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- DAZ 42/2000
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Rechtsprechung aktuell
Fragwürdig (Kommentar)
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Versendung von Impfstoffen an Arztpraxen kann nicht in allen Punkten überzeugen. Das Bundesverwaltungsgericht bearbeitet zur Zeit einen Fall mit gleicher Problematik. Sollte es zu einem anderen Standpunkt gelangen, ist zu erwarten, dass der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe zu den hier berührten Rechtsfragen eine Grundsatzentscheidung trifft.
Bedenklich erscheint insbesondere die Feststellung des Gerichts, dass das Verbot, apothekenpflichtige Arzneimittel an Arztpraxen zu versenden, bereits deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, weil es dem Gesetzgeber gestattet sein müsse, generalisierende Regelungen zu treffen. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber zwar eine generalisierende Betrachtungsweise zuerkannt, fraglich ist aber stets, wo die Grenze dieser Typisierungsbefugnis verläuft. Sie setzt auch eine Gleichartigkeit der betroffenen Sachverhalte voraus. Lässt sich aber das Informations- und Beratungsbedürfnis des Arztes wirklich als gleichwertig mit demjenigen der übrigen Endverbraucher einstufen? So sinnvoll diese Regelung für Endverbraucher auch ist, so fragwürdig ist sie für die Belieferung von Praxisbedarf.
Nimmt man hinzu, dass nach den Erwägungen des Bundesgerichtshofs die generelle Belieferung von Ärzten im Wege des Botendienstes ebenfalls nicht zulässig sein soll, so müsste dies in der Praxis dazu führen, dass künftig das Personal des Arztes oder eine andere beauftragte Person (vielleicht ein Taxifahrer?) die Arzneimittel in der Apotheke abholt, sicherlich aber nicht der Arzt. Abgabe nebst Beratung erfolgten mithin ohne Beteiligung der Person, die für die Anwendung des Arzneimittels am Menschen verantwortlich ist. Ein Beitrag zur Aufrechterhaltung der Arzneimittelsicherheit ist dies sicherlich nicht!
Interessant ist, dass nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht jeder Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln verboten ist. Bei unabweisbarer Notwendigkeit im Patienteninteresse seien vielmehr verfassungskonforme Ausnahmen im Einzelfall möglich. Nicht geklärt hat der Bundesgerichtshof freilich, wann eine solche unabweisbare Notwendigkeit des Versandes vorliegt. Diese Frage ist aber für die betroffenen Apotheker, die für Verstöße ordnungsrechtlich und berufsrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden können, außerordentlich wichtig . Es ist an der Zeit, dass der Gesetzgeber die spezifischen Probleme bei der Versendung und Zustellung von Arzneimitteln endlich einer sachgerechten, wohldurchdachten Lösung zuführt.
Valentin Saalfrank
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