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- DAZ 37/2000
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Die Seite 3
Acht Jahre intensivste universitäre Ausbildung mit Pharmakologie, bald auch mit klinischer Pharmazie und Krankheitslehre, ein einjähriges Praktikum in der Apotheke, Fortbildungskongresse, Fachzeitungen – man sollte meinen, der Apotheker ist top ausgebildet. Fast schon ein geflügeltes Wort: Er ist der Fachmann für Arzneimittel und beherrscht das Metier wie kein anderer. Das meinen wir nicht nur, davon sind wir auch überzeugt und wir bekommen es sogar auch von außerhalb, z. B. von der Politik und den Bürgern bestätigt.
Nur: wir dürfen unser Wissen kaum anwenden. Der schleswig-holsteinische Kammerpräsident Wehle brachte es in seinen Grußworten zum Fortbildungskongress der Bundesapothekerkammer in Westerland auf den Punkt: die Diskrepanz zwischen dem wissenschaftlichen Anspruch und der Brutalität des Alltags passt nicht mehr zusammen. Unter der Brutalität des Alltags verstand er dabei das gesetzliche Verbot, für ein verordnetes Generikum kein adäquates gleichwertiges Präparat auswählen zu dürfen (Ausnahme Nachtdienst und wenn der Arzt es ausdrücklich freigegeben hat).
Der Apotheker ist gehalten, genau das verordnete Generikum abzugeben, es gegebenenfalls zu bestellen, falls es nicht vorhanden ist, und den Patienten noch einmal in die Apotheke zur Abholung zu bitten. Man kann diesen Missstand in unserem Gesundheitswesen nicht oft genug anprangern. Die Apotheker fordern dies seit Jahren, aber die Möglichkeit generell aut idem abgeben zu dürfen, konnte bisher nicht durchgesetzt werden. Jedem von uns vollkommen unverständlich.
Wenn man Einblick in eine Arztpraxis hat, weiß man, wie die Verordnung eines Generikums in aller Regel zustande kommt und warum gerade Generikum x und nicht Generikum y verordnet wird: Das liegt an der Bearbeitung des Arztes durch die Firma und an Werbegeschenken, das liegt an der Arzthelferin und deren Bearbeitung und das liegt am Preis. Das liegt in der Regel allerdings nicht am Vergleich überzeugender Qualitätsdaten, welches Generikum das qualitativ bessere ist bei gleich niedrigem Preis.
Eine nicht mehr zumutbare Gängelung für den Apotheker, eine Schikane für den Patienten. Und hinter vorgehaltener Hand geben heute schon viele Apothekerinnen und Apotheker, auch Funktionäre bereits zu, dass sie um eine (illegale) Substitution nicht mehr herum kommen. Ein Warenlager, das einigermaßen Lieferfähigkeit im Generikabereich zulässt, ist heute nicht mehr möglich.
Vielleicht ist die Aut-idem-Substitution unterm HV-Tisch auch der Grund, warum relativ wenig Energie entwickelt wird, um diesen Zustand zu legalisieren. Mit Sicherheit wird auch auf dem diesjährigen Apothekertag – wie auf zig Apothekertagen vorher – der Beschluss gefasst, den Gesetzgeber zu bitten, die Aut-idem-Substitution zuzulassen. Aber das reicht nicht mehr. Warum soll nicht am Tag möglich sein, was in der Nacht erlaubt ist? Rechnergestützte Systeme helfen dem Apotheker, Vergleiche von Generika transparent zu machen und ein passendes Generikum auszusuchen, wenn der Arzt Dosis und Wirkstoff aufschreibt. Durch Speichern der Daten in der Apotheke ist es auch möglich, dass ein Patient bei seiner nächsten Verordnung das Generikum erhält, das er bereits bei Einlösen des letzten Rezeptes erhalten hat.
Bei rationaler Überlegung ist eine Substitution von Generika durch den Apotheker heute überfällig. Verhindert wird sie derzeit von Ärzten (warum eigentlich?) und von den Pharmaverbänden, die darin Nachteile für einige ihrer Mitglieder sehen. Doch auch daran sollte diese Forderung nicht scheitern. Die Erlaubnis für aut idem wäre für die Apotheke ein kleiner Meilenstein in Richtung Kompetenz, aber auch für Lagerhaltung, und für den Patienten ein Gewinn an Service. Wir sollten am Apothekertag dieses Thema massiv angehen und mit guten Argumenten an die Politik herantreten.
Aut idem, keine Frage, ein Muss für die Deutsche Apotheke.
Peter Ditzel
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