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Die Seite 3
Nein, James wird beim Apothekertag bestimmt nicht über das Bärenfell stolpern. Aber irgendwie scheint doch schon festzustehen: The same procedure as every year! Wirklich?
Eine kluge (?) Regie möchte, dass alles glatt läuft, die Anträge zügig "abgearbeitet" werden. Und notfalls wird sich schon jemand finden, der "Schluss der Debatte" beantragt oder - nicht minder beliebt - den "Antrag auf Verweisung an einen Ausschuss" stellen wird. Business as usual.
Große Apothekertage laufen nicht so ab. Da werden die Drehbücher beiseite gelegt. Leipzig vor vier Jahren - das war ein solcher Apothekertag. Nach langer, ernster Diskussion auf hohem Niveau rückte eine Mehrheit ab von einem altbewährten, lange auch wirklich sinnvollen Paradigma: dem Paradigma, dass im Prinzip alle öffentlichen Apotheken gleich sein sollten; gleichermaßen fähig, alle pharmazeutischen Leistungen nicht nur anzubieten, sondern auch zu erbringen. Das Ziel, auch ambulante Patienten optimal mit Zytostatika versorgen zu können, hatte den Paradigmenwechsel notwendig gemacht. An diesem Beispiel war deutlich geworden, dass es weder sinnvoll noch möglich ist, wenn sich jede Apotheke auf diesem Feld engagieren müsste.
Stehen vergleichbare Weichenstellungen an? Darauf deutet einiges. Wie stellen sich die Apotheker zu Versandhandel und Internet, kann man Ja zum Internet sagen und Nein zu Versand von Arzneimitteln? Welche Position beziehen wir zu den Konzepten der integrierten Versorgung? Was sagen wir zu den Vorstellungen der Bundesregierung, die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu "überwinden"? Sind die Positionen zu einer Neuregelung der Versorgung von Alten- bzw. Pflegeheimen hinreichend durchdiskutiert? Sollten wir uns angesichts der steigenden Generikafülle und den sich daraus ergebenden artifiziellen Versorgungslücken für eine Erweiterung des Substitutionsrechtes einsetzen (nicht jedes Generikum kann zu jeder Zeit in allen Stärken und Darreichungsformen von allen Firmen vorrätig sein!)? Oder sind die Nachteile doch größer als die Vorteile?
Nicht immer muss es bei diesen Fragen um einen Kurswechsel gehen. Manchmal könnte das Ergebnis auch sein, der Politik und der Bevölkerung nachdrücklich zu signalisieren: wir werden unseren bisherigen Kurs - vielleicht modifiziert - entschlossen weiter verfolgen, weil wir gute Argumente dafür haben und weil wir die große Mehrzahl unserer Patienten und Kunden auf unsere Seite bringen werden - bei mehr als drei Millionen Kundenkontakten pro Tag mit guten Argumenten eine durchaus lösbare Aufgabe. Wir müssen nicht jeder Politmode hinterher hecheln. Die Devise "wer sich nicht bewegt, wird bewegt" stilisiert Bewegung zum Zweck, bei dem es auf den Inhalt nicht ankommt. Historisch spricht einiges für die Gegenthese, "wer sich zu viel bewegt, wird als erster weg gefegt".
Mehr Mut, sich einzumischen - das würde ich mir von unserer Berufsvertretung und auch vom Apothekertag wünschen. Die selbst auferlegte Selbstbeschränkung auf Themen, die uns im Gesundheitswesen unmittelbar betreffen, schwächt uns - weil unsere mächtigsten Partner im Gesundheitswesen (z. B. die Krankenkassen) da ohne jede Skrupel sind.
Auch der Politik sollten wir freundlich und deutlich die Meinung sagen. Alles andere wird als Zustimmung missdeutet. Dass und wie die ABDA der Gesundheitsministerin Gesprächsbereitschaft über Internet und e-commerce signalisiert hat, wurde von ihr süffisant gleich als erfreuliche Bewegung auf der Apothekerseite dargestellt - so vor wenigen Tagen auf der Jahrestagung des Bundesfachverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) in Berlin. Andrea Fischer kommt zum Apothekertag. Da lässt sich einiges zurecht rücken - z. B. auch ihre Bemerkung beim BAH, ebenfalls im Zusammenhang mit dem Internet-Versandhandel gefallen, man könne doch "nicht dabei stehen bleiben, den Verbraucher vor sich selbst zu schützen. Vielleicht will er sich ja gar nicht schützen lassen". So etwas aus dem Mund einer Gesundheitsministerin? Ist sie demnächst, weil man ja beim Versand aus dem Ausland ohnehin keine Kontrollmöglichkeit habe (wieso eigentlich?), für die Aufhebung der Rezeptpflicht und die Freigabe der Betäubungsmittel auch im Inland?
Es könnte spannend werden in Köln.
Klaus Brauer
Mehr Mut
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