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Verbraucherverbände: Internet-Einkauf mit Fallstricken
Unklar sind derzeit die Rechte beispielsweise von Deutschen, die per Internet bei einem französischen Anbieter einkaufen, da nicht sicher ist, ob das deutsche oder das französische Recht gilt und welches Gericht zuständig ist. Die deutsche Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) will über ihren europäischen Verband Druck zu diesem Thema machen, kündigte die Geschäftsführerin der AgV Anne-Lore Köhne am 14. September vor Journalisten in Bonn an. Stelle das EU-Parlament die Klagemöglichkeit der Bürger in ihrem Heimatland nicht sicher, werden die Verbraucherorganisationen die Konsumenten warnen, via Internet im Ausland einzukaufen, sagte Köhne. In Streitfällen hätten die Bürger ansonsten kaum Chancen, ihre Rechte durchzusetzen.
Brüchiges System
Die Verfolgung von Internetdelikten ist lückenhaft. Das stellte auf der Veranstaltung Professor Norbert Reich fest. Der Wissenschaftler der Universität Bremen hat im Auftrag der AgV ein Rechtsgutachten zur Problematik "Verbraucher und Recht im elektronischen Geschäftsverkehr" erstellt. Darin kommt der Jurist gemeinsam mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Annette Nordhausen zu dem Schluss, dass offene Regelungsflanken bestehen. Die EU-Kommission habe zur Frage des Gerichtsorts bereits eine vernünftige Regelung vorgeschlagen, so Reich. Demnach sollen Verbraucher, die über eine Website Bestellungen tätigten, bei Konflikten mit dem Anbieter vor den Gerichten ihres Landes klagen und nur dort verklagt werden können. Eine solche Regel sei nachdrücklich zu begrüßen, vertrat Reich, der deutsches und europäisches Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen lehrt. Nach Information der AgV will der Rechtsausschuss des EU-Parlaments diesen Vorschlag aber zum Nachteil der Konsumenten verwässern. Er wolle es den Anbietern erlauben, den Verbrauchern das Klagerecht vor ihrem Heimatgericht zu entziehen, sofern der Anbieter gleichzeitig ein außergerichtliches Streitschlichtungssystem anbiete. Wegen europaweit fehlender fairer außergerichtlicher Schlichtungsmechanismen befürchten die Verbraucherverbände Nachteile für die Bürger.
Als weiteres wesentliches Defizit der bisherigen Rechtslage heben Reich und Nordhausen in ihrer Studie hervor, dass Anbieter in Einzelfällen Verbrauchern den Schutz entziehen können, der den Bürgern aufgrund der EU-Gesetzgebung eigentlich zustehe. Demnach darf ein in der EU tätiger Online-Anbieter beispielsweise im Kleingedruckten bestimmen, dass nicht das Recht eines EU-Staates Anwendung finden soll, sondern das einer der Kanalinseln oder das von Monaco, die nicht zur EU gehören.
Die EU müsse sicherstellen, dass ihre eigenen Regeln zum Verbraucherschutz auch bei grenzüberschreitenden Einkäufen gelten, so die Forderung der Rechtsexperten. Zur Zeit seien diese Nischen ("off-shore-Nischen") ein Ärgernis, sagte Reich.
Wie Arzneiversand ahnden?
Unklar sei derzeit, wie zum Beispiel illegaler Handel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln via Internet geahndet werden könne, meinte der Jurist. Zwar sollten die Verbraucherverbände klagen können. Es sei jedoch unklar, wie das konkret funktionieren solle. Nach Worten des AgV-Rechtsexperten Dr. Tobias Brönneke geschehen faktisch Missbräuche, wobei Brönneke auf den illegalen Versand von Medikamenten aus den Niederlanden nach Deutschland hinwies (die DAZ berichtete). Die klassischen Kontrollmethoden versagten, meinte er, nötig seien neue Vollzugsmechanismen in Europa.
Das Gutachten "Verbraucher und Recht im elektronischen Geschäftsverkehr (eG)" von Norbert Reich/Annette Nordhausen erscheint in der Schriftenreihe des Instituts für Europäisches Wirtschafts- und Verbraucherrecht im Nomos-Verlag, Baden-Baden. 201 S., broschiert, 69 DM. ISBN 3-7890-6937-X Zu beziehen ist es über die Buchhandlung des Deutschen Apotheker Verlags, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart
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