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Ärzteverbände: Positivliste behindert Therapiefreiheit
"Listenmedizin" könnte ebenso wie Leitlinien nur eine Hilfe für Entscheidungen sein, aber den Ärzten nicht die Verantwortung für die individuelle Behandlung von Kranken mit zumeist mehreren Erkrankungen abnehmen, sagte Junker. Keinesfalls dürfte die geplante Positivliste zur Durchsetzung von Arzneibudgets missbraucht werden. Die rotgrüne Bundesregierung hat die Liste erstattungsfähiger Arzneimittel ins Gesetz geschrieben, im Frühjahr wird ein erster Entwurf erwartet, bevor im Sommer 2001 die erste Vorschlagsliste des zuständigen Instituts publik werden könnte. Der stellvertretende Vorsitzende des NAV-Virchow-Bunds rechnete im übrigen wegen zu erwartender Substitutionen nicht mit wesentlichen Einsparungen für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Insgesamt bezeichnete Junker die Positivliste als kontraproduktiv, unwirtschaftlich und überflüssig.
Gegen zweite Zulassungshürde
Der Arzt lehnte das Vorhaben der Bundesgesundheitsministerin auch unter Verweis auf das bestehende Zulassungssystem für Arzneimittel ab, welches ausreichend sei. Es gehe nicht an, anschließend noch eine zweite Zulassungshürde aufzubauen. Grundsätzlich müsse jedes zugelassene Medikament verordnet werden können, da seine Wirksamkeit nachgewiesen sei. Um einer weiteren Bürokratisierung der Medizin vorzubeugen, könnte anstelle der geplanten Positivliste die bestehende Negativliste erweitert werden, welche die Präparate benennt, die nicht zu Lasten der GKV verschrieben werden dürfen (beispielsweise solche gegen geringfügige Gesundheitsstörungen). Junker schlug zudem die Herausnahme versicherungsfremder Leistungen aus der GKV und das Stoppen politischer Verschiebebahnhöfe (etwa die Entlastung des Etats des Bundesarbeitsministers zu Lasten der GKV) vor. Mifegyne, Präparate zur Reproduktionsmedizin oder kosmetische Mittel seien zwar wirksam, gehörten aber nicht in die solidarische Absicherung von Krankheit, sondern sollten anders abgesichert werden.
Hausärzte brauchen Arzneischatz
Für ein breites Arzneimittelangebot in der Hand der Mediziner und gegen die Einschränkung durch die Positivliste hat sich auch Dr. Wolfgang Dryden vom Hausärzteverband (BDA) ausgesprochen. Vor allem die Hausärzte, die drei Viertel aller Verordnungen zu Lasten der GKV tätigten, seien darauf angewiesen. Da sie in ihrer Praxis sehr häufig ältere, multimorbide oder chronisch Kranke behandelten, müssten sie als Kompromiss zwischen den isolierten Einzeltherapien zur besseren Verträglichkeit auch milder wirkende Präparate in Kombination mit anderen verordnen. Der BDA fordere bereits seit längerem einen Morbiditätsindex für die Ermittlung unter anderem der notwendigen Kosten für Arzneimittelverordnungen.
Dr. Jan Geldmacher von der Kassenärztlichen Vereinigung Südbaden warnte vor dem Ausschluss bewährter, oft preisgünstiger Arzneimittel aus der GKV durch die Liste. Dann drohe durch den Umstieg auf erstattungsfähige Präparate eine Verteuerung. Ziel müsse der indikationsgerechte Einsatz der Medikamente sein. Es sei falsch, so Geldmacher, beispielsweise die Kriterien der High-tech-Versorgung in Universitätskliniken an die hausärztliche, ambulante Versorgung anzulegen.
Mediziner behandeln Individuen, keine standardisierten Patienten. Aus diesem Grund behindere jede Art von Listenmedizin die ärztliche Therapiefreiheit und die qualitativ hochwertige Versorgung der Kranken mit Arzneimitteln. Das hat Dr. Martin Junker vom Verband der niedergelassenen Ärzte (NAV-Virchow-Bund) am 30. November vor Journalisten in Köln erklärt. "Listenmedizin" könne ebenso wie Leitlinien nur eine Hilfe für Entscheidungen sein, aber den Ärzten nicht die Verantwortung für die individuelle Behandlung von Kranken mit zumeist mehreren Erkrankungen abnehmen, sagte Junker. Keinesfalls dürfte die geplante Positivliste zur Durchsetzung von Arzneibudgets missbraucht werden.
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