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Arzneimittel und Therapie
Koronare Herkrankheit: Erhöhte Homocystein-Werte als Risikofaktor
Die Aminosäure Homocystein entsteht als kurzzeitiges Zwischenprodukt aus der Aminosäure Methionin, einem Methylgruppendonator. Homocystein wird normalerweise schnell mit Hilfe der Vitamine B6 und B12 sowie Folsäure in Methionin zurück verwandelt oder mit Hilfe von Vitamin B6 zu Cystathion weiter verstoffwechselt.
Die Homocystein-Konzentration im Plasma ist von zwei Faktoren abhängig: Zum einen spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle, zum anderen kann ein Mangel an Vitamin B6, B12 und Folsäure die Konzentration reduzieren.
Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die Homocystein-Konzentration im Plasma ein unabhängiger Risikofaktor für vaskuläre Erkrankungen ist. Einer Studie zufolge hatten 40% der Patienten mit vaskulären Erkrankungen, einschließlich der koronaren Herzerkrankungen, erhöhte Homocystein-Werte.
Eine Analyse von 17 Studien mit 5230 Teilnehmern zeigte, dass eine Steigerung der Homocystein-Konzentration um 1 mmol/l mit einem um 10% höheren Risiko für die koronare Herzerkrankung assoziiert ist. Die meisten Studien wurden allerdings in Nordamerika und Europa durchgeführt.
Zwei Fallkontrollstudien mit Europäern und Indern
In zwei parallelen Fallkontrollstudien wurden 551 männliche Patienten mit koronarer Herzkrankheit (294 Europäer und 257 Inder) und 1025 gesunde männliche Kontrollpersonen (507 Europäer und 518 Inder) untersucht. Gemessen wurde sowohl der Nüchternwert von Homocystein im Plasma als auch die Homocystein-Konzentration nach Verabreichung einer definierten Menge Methionin sowie die Konzentrationen von Vitamin B12 und Folsäure.
Erhöhte Homocystein-Werte bei den Patienten
Die Studienergebnisse zeigten, dass der Homocystein-Nüchternwert bei den Patienten um 8% höher war als bei den gesunden Kontrollpersonen. Dies galt für beide ethnische Gruppen. Die Wahrscheinlichkeit einer koronaren Herzerkrankung bei einer Zunahme des Homocystein-Nüchternwertes um 5 mmol/l liegt bei den Europäern bei 1,3 und bei den Indern bei 1,2. In beiden ethnischen Gruppen zeigte sich, dass der Zusammenhang zwischen dem Homocystein-Nüchternwert und koronaren Herzerkrankungen unabhängig von weiteren konventionellen Risikofaktoren war.
Die Homocystein-Konzentrationen nach einer Verabreichung von Methionin waren bei den Patienten und den gesunden Probanden vergleichbar. Bei den indischen Kontrollprobanden lag der Homocystein-Nüchternwert um 6% höher als bei den europäischen Kontrollpersonen.
Nach diesen Ergebnissen könnten die höheren Homocystein-Konzentrationen dazu beitragen, dass bei den Indern doppelt so viele Menschen durch die koronare Herzkrankheit sterben als bei den Europäern. Die unterschiedlichen Homocystein-Konzentrationen zwischen den zwei ethnischen Gruppen lassen sich durch die geringeren Vitamin B12- und Folsäure-Plasmakonzentrationen der Inder erklären.
Möglicherweise wäre eine zusätzliche Versorgung der Inder mit Vitaminpräparaten eine einfache, effektive und billige Maßnahme, um ihr Risiko für die koronare Herzerkrankung zu reduzieren.
Zweifel an der ursächlichen Rolle von Homocystein
Kritiker dieser Studie bezweifeln allerdings, dass die erhöhten Homocystein-Werte wirklich ursächlich für das erhöhte Risiko von vaskulären Erkrankungen verantwortlich sind, da in einigen großen prospektiven Kohortenstudien kein Zusammenhang zwischen hohen Homocystein-Konzentrationen und einem erhöhten Herzinfarktrisiko festgestellt werden konnte. Auch ein verbreiteter Enzymdefekt, der dazu führt, dass die Homocystein-Konzentration im Plasma um bis zu 50% steigt, zeigte keinen Zusammenhang zu vaskulären Erkrankungen. Unklar bleibt auch der Grund für die erhöhten Homocystein-Werte der Inder.
Der Mangel an den Vitaminen B6, B12 und der Folsäure kann nicht der einzige Grund oder die Hauptursache für den Zusammenhang zwischen erhöhten Homocystein-Konzentrationen und koronaren Herzkrankheiten sein. Homocystein wird vorwiegend durch die Aktivität der Niere aus dem Plasma entfernt. Eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion, die unter Asiaten weit verbreitet ist, wäre möglicherweise auch eine Erklärung für die hohen Homocystein-Konzentrationen.
Literatur: Chambers, J. C., et al.: Plasma homocysteine concentrations and risk of coronary heart disease in UK Indian Asian and European men. Lancet 355, 523-527 (2000). Martyn, C. N.: Serum homocystein and risk of coronary heart disease in UK Indian Asians. Lancet 355, 512-513 (2000).
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