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Hilfe für die Expo-Apotheke Pharmaxie

(diz). Die Expo-Apotheke Pharmaxie, Deutschlands Vorzeige-Pharmazie auf der Weltausstellung in Hannover, steht tief in den roten Zahlen. Haben sich die Betreiberin der Apotheke, Frau Doris Nelskamp, und der Mitinitiator Stephan Iskenius verkalkuliert? Liegt es an den zu niedrigen Besucherzahlen der Expo? Die Zeitung "Apotheken Praxis" rief auf der Expopharm in Köln zu einer Solidaritätsaktion für die Pharmaxie auf. Wir sprachen mit Doris Nelskamp und Stephan Iskenius, wie es zum Defizit kam und wie es weitergehen soll.

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Es war zu lesen, dass die Pharmaxie am Ende ist - sprich pleite ist. Es soll ein Millionendefizit entstanden sein. Steht die Pharmaxie, das Vorzeigeobjekt der deutschen Apotheker auf der Expo vor dem Aus, muss die Apotheke noch vor dem Ende der Expo schließen?

Nelskamp:

Sicher ist, dass wir bis zum Ende der Expo die Apotheke geöffnet haben. In der Tat deuten unsere Zahlen momentan auf ein deutliches Minus hin. Wie hoch das Minus sein wird, können wir definitiv erst am 31. Oktober 2000 sagen. Wir sind derzeit mit folgender Situation konfrontiert: auf der einen Seite haben wir ein außergewöhnlich erfolgreiches Konzept, das sich in vielen Phasen bewährt hat und das von den Fachbesuchern, von den Besuchern und von den Medien sehr positiv aufgenommen wird. Auf der anderen Seite müssen wir sehen, dass die Besucherzahlen der Expo deutlich geringer ausgefallen sind. Sie betragen nur ein Drittel der prognostizierten Zahlen

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Liegt dies an überzogenen und falschen Prognosen? Können Sie Schuldige ausmachen? Wer trägt die Verantwortung?

Iskenius:

Es gab sicherlich falsche Prognosen. Es geht momentan nicht um Schuldzuweisungen. Es ist von der Expo-Gesellschaft immer wieder betont worden, dass 40 Millionen Besucher realistisch sind. Allerdings haben wir uns natürlich auch informiert, wie viele Leute die Expos der letzten 150 Jahre besucht haben. Aufgrund dieser Erfahrungen schien uns diese Zahl gerechtfertigt zu sein. Außerdem haben wir von Anfang an die Treuhand als Steuerberatungsunternehmen hinzugezogen, um auch rechnerisch auf der richtigen Seite zu sein. Unsere Zahlen sind sowohl von der Treuhand als auch von den Banken im Vorfeld geprüft worden, wir sind nicht blauäugig in irgend ein Unternehmen hinein gegangen. Die Treuhand bescheinigt uns, dass wir dies mit aller Sorgfalt getan haben. Wir haben dann 14 Tage nach Eröffnung der Expo schon das erste Mal reagiert, als sich abzeichnete, dass sich der Erfolg vielleicht doch nicht so einstellen wird, wie ursprünglich vermutet.

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Die Einnahmen der Pharmaxie ergeben sich aus den Belieferungen der Messeleute und der Expo-Besucher?

Nelskamp:

Das ist richtig, darüber hinaus gibt es zwölf Ärzte in zwei Notfallambulanzen. Auch hier gab es eine Untersuchung der Medizinischen Hochschule in Hannover, wie stark diese Ärzte aufgesucht würden. Es gibt Erfahrungen, wie stark die Ärzte bei Großveranstaltungen frequentiert werden. Diese Untersuchung haben wir zugrunde gelegt und verglichen mit anderen Großveranstaltungen weltweit. Sie schienen uns im Vorfeld absolut glaubwürdig zu sein, aber auch diese Besucherzahlen bzw. Patientenzahlen sind nicht eingetroffen. Wir haben hier letztendlich im Vorfeld mit einem Rezeptanteil von ca. 15 Prozent gerechnet. Wir haben jetzt momentan knapp 5 Prozent erreicht, d. h., hier liegen wir auch deutlich unter unserem Soll.

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Wie wurde die Expo-Apotheke finanziert? Haben Sie Gelder von Sponsoren bekommen? Gibt es keine Zusage zur Übernahme evtl. Defizite?

Nelskamp:

Nein, es gibt keine Zusage zur Übernahme irgend welcher Defizite. Wir haben in der Tat einen Sponsoranteil von etwa 30 Prozent. Diese Sponsoren haben noch mal in geringem Umfang nachgelegt, aber das reicht sicherlich nicht. Sie weisen an dieser Stelle auch darauf hin, dass auch unsere Apothekerverbände oder Kollegen hier gefordert sind. Wenn man von einem Solidarpakt spricht, dann sagt die Industrie an dieser Stelle, dass dazu der Apotheker gehört, zumal der Hinweis an dieser Stelle erfolgt, dass die positive Resonanz letztendlich allen zu Gute kommt, vor allem aber auch den Apothekern.

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Können Sie schon in etwa eine Größenordnung nennen, in welcher Höhe das Defizit liegt? Wer haftet letztendlich für dieses Geld?

Iskenius:

Es ist das Geld von Frau Nelskamp und mir. Ein siebenstelliges Defizit steht momentan im Raum. Die Besucherzahlen gehen zur Zeit deutlich nach oben und wir hoffen, dieses Defizit bis zum Ende der Expo ein Stück minimieren zu können. Aber letztendlich droht uns ein siebenstelliges Defizit. Wir sind Einzelkaufleute - zwei der wenigen Einzelkaufleute auf der Expo. Frau Nelskamp und ich haften mit unserem Privatvermögen. Wir haben hier keine Auffanggesellschaft oder auch keinen, der uns da letztendlich unterstützt.

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Was geschieht mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pharmaxie? Mussten Sie schon welche entlassen.

Nelskamp:

Wir haben sowohl im Juni als auch dann zwischendurch noch einmal unsere Kosten deutlich angepasst, d. h. auch im Bereich der Mitarbeiter haben wir die Zahl um ca. 30 im Laufe der Zeit reduziert. Wir haben aber auch andere Kosten, die Expo-bedingt sind, deutlich reduziert. Wenn wir dieses nicht gleich schon im Juni getan hätten, dann würde uns ein Defizit erwarten, was das Drei- bis Vierfache des jetzigen Volumens ausmacht.

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Jetzt wenden Sie sich mit einer Art "Solidaraufruf" an die Kolleginnen und Kollegen. Was erhoffen Sie sich davon?

Iskenius:

Der Solidaraufruf ist vielmehr eine Idee verschiedener Kollegen auf der Expopharm gewesen. Diese Kollegen waren der Meinung, dass die deutsche Apothekerschaft sich ein Stück daran beteiligen sollte, was an positiven Dingen letztendlich für alle hier geschaffen ist. Wir haben in den letzten Monaten die deutsche Apothekerlandschaft nach außen sehr gut vertreten. Viele internationale Besucher und Gesundheitsministerien waren hier und haben sich von der deutschen Pharmazie ein sehr ausgiebiges Bild gemacht, oft auch auf Ministerebene. Ich denke, dass wir hier eine ganz wichtige und wertvolle Öffentlichkeitsarbeit geleistet haben. Zum zweiten haben wir von Anfang an allen Kollegen unser Know how zur Verfügung gestellt, wir haben ihnen alles gezeigt, was wir haben, wir haben ihnen gezeigt, wie wir arbeiten, wir haben ihnen unser Marketing erläutert. Das hat bislang in dieser Form noch nie ein Kollege getan. Fast 10 000 Kollegen haben sich ausführlich in einem Workshop in der Pharmaxie über dieses Konzept informiert. Die Kollegen können sicherlich nicht alles übernehmen, aber es gibt für jeden Einzelnen ganz viele Anregungen, die man in kleinerem Maßstab auch in einer kleinen Apotheke umsetzen kann. Abgesehen davon, dass wir in der Presse einen hervorragenden Stellenwert hatten, wenn ARD oder ZDF uns zum Tagestipp machen, wenn wir für die Leser des Hamburger Abendblattes zu den Top Ten der Expo gehörten, wenn Pro 7 oder auch die Yellow Press uns ähnlich gut bewerten, das fällt sehr positiv ja letztendlich auch auf die gesamte Apothekenlandschaft zurück. Circa 80 Medienkontakte und Berichte in dieser Zeit sind eine sehr wirksame und positive Öffentlichkeitsarbeit.

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Können Sie sich vorstellen, dass die ABDA ein positives Votum für Sie einlegt?

Iskenius:

Die ABDA hat uns unterstützt, zumindest ideell mit dem Besuch des Vorstandes und der Geschäftsleitung. Man hat sich seitens der ABDA intensiv mit dem Konzept auseinander gesetzt und es für gut befunden, wie Herr Friese sagt. Sein weiterer Kommentar war, dass wir letztendlich ein hervorragender Repräsentant der deutschen Pharmazie in der Welt sind. Zu einem finanziellen Engagement hat man sich bisher nicht entschließen können.

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Kolleginnen und Kollegen könnten aber auch den Standpunkt vertreten: Wenn die Pharmaxie ein Gewinn geworden wäre, dann hätten Herr Iskenius und Frau Nelskamp diesen Gewinn doch in die eigene Tasche gesteckt. Warum dann jetzt Solidarität zeigen?

Iskenius:

Solidarität wäre aus unserer Sicht aus zweierlei Gründen angebracht, zum einen auf Grund einer immensen Öffentlichkeitsarbeit, zum anderen haben wir neue Marketingideen umgesetzt, Visionen erstmals Realität werden lassen und für alle ein Bild aufgezeigt, wie Zukunft zu gestalten ist. Die Präsidentin und Geschäftsführerin der Pharmazeuten in der Europäischen Union (PG EU) hat jüngst dieses Konzept als zukunftsweisend für die Apotheken Europas bezeichnet. Wir haben sicherlich sehr wichtige Dinge für die Berufsöffentlichkeit getan. Eine goldene Nase war von vornherein hier nicht zu verdienen, denn wir haben eine über dreijährige Vorarbeit in die Pharmaxie gesteckt, die wir nicht bezahlt bekommen haben. Wir sind nie von Riesengewinnen ausgegangen, zumal einfach auch die Expo-bedingten Kosten extrem hoch sind. Ich denke, wir haben einfach den Mut bewiesen zu sagen, wir gehen es an. Wenn wir es nicht getan hätten, hätte es wohl keine deutsche Pharmazie auf der Expo gegeben. Wir haben das erste Mal die Chance gesehen, eine Vision in die Realität umzusetzen. Gleichzeitig wollten wir den Apotheken Mut machen, Gleiches in ihrem Bereich zu tun. Unbestritten ist: würde die Pharmaxie länger bestehen und würde sie um die Expo-bedingten Kosten bereinigt, wäre sie ein absolutes Erfolgskonzept. Wir haben aufgezeigt, wie man in einer Apotheke erfolgreich ein OTC-Konzept realisiert und zurückgehende Rezeptanteile egalisiert. Risikobereitschaft, Ideenreichtum und Innovationswille kennzeichnen dieses Zukunftsprojekt, das auch über die Expo hinaus allen Apothekern zugute kommen sollte.

Nelskamp:

So sind wir jeder Kollegin und jedem Kollegen von Herzen dankbar, wenn sie sich ein Stück solidarisch zeigen und uns finanziell unterstützen.

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Frau Nelskamp, Herr Iskenius, vielen Dank für das Gespräch!

Kontonummer bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank Hannover BLZ 250 906 08 Kto.-Nr. 0203 627977 Anderkonto RA Rechtsanwalt und Notar Dr. Kevekordes Eine abzugsfähige Quittung wird selbstverständlich ausgestellt

Die Expo-Apotheke Pharmaxie, Deutschlands Vorzeige-Pharmazie auf der Weltausstellung in Hannover, steht tief in den roten Zahlen. Haben sich die Betreiberin der Apotheke, Frau Doris Nelskamp, und der Mitinitiator Stephan Iskenius verkalkuliert? Liegt es an den zu niedrigen Besucherzahlen der Expo? Die Zeitung "Apotheken Praxis" rief auf der Expopharm in Köln zu einer Solidaritätsaktion für die Pharmaxie auf. "Apotheken Praxis" und DAZ sprachen mit Doris Nelskamp und Stephan Iskenius, wie es zum Defizit kam und wie es weitergehen soll.

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