Praxis

T. Müller-BohnQualitätsmanagement - Praktische Hil

Die jüngst veröffentlichten Leitlinien der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung bieten viele Anregungen für die Gestaltung von QMS-Prozessen in Apotheken. Wie diese Leitlinien den Weg zum apothekenindividuellen Handbuch erleichtern, haben wir in zwei Beiträgen in der DAZ 32 und 35 dargestellt [7, 8]. Als Fortsetzung sollen nun die zuletzt veröffentlichten Leitlinien näher betrachtet werden.

In DAZ 35 wurden die Leitlinien im Zusammenhang mit der Beratung im Detail vorgestellt [8]. Dabei ging es um die Beratung im Rahmen der Selbstmedikation und die Beratung bei der Belieferung ärztlicher Verordnungen. Weitere Leitlinien beschäftigen sich mit der Belieferung ärztlicher Verordnungen im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung, die naturgemäß über die Erfüllung der derzeitigen gesetzlichen Pflichten hinausgeht.

Leitlinien für die Pharmazeutische Betreuung

Ebenso wie für die Beratung nach Pflichtenlage [1, 2] existieren auch für die Pharmazeutische Betreuung zwei getrennte Leitlinien für die Erst- und die Wiederholungsverordnung [3, 4], die sich inhaltlich teilweise entsprechen. Die Leitlinien für die Beratung bei der Erstverordnung nach Pflichtenlage und im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung eröffnen ein Kontinuum von Gestaltungsmöglichkeiten.

Entsprechendes gilt für die Wiederholungsverordnung. Der Kasten "Pharmazeutische Basisbetreuung" gibt eine Übersicht über die Inhalte, die in den Leitlinien erwähnt werden. In jeder Apotheke kann nach den eigenen Vorstellungen und Möglichkeiten ein individueller Weg zur Pharmazeutischen Betreuung gefunden werden. Dieser wird im Einzelfall auch von den Wünschen und Eigenheiten des Patienten abhängen, da nicht jeder Patient eine maximale Betreuung benötigt oder wünscht, was ohnehin kaum zu leisten wäre.

Die Leitlinien für die Beratung im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung [3, 4] sind damit mehr ein Angebot als eine starre Vorgabe. Sie ermöglichen ein organisches Wachstum der Betreuungsprozesse und erleichtern so, das berufspolitische Ziel der Pharmazeutischen Betreuung in überschaubaren Schritten zu realisieren.

Integration der Pharmazeutischen Betreuung in das QMS

Vom Standpunkt des Qualitätsmanagements gilt es, die ausgewählten Elemente in eine praktikable und patientengerechte Reihenfolge zu bringen. Auch sollte innerhalb des Apothekenteams geklärt werden, welche Maßnahmen in welchen Situationen angeboten werden.

Wichtig ist die konsequente Fortführung einmal begonnener Betreuungsvorgänge. Besonders deutlich wird dies bei der Patientendatei. Wenn ein Patient die Speicherung seiner Medikation in Hinblick auf die Medikationsüberwachung wünscht, sollte dies bei jedem Apothekenbesuch erfolgen. Die Standardisierung des Beratungsablaufes sollte sicherstellen, dass auch Vertretungspersonal einen solchen Patienten erkennt, auch wenn dieser nicht von sich aus auf die Speicherung aufmerksam macht. Die Software der Medikationsdatei kann hierbei gute Dienste leisten.

Entsprechendes gilt für andere Betreuungsschritte, die möglichst konsequent weiterzuführen sind, wenn sich ein Patient einmal für die Pharmazeutische Betreuung entschieden hat. Dies stellt besonders in größeren Apotheken eine Herausforderung an die Formulierung der diesbezüglichen Prozesse dar.

Leitlinie zu Arzneimittelrisiken

Vergleichsweise wenig Mühe wird die Umsetzung der Leitlinie zu Maßnahmen bei Arzneimittelrisiken [5] bereiten. Sie beschreibt die "Bearbeitung der Informationen der Arzneimittelkommission (AMK) in der Apotheke" und die "Meldungen an die AMK" aus der Apotheke.

Beide Abläufe tangieren die Arzneimittelsicherheit, werden aber durch ganz unterschiedliche Vorgänge ausgelöst. Konsequenterweise beschreibt die Leitlinie diese beiden Vorgänge in getrennten Flussdiagrammen, die den Ablauf der beiden erforderlichen Prozesse konsequent chronologisch darstellen.

Die einzige organisatorische Hürde bereitet der Hinweis im Anhang, künftige Neulieferungen eines zurückgerufenen oder überprüften Arzneimittels über längere Zeit auf Zugehörigkeit zur fraglichen Charge zu kontrollieren. Das setzt eine entsprechende Regelung im Wareneingang voraus, d. h. an ganz anderer Stelle im organisatorischen Gefüge der Apotheke.

Leitlinie für Blutuntersuchungen

Wesentlich komplexer gestaltet ist die Leitlinie zu physiologisch-chemischen Untersuchungen [6]. Wie schon bei mehreren zuvor veröffentlichten Leitlinien, enthält auch das Flussdiagramm in dieser Leitlinie Inhalte zu verschiedenen Prozessen bzw. SOPs. Die graphische Aufbereitung suggeriert eine chronologische Abfolge, die in dieser Strenge hier gar nicht gemeint sein kann.

So ist die Einrichtung des Messplatzes eine einmalige Frage, die nicht in einem Prozess beschrieben werden müsste. Die Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter und die Schulung sind regelmäßig wiederkehrende Vorgänge, die zweckmäßigerweise im Zusammenhang mit anderen Sicherheitsmaßnahmen bzw. Schulungen dargestellt werden können. Vergleichbares gilt für die interne und externe Qualitätskontrolle.

Allein der letzte Hauptinhaltspunkt "Durchführung der Blutuntersuchung" mit seinen 13 Unterpunkten beschreibt den Ablauf einer einzelnen Untersuchung. Die empfohlenen SOPs ("Durchführung der Blutuntersuchung", "Wartung des Messgerätes" und "Beratung des Kunden/Patienten") reichen nicht aus, um alle Inhalte des Flussdiagrammes aufzunehmen.

Muster-SOP

Die Muster-SOP "Durchführung der Blutuntersuchung" im Anhang zu dieser Leitlinie stellt die einzige Muster-SOP im Rahmen der jüngsten Leitlinienveröffentlichungen der Bundesapothekerkammer dar. Damit gibt die Bundesapothekerkammer an dieser Stelle erstmals einen Anhaltspunkt, wie nach den Vorstellungen der Leitlinienautoren ein Prozess bzw. eine SOP zu gestalten ist. Das Muster kann dadurch eine weitreichende Bedeutung für alle Prozesse erlangen, die weit über das beispielhafte Thema der Blutuntersuchung hinausgeht. Daher soll die Muster-SOP hier im Detail betrachtet werden.

Die ersten Punkte im Inhaltsverzeichnis der Muster-SOP tragen die Titel "Gegenstand", "Geltungsbereich" und "Zuständigkeiten". Im Beispiel wird unter "Gegenstand" die Zielsetzung des Prozesses beschrieben; dies kann auch als Antwort auf die Frage nach dem "Warum?" des Prozesses interpretiert werden. Der "Geltungsbereich" beschreibt, welche Handlungen in dem Prozess dargestellt werden, d. h. die Antwort auf die Frage "Was?". Unter "Zuständigkeiten" sieht die Muster-SOP die namentliche Eintragung einer Person und ihres Vertreters vor, d. h. die Antwort auf die Frage "Wer?".

Sicher sind in größeren Apotheken mit vielen Beschäftigten auch umfangreichere Zuständigkeitsregeln darzustellen, doch wird stets eine klare und nachvollziehbare Regelung zu fordern sein.

Der Verfahrensablauf

Anschließend folgt der Abschnitt "Verfahren", der die Frage "Wie?" beantwortet. Der Abschnitt gliedert sich in der Muster-SOP in vier Unterpunkte, die ihrerseits in Einzelschritte in einer dritten Gliederungsebene aufgeteilt sind. Diese Einzelschritte sind im Gegensatz zu den Flussdiagrammen in den Leitlinien in strengster Weise chronologisch aufeinander folgend aufgebaut, da die SOP nur so praktisch ausgeführt werden kann.

Die "Dokumentation" der Messergebnisse wird nicht im Rahmen des Abschnittes "Verfahren" beschrieben, sondern bildet einen eigenständigen Abschnitt der Hauptgliederung (Punkt 5). Angesichts der zentralen Bedeutung von Dokumentationsvorgängen für das QMS ist diese Hervorhebung sicher angemessen. Doch möglicherweise könnte die Integration dieses Schrittes in das "Verfahren" eher sicherstellen, dass dieser Aspekt nicht vergessen wird.

Mitgeltende Unterlagen und Anhänge

Unter dem sechsten Punkt der Gliederung werden "mitgeltende Unterlagen" gesammelt. Im Beispiel sind dies Unfallverhütungsvorschriften und Bedienungsanleitungen. Sie enthalten Detailinformationen, die nicht bei jeder Prozessdurchführung explizit herangezogen werden müssen, aber grundsätzlich zu beachten sind.

Als Anhang zur Muster-SOP schließen sich eine "Checkliste" und die "Kennzeichnung des Entsorgungsbehälters" an. Für die Praxis wäre es hilfreich, wenn an geeigneten Ablaufschritten im "Verfahren" auf diese Anhänge hingewiesen würde, damit sie tatsächlich an der gewünschten Stelle genutzt werden. Bei der Formulierung in der Muster-SOP bleibt leider offen, wie und an welcher Stelle die Checkliste zum Einsatz kommen soll.

Grenzen einer Muster-SOP

Aus der beispielhaften Darstellung einer einzelnen Muster-SOP kann naturgemäß nicht hervorgehen, wie die Urheber eine Vernetzung von mehreren Prozessen darstellen möchten. So bleibt offen, wie die Schnittstellen zu anderen Prozessen bzw. SOPs zu kennzeichnen sind. Doch sehen die meisten Regelungen für die Zertifizierung von QMS-Handbüchern ein sorgfältiges Schnittstellenmanagement vor.

Dies steht im engen Zusammenhang mit der Auslösung des Prozesses, d. h. der Antwort auf die Frage "Wann?". Da eine Blutuntersuchung durch den diesbezüglichen Kundenwunsch ausgelöst wird, ist diese Frage hier banal. Doch wird die Frage bei anderen Prozessen zu beachten sein, wenn diese beispielsweise durch logisch vorgelagerte Prozesse über Schnittstellen ausgelöst werden oder vorgegebene Termine einzuhalten sind.

Die Muster-SOP bildet damit eine hilfreiche Anregung für die Prozessgestaltung, aber als einzelnes Beispiel keine erschöpfende Orientierung in allen Spezialfragen.

Kastentext: Pharmazeutische Basisbetreuung

I. Inhalte, die auch in den Leitlinien zur Beratung außerhalb der Pharmazeutischen Betreuung beschrieben sind:

Formale Prüfung der Verordnung Inhaltliche Prüfung der Verordnung auf

  • ggf. Indikation
  • Kontraindikation
  • Wechselwirkungen

Information und Beratung

  • ggf. orientierende Fragen
  • Basisinformationen zur Dosierung und Anwendung
  • Wirkungen
  • häufige und relevante unerwünschte Wirkungen
  • wichtige Hinweise
  • Rückfrage nach dem Verständnis

Unterstützende Maßnahmen, z. B. Kennzeichnung in der Packungsbeilage

Dokumentation in der Patientendatei

II. Inhalte, die nur in den Leitlinien zur Beratung im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung beschrieben sind: Ausgabe von individualisierten schriftlichen Patienteninformationen: Anwendungsplan mit Informationen über

  • Dosierung
  • Konkrete Einnahmezeitpunkte
  • Besondere Verhaltensregeln
  • Wichtige unerwünschte Arzneimittelwirkungen
  • Name des Patienten
  • Datum
  • Name der Apotheke mit Telefonnummer
  • Name und Unterschrift des Apothekers

Ausgabe von weiteren Informationsmaterialien Follow-up-Telefonat Betreuungsgespräch Dokumentation (der Betreuungsmaßnahmen) Zusammengestellt nach [1] bis [4].

Tabelle s. Printausgabe der DAZ.

Literatur [1] Bundesapothekerkammer: Leitlinie zur Qualitätssicherung, Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln - Erstverordnung. Pharm. Ztg. 145, Nr. 31, 136-138, mit Korrektur in Nr. 32, 140 (2000). [2] Bundesapothekerkammer: Leitlinie zur Qualitätssicherung, Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln - Wiederholungsverordnung. Pharm. Ztg. 145, Nr. 31, 139 - 141, mit Korrektur in Nr. 32, 141 (2000). [3] Bundesapothekerkammer: Leitlinie zur Qualitätssicherung, Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln - Erstverordnung im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung. Pharm. Ztg. 145, Nr. 32, 142 - 145 (2000). [4] Bundesapothekerkammer: Leitlinie zur Qualitätssicherung, Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln - Wiederholungsverordnung im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung. Pharm. Ztg. 145, Nr. 32, 145 - 148 (2000). [5] Bundesapothekerkammer: Leitlinie zur Qualitätssicherung, Maßnahmen bei Arzneimittelrisiken in der Apotheke. Pharm. Ztg. 145, Nr. 33, 121 - 123 (2000). [6] Bundesapothekerkammer: Leitlinie zur Qualitätssicherung, Physiologisch-chemische Untersuchungen - Durchführung von Blutuntersuchungen. Pharm. Ztg. 145, Nr. 34, 119 - 125 (2000). [7] Müller-Bohn, T.: Leitlinien zur Qualitätssicherung: Was bringen sie für die Praxis? Dtsch. Apoth. Ztg. 140, 3701 - 3706 (2000). [8] Müller-Bohn, T.: Leitlinien für die Beratung. Dtsch. Apoth. Ztg. 140, 4023 - 4026 (2000).

Die von der Bundesapothekerkammer verfassten Leitlinien zur Qualitätssicherung bieten viele Anregungen für die Gestaltung von QMS-Prozessen in Apotheken. Wir erörtern in diesem Beitrag die Leitlinien zur Information und Beratung des Patenten, zu Maßnahmen bei Arzneimittelrisiken und zur Durchführung von Blutuntersuchungen. 

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