpfälzer Wald bildet den nördlichsten Teil des Böhmerwaldes - er ist durch eine Senke von ihm abgetrennt. Im Südosten setzt er sich im Mühl- und Waldviertel in Österreich fort. Höchster Punkt ist der Große Arber (1457 m) in Deutschland. Regen und Moldau sind die größten Flüsse, die im Böhmerwald entspringen.
Segensreicher Eiserner Vorhang
Die brutale politische Spaltung nach dem Zweiten Weltkrieg brachte wenigstens eine positive Wirkung. Der Böhmerwald blieb von Autobahnen und Schnellstraßen verschont. Über weite Strecken hat sich eine urwüchsige Landschaft aus Urwäldern, Heidewiesen, Flüssen und Mooren erhalten. Das ist die wertvolle Basis des Tourismus. Seitdem die Grenzen wieder offen sind, wurden viele Wander-, Radwege, Skiloipen und Reitwege geschaffen, die Orte untereinander oder mit den Höhen des Böhmerwaldes verbinden. Auf beiden Seiten der Grenzen existieren weitestgehend funktionsfähige Räume mit einer guten Mischung von Landwirtschaft, Gewerbe, Industrie und Tourismus. Zahlreiche innovative Projekte in der Region weisen in die Zukunft einer nachhaltigen Entwicklung, die auf einen ausgewogenen Umgang mit der Natur setzt.
Holz schafft Arbeitsplätze
Wald und Holz bestimmen das Leben der Region. Ohne Holz hätte es kein Glas gegeben. Als Brennstoff diente es zum Schmelzen des zermahlenen Quarzes. Es lieferte auch die Pottasche als Zutat für die Glasschmelze. Böhmisches Kristallglas wurde weltberühmt. Im 18. Jahrhundert hatte es dem venezianischen Glas den Rang abgelaufen. Als sich der stetig wachsende Hunger der Metropole Wien nach Holz als Energieträger mit Eselskarren nicht mehr stillen ließ, baute der Krumauer Forstingenieur Josef Rosenauer ab 1798 den Schwarzenbergischen Schwemmkanal. Das technische Meisterwerk überwindet die Wasserscheide zwischen Nordsee und Schwarzem Meer und machte so das Triften des Holzes aus dem Quellgebiet der Moldau in die Große Mühl und damit in die Donau möglich. In der hundertjährigen Betriebszeit wurden 14 Millionen Festmeter Holz durch den Kanal geschwemmt. Noch nach dem ersten Weltkrieg rettete das Kanalholz die Wiener vor dem Erfrieren. Der Schwemmkanal ist 44 km lang und einen Meter breit. Er quert mit einem Tunnel sogar einen 400 Meter breiten Bergrücken. 1200 Arbeiter waren für seinen Betrieb erforderlich. Heute kann man wieder an dem restaurierten Kanal entlangwandern.
Bilderbuchlandschaft
Mit der Ausbreitung des Christentums um die Jahrtausendwende wuchsen die Kulturräume immer mehr zusammen. Wichtige Handelswege nutzten die sanften Übergänge des Böhmerwalds zwischen Eger im Nordwesten und Freistadt im Südosten für den Transport von Salz, Gold und wertvollen Gütern. Schon im 16. Jahrhundert zählte man an den "Goldenen Steigen" zwischen Vilshofen und Bergreichenstein sowie Passau und Winterberg und Prachatitz unvorstellbare 1200 Saumtiere pro Woche. Entlang dieser Verkehrswege entwickelten sich wunderschöne Städte, wie Passau, Budweis oder Freistadt. An den Wald schloss sich eine Bilderbuchlandschaft an, ein buntes Mosaik von Dörfern, Feldern und kleinen Wäldchen, mit Bächen, Flüssen und Teichen, alles über eine sanfte Hügellandschaft gebreitet. Ein Wunder also, dass diese Landschaft erst so spät zur Landschaft des Jahres wurde.
Krumau, die Schöne
Heinrich I. hatte vor 1000 Jahren wegen der angriffslustigen Ungarn die Burgen "erfunden". Davon gibt es heute noch viele. Unter ihrem Schutz waren Klöster und Stifte die treibenden Kräfte der Erschließung des Böhmerwaldes. Viele Städte konnten ihre schönen Zentren erhalten, wie etwa Freistadt (A), die Goldbergwerks-Stadt Bergreichenstein (CZ), Prachatitz (CZ) oder Passau (D). Die schönste ist jedoch Krumau (CZ). Sie wurde von der UNESCO als bedeutendstes europäisches Baudenkmal nach Venedig eingestuft. Krumau verdankt seine Gründung dem Adelsgeschlecht der Rosenberger, die dort neben der Stadt eine riesige Schlossanlage bauen ließen. Schönheit und Bekanntheit haben aber auch ihre Schattenseiten. Die Kleinstadt wird täglich von Besuchern überschwemmt und ist für die Einheimischen zur teuersten Stadt Südböhmens geworden.
Von Zaupelschafen...
Grobe und filzige Mischwolle aus dem groben Kurzhaar, dem Lang- oder Grannenhaar und den sehr feinen Wollfasern liefert das Waldschaf. Die zu den Zaupelschafen zählende sehr alte Rasse ist heute nahezu ausgestorben. In einer länderübergreifenden Rettungsaktion wurden die letzten lebenden Tiere eingesammelt und ein umfangreiches Zuchtprogramm gestartet. Im Dreiländereck wird das wetterharte, fruchtbare Waldschaf wiedererstehen. Es soll durch intensive Beweidung den Böhmischen Enzian (Gentianella bohemica) vor dem Aussterben bewahren helfen. Außer saftigem Fleisch liefert das Waldschaf auch den Rohstoff für den "Mühlviertler Tweed". In dieser feuchten Region ist das ein idealer Stoff für Blazer und Kostüme.
...und Perlmuscheln
Die sehr anspruchsvolle Flussperlmuschel (Margaritana margaritifera L.) steht auf der Roten Liste der gefährdeten Arten ganz oben. In einem mit Weiden und Erlen besäumten Bach des Böhmerwaldes und auch in Bayern wird versucht, sie wieder einzubürgern. Ins Wasser ragende Baumwurzeln sind gute Unterstände für Bachforellen. Die Muschel infiziert dort mit ihren Glochidien (Larven) die Kiemen der Fische, wo sie sich zu winzigen Muscheln entwickeln. Wenn sie von ihrem Wirt abfallen, wachsen sie im fließenden Wasser weiter. Unterstützt werden die Perlmuscheln von der Waldameise Formica lugubris, die ihre Hügel bevorzugt an kleine Bäche baut. Ihre ins Wasser gelangenden Stoffwechselprodukte bilden für die Jungmuscheln eine wichtige Nahrungsergänzung.
Der große Rühmer
"In meiner Kindheit traten mir schon öfter Spuren eines Geschlechtes entgegen, das im mittäglichen Böhmen gehaust hat, und in der Erinnerung und in den Erzählungen des Volkes fortlebte." So beginnt Stifter den "Witiko", den Roman über seine Heimat Böhmen. Kaum ein Ort, den er nicht beschrieben hat. Adalbert Stifter wurde am 23. Oktober 1805 in Oberplan als Sohn eines Leinewebers geboren. Er studierte bis 1830 in Wien zunächst Jura, dann Naturwissenschaften und Geschichte, machte aber keinen Abschluss und verdingte sich als Privatlehrer in Wiener Adelshäusern. 1848 zog er nach Linz, wo er auch starb. In seinen letzten Jahren war er schwerkrank und litt unter Depressionen. Ob er Selbstmord beging, ist nicht sicher nachzuweisen. Er starb am 28. Januar 1868. Stifter gilt als der größte österreichische Erzähler. Geprägt vom klassischen Humanitäts- und Bildungsideal, trat er für den übernationalen Staatsgedanken ein.
Eine Landschaft, die wieder verbindet
Die keltischen Bojer drängten um 350 v. Chr. nach Böhmen, nachdem sie von den Römern aus Norditalien vertrieben worden waren. Durch den Druck der römischen Legionen kamen auch die Markomannen unter ihrem Führer Marbod kurz nach der Zeitenwende in die Region. Nach den Bojern gaben sie ihr den Namen Boiohaemum. Die Stürme der Völkerwanderung brachten Westgoten und Vandalen ins Land. Die Hunnen kamen auf ihren Raubzügen vorbei, und die Langobarden drängten auf dem Weg nach Süden durch Böhmen. Ende des 6. Jahrhunderts gesellten sich die Slawen dazu. Aus Regensburg kamen schließlich Missionare. Damit wuchs Böhmen in das römisch-deutsche Kaiserreich hinein. Seit dem Ende der Regentschaft von König Karl IV. von Böhmen (1378) war das Land bis ins 20. Jahrhundert etwa zur Hälfte deutsch- und tschechischsprachig. Doch das geistige Auseinanderdriften von Tschechen und Deutschen setzte bereits vor Jahrhunderten ein. Ausgehend von den Pariser Vorortverträgen 1919 mit all ihren Folgen, über die Besetzung und Malträtierung der Tschechen ab 1939, machte die Vertreibung von mehr als 3 Millionen Menschen dem Böhmerwald in seiner gewachsenen Form ein jähes Ende. Das Bemühen, über die wunderschöne Naturlandschaft wieder eine gemeinsame kulturelle Basis zu finden, ist deshalb sehr zu begrüßen. Die Naturfreunde International wählen grenzüberschreitende Gebiete, die eine exemplarische ökologische Bedeutung haben und darüber hinaus in besonderer Weise schutzwürdig, belastet oder gefährdet sind. Sie wollen den Böhmerwald zu einer ökologischen Musterregion ausbauen helfen. Damit sind sie allerdings nicht die ersten. Bereits 1911 gab es die Forderung nach der Schaffung großer Naturschutzparke im Bayerischen Wald. 1938 beschloss die Reichsstelle für Naturschutz die Errichtung eines länderübergreifenden Nationalparks Böhmerwald. Der Plan wurde wegen des Krieges zurückgestellt. 1969 beschloss der bayerische Landtag die Errichtung des Nationalparks Bayerischer Wald. 1991 schließlich gründete die Tschechische Republik den Nationalpark Böhmerwald.
Kastentext: Bier natürlich
Bier ist - neben den unvermeidlichen Knödeln - ein Markenzeichen Böhmens. Das böhmische Bier war aber früher so schlecht gewesen, dass ein bayerischer Braumeister geholt werden musste, um nach dem Rechten zu schauen. Er erfand in Pilsen die heute weltberühmte Art, Bier zu brauen.
Kastentext: Adressen
Naturfreunde International, Diefenbachgasse 36, A-1150 Wien Tel.: ++43 (0) 1-892 38 77, Fax: ++43 (0) 1-812 97 89 E-Mail: nfi@nfi.at Naturfreunde Bayern, Postfach 810407, 90249 Nürnberg Tel.: 0911-237050, Fax: 0911-2370510 E-Mail: naturfreunde.bayern@t-online.de
Kastentext: Internet
http://www.boehmerwald.net/ Allgemeine Informationen http://www.nfi.at Naturfreunde International http://www.dbb-ev.de/ Deutscher Böhmerwaldbund e.V. http://members.aon.at/ waldschaf/start.htm Gen-Erhaltungsprogramm des Böhmerwaldschafs http://www.mauth.de/ waldgesc.htm Wandervorschläge
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