- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 36/2000
- Alosetron für Frauen mit...
Arzneimittel und Therapie
Alosetron für Frauen mit Reizdarmsyndrom (Interview)
?
Es gibt ein Reizdarmsyndrom mit Diarrhö und eines mit Obstipation als Leitsymptom. Welchen Anteil haben die beiden Formen am Krankheitsgeschehen?
Dr. Reblin:
Die Einteilung in Diarrhö und Obstipation ist ganz neu. In der Literatur gibt es bislang nur Daten für die drei Typen nach der früheren Einteilung: die Diarrhö-prädominanten, die alternierenden und obstipierten Patienten. Man kann grob sagen, dass etwa ein Drittel der Patienten Diarrhö-prädominant, ein Drittel alternierend und ein Drittel obstipiert sind. Das bedeutet, dass von Diarrhö und Obstipation jeweils etwa die Hälfte der Patienten betroffen ist.
?
Für welche Patienten eignet sich Alosetron?
Dr. Reblin:
Wir haben bisher, entsprechend den Phase III-Studien, die Zulassung für Frauen beantragt. Derzeit haben wir keine Daten für Männer, die eine signifikante Wirkung unterstreichen. Es ist denkbar, dass in der Zukunft auch eine Zulassung für Männer beantragt wird.
?
Die wichtigsten Nebenwirkungen von Alosetron sind die Verstopfungen, die auch schwerwiegend sein können. Wie häufig tritt diese Nebenwirkung auf und gibt es Patienten, die besonders davon betroffen sind?
Dr. Reblin:
Die Studiendaten sagen, dass in den Verumgruppen unter zweimal täglich 1 mg Alosetron 26% der Patienten im Vergleich zu 5% bei den Kontrollpersonen unter Plazebo obstipiert sind. Nach Subgruppenanalysen sind die Patienten mit Alternieren von Diarrhö und Obstipation häufiger obstipiert als Patienten mit einem Diarrhö-prädominanten Reizdarmsyndrom.
?
Was ist zu tun, wenn eine Obstipation auftritt?
Dr. Reblin:
In den USA ist Alosetron seit Februar 2000 zur Behandlung des Diarrhö-prädominanten Reizdarmsyndroms bei Frauen zugelassen. Dort hat Prof. M. Camilleri, einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der funktionellen Darmerkrankungen, folgende Empfehlung ausgesprochen: Zur Behandlung der Obstipation sollte unter laufender Medikation die Flüssigkeitszufuhr erhöht werden, ggf. können Laxanzien eingesetzt werden. Hat dies keinen Erfolg, soll die Dosis auf die Hälfte reduziert werden. Hat auch dies keinen Erfolg, soll die Medikation für vier Tage pausieren. Kommt der Stuhlgang dann wieder, kann die Medikation fortgeführt werden. Haben die Patienten weiter eine Obstipation, sollte man das Medikament absetzen.
?
Alosetron ist seit Februar in den USA zur Behandlung des Reizdarmsyndroms zugelassen. Welche Erfahrungen gibt es damit bis heute?
Dr. Reblin:
Insgesamt sind bis jetzt weit über 200000 Patienten in den USA behandelt worden, und die Erfahrungen sind in der überwiegenden Anzahl der Patienten positiv. Es gibt natürlich immer wieder Patienten, die obstipiert sind, dann nur eher kürzere Zeit. Es gibt nur wenige Patienten, die deswegen das Medikament absetzen müssen.
?
Das Reizdarmsyndrom ist eine chronische Erkrankung. Über welchen Zeitraum kann Alosetron angewendet werden?
Dr. Reblin:
Inwieweit eine Dauertherapie möglich ist, wissen wir noch nicht. In den Studien wurde zunächst drei Monate lang mit Alosetron behandelt. Es gibt eine Reihe von Patienten, die anschließend keine Beschwerden mehr haben. Bei einer erneuten Exazerbation sollten diese Patienten wieder Alosetron erhalten. Zurzeit werden Langzeitstudien über zwölf Monate durchgeführt. Hier haben sich auch über zwölf Monate im Vergleich zu den kürzer laufenden Studien keine relevanten Veränderungen ergeben. Es ist davon auszugehen, dass Alosetron auch über diesen langen Zeitraum wirksam ist. Es gibt bisher keine Anhaltspunkte, dass sich bei einer längeren Therapie die Sicherheitsaspekte ändern oder ein Wirkungsverlust eintritt.
?
Sie postulieren eine signifikante Linderung der abdominellen Schmerzen bei 36% der Anwender. Die FDA hingegen behauptet, dass nur bei 20% überhaupt eine Wirkung zu sehen ist.
Dr. Reblin:
Wenn man die Studie, die im Lancet publiziert wurde, betrachtet, und dort die Anzahl bzw. den Anteil der Patienten nimmt, die als "Monthly Responder" gewertet wurden, und zwar über die gesamten drei Monate, dann waren in der Gesamtpopulation der Patienten unter Alosetron 41% "Monthly Responder" und 29% in der Plazebogruppe. Wenn man diese Patienten jetzt nach Diarrhö-prädominant und alternierend subgruppiert, dann liegt für die Diarrhö-prädominanten Patienten, für die das Medikament in den USA zugelassen ist, die "Monthly-Responder"-Rate unter Alosetron bei 46%, während die der Plazebopatienten bei 28% liegt.
?
Die FDA sagt, für eine nicht lebensbedrohliche Erkrankung seien die Risiken des neuen Arzneimittels zu hoch. 21 Fälle von ischämischer Colitis sind bis jetzt aufgetreten.
Dr. Reblin:
Es ist richtig, dass es sich bei einem Reizdarmsyndrom um keine Erkrankung handelt, die die Lebenserwartung einschränkt. In unseren Studien, in denen insgesamt über 7000 Patienten eingeschlossen wurden, gab es acht Fälle von ischämischer Colitis, das entspricht etwa einer Inzidenz von 1:750. Uns liegen keine Daten zur Inzidenz der ischämischen Colitis in Normalpopulationen und in Reizdarmpatienten-Populationen vor. Wir werden dazu Studien durchführen. Die ischämische Colitis wird durch eine Minderdurchblutung gewisser Darmabschnitte hervorgerufen. Wir haben deshalb Untersuchungen durchführt, inwieweit Alosetron die Durchblutung in mesenterialen Gefäßen beeinflusst. Dabei wurden im Tiermodell keine Veränderungen gefunden. Derzeit wird eine klinische Studie durchgeführt, inwieweit es durch Alosetron zu Veränderungen der abdominellen Durchblutung kommt, verglichen mit entsprechenden Normalpersonen bzw. Plazebogabe.
?
Wann wird Alosetron bei uns auf den Markt kommen?
Dr. Reblin:
Das zentrale Zulassungsverfahren in Europa läuft. Wir gehen davon aus, dass Alosetron in der ersten Jahreshälfte 2001 in Europa zugelassen sein wird.
!
Herr Dr. Reblin, vielen Dank für dieses Gespräch!
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.