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Prognose zu Arzneiausgaben: drei Prozent Anstieg
"Budgets müssen sein"
Die Betriebskrankenkassen, bei den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) federführend für den Arzneimittelbereich, halten Budgets für unverzichtbar. Ohne gesetzliche Begrenzung drohten medizinisch nicht notwendige Mehrausgaben in Milliardenhöhe, meinen sie. Nach den vorläufigen Rechnungsergebnissen des ersten Halbjahres werde der gesamte Verordnungsmarkt in der GKV im Gesamtjahr voraussichtlich 40,7 Milliarden Mark betragen und somit um 1,2 Prozent verglichen mit 1999 zunehmen.
Die Steigerung setze auf einem hohen Ausgabensockel aus dem ersten Halbjahr 1999 auf. Der ist allerdings zum Teil mit den im vergangenen Jahr von der Politik abgesenkten Zuzahlungen der Patienten auf acht, neun und zehn Mark sowie die niedrigeren Härtefallgrenzen erklärbar.
Sinkende Zuzahlungen
Von den 40,7 Milliarden entfielen 30,4 Milliarden Mark auf die Ausgaben in den alten und sieben Milliarden Mark in den neuen Bundesländern. Die Patienten trügen 3,3 Milliarden Mark durch Zuzahlungen. Da im vergangenen Jahr die Selbstbehalte der Kranken vier Milliarden Mark ausmachten, wäre dies ein Rückgang um 700 Millionen Mark, zugleich eine Summe, die den Kassen fehlt.
Kleiner Preisanstieg
Bei den Preisen konstatieren die BKK einen konstanten Aufwärtstrend mit plus 0,8 Prozent wie im Vorjahr. Dabei hätten die Anhebungen im festbetragsfreien Markt (plus zwei Prozent) die geringen Preissenkungen im Festbetragsmarkt(minus 0,3 Prozent) inzwischen überkompensiert. Für das gesamte Jahr 2000 erwarten die Kassen zudem einen Rückgang bei den Verordnungen von fünf Prozent.
Wie in den vergangenen Jahren rechnen sie mit einer Zunahme der Strukturkomponente (Zunahme zumeist innovativer, teurer Präparate). Diesen Effekt schätzen sie für 2000 auf sieben Prozent.
Die Budgetlage
Nach Information der Betriebskrankenkassen stehen die Erhebungen der Arznei- und Heilmittel-Budgets für 1999 kurz vor dem Abschluss. Die regionalen Ausgabentöpfe seien im vergangenen Jahr voraussichtlich um rund 1,1 Milliarden Mark überschritten worden. Mindestens acht der 23 Kassenärztlichen Vereinigungen hätten ihr Ausgabenlimit nicht eingehalten.
Da die Ärzte nur für fünf Prozent der Budgetsumme haften müssten, ergebe sich eine Haftungssumme von geschätzt 750 Millionen Mark, die die Mediziner bis Ende 2001 ausgleichen könnten. Dürften Überschreitungen in einer KV mit Unterschreitungen in anderen Bezirken ausgeglichen werden, betrüge die Budgetüberschreitung nur 560 Millionen Mark. Ein solcher Ausgleich ist aber nach dem Gesetz nicht erlaubt.
Unterschiede in Regionen
Die BKK heben die großen regionalen Unterschiede bei den Arzneimittelausgaben zwischen den KVen hervor, ohne allerdings mögliche Besonderheiten (wie beispielsweise Schwerpunktpraxen) zu nennen. Sie meinen, mit Hilfe von Orientierungsgrößen für Arzneimittel (Benchmark-Verfahren) die Schwankungsbreite verringern zu können.
Der BKK-Bundesverband arbeite derzeit an einem Konzept, das über reine Kostenvergleiche hinausgehe und etwa Alter und Geschlecht der Versicherten und die Zahl der Patienten in verschiedenen ärztlichen Fachgruppen berücksichtige.
Nur "Quasi-Plazebos"?
Die BKK verweisen auf die unterschiedlich hohen Anteile von so genannten umstrittenen Arzneimitteln in den KVen hin. So gebe es in den Bezirken, in denen wie beispielsweise Westfalen-Lippe eine traditionelle Hausarztmedizin praktiziert werde, einen überdurchschnittlichen Anteil dieser Präparate.
Die Vermutung der Kassen: Möglicherweise seien dort die Behandlungsfallzahlen hoch und die Beratungszeiten kurz, so dass Arztkontakte womöglich häufig mit "umstrittenen" Arzneimitteln als "Quasi-Plazebos" beendet würden. Im Gegensatz dazu rangierten KVen mit eher wissenschaftlich geprägter Facharztmedizin wie Südwürttemberg am Ende der Skala.
Hieb gegen Ost-Ärzte
Die BKK teilen an anderer Stelle noch gegen die Ärzte in den neuen Bundesländern aus. Bei den teuren Innovationen ohne therapeutischen Fortschritt (Einteilung nach den Pharmakologen Fricke und Klaus) zeige sich ein deutliches West-Ost-Gefälle. Den Ärzten in den neuen Bundesländern sei der "Umstieg von einer Mangelverwaltung mit rund 2000 Präparaten auf eine Überflussbewirtschaftung mit rund 50 000 Arzneimitteln wohl noch nicht gelungen", heißt es wörtlich im neuesten Positionspapier der BKK. Und weiter: "Bei besonders teuren Analogpräparaten erliegen sie offenbar einem überaus professionell agierenden Außendienst der Pharmaindustrie."
Auch bei den Kosten im Festbetragsmarkt sehen sie ein solches Gefälle, sie konstatieren ein fehlendes Kostenbewusstsein bei den verschreibenden Ärzten. Beide Faktoren trügen dazu bei, dass im Osten die Gesamtkosten pro Versicherten in der Arzneitherapie um zehn Prozent über dem West-Niveau lägen.
Neben dem ihrer Ansicht nach zu schnellen Griff zum Rezeptblock (jährlich rund 800 Millionen Verordnungen) sehen die BKK noch ein Einsparpotenzial vor allem bei Generika in Milliardenhöhe. Auch die Apotheken könnten die Ausgaben der Kassen durch verstärkte Abgabe von Importen senken, "wenn sie ihrem gesetzlichen Auftrag folgten", so der deutliche Seitenhieb in Richtung Apothekerschaft.
Die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen werden sich nach Schätzung des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen im gesamten Jahr 2000 um 3,3 Prozent erhöhen. Im ersten Halbjahr sei ein Anstieg von 2,9 Prozent zu verzeichnen, teilte Wolfgang Schmeinck vom BKK-Bundesverband am 18. September in Berlin mit.
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