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Recht
K.-R. Winkler:Doping im Sport – Anmerkungen au
Europäisches Anti-Doping-Übereinkommen
In dem Anti-Doping-Übereinkommen des Europarats vom 16. 11. 1995 ist der internationale Konsens niedergelegt, Doping zu ächten. Die Mitgliedstaaten sind nach dessen Art. 4 Abs. 1 verpflichtet, "in geeigneten Fällen Gesetze, Vorschriften oder Verwaltungsmaßnahmen" gegen die Verfügbarkeit sowie die Anwendung verbotener Dopingwirkstoffe oder -methoden im Sport zu erlassen; zu strafrechtlichen Mitteln ist allerdings kein Staat gezwungen.
Was Doping ist, definiert das Übereinkommen als "die Verabreichung pharmakologischer Gruppen von Dopingwirkstoffen oder Dopingmethoden an Sportler und Sportlerinnen oder die Anwendung solcher Wirkstoffe oder Methoden durch diese Personen" (Art. 2 Abs. 1a). Die gemeinten Wirkstoffe und Methoden sind in dem Übereinkommen in einem (bereits mehrfach überarbeiteten) Katalog abschließend, wenn auch mit einer Einbeziehung nicht exakt bezeichneter "verwandter Wirkstoffe" aufgezählt. Darunter befinden sich nach Gruppen geordnet u. a. klassische Rauschgifte, bekannte Arzneimittel, Hormone, Anabolika, aber auch Verfahren wie das Blutdoping, wobei es ausdrücklich keine Rolle spielt, ob damit der angestrebte Erfolg auch tatsächlich eingetreten ist.
Herausragendes Motiv des Übereinkommens ist die Sorge um die Gesundheit der Sportler. In der Präambel werden aber außerdem die ethischen Grundsätze des Sports und die er zieherischen Werte erwähnt, die in den bereits bestehenden internationalen Vereinbarungen angesprochen sind. Schließlich wird auch ein wichtiges Ziel des Sports darin gesehen, die internationale Verständigung zu fördern.
Doping im Arzneimittelgesetz
Deutschland ist dem Übereinkommen beigetreten und hat es im Rahmen des 8. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes umgesetzt. Seit dem 11. 9. 1998 sind bestimmte Handlungen im Zusammenhang mit dem Doping auf dem Sportsektor nach § 6a des Arzneimittelgesetzes (AMG) verboten und nach § 95 AMG strafbar [1]. Dabei folgt das Gesetz dem Grundsatz, selbstschädigende Handlungen nicht unter Strafe zu stellen. Der Erwerb oder die schlichte Einnahme von Dopingmitteln durch den Sportler ist daher – das sei hier schon einmal vorweggenommen – nicht strafbar, es sei denn, es handele sich dabei um "klassische" Betäubungsmittel nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG).
Da nach gesetzlicher Definition Arzneimittel u. a. auch Stoffe sind, die "die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände beeinflussen" (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG), erfüllen die meisten Dopingmittel den gesetzlichen Arzneimittelbegriff. Verboten und strafbar ist – beschränkt auf Dopingzwecke im Sport beim Menschen – das Inverkehrbringen, Verschreiben oder Anwenden bei einem anderen. Selbstverständlich ist die Anwendung zu Heilzwecken im Rahmen ärztlicher Indikation umfassend erlaubt [2]. Wichtig ist, dass unter Inverkehrbringen schon das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, Feilbieten und die Abgabe an andere zu verstehen ist (§ 4 Abs. 17 AMG).
Strafdrohung
Durch eine Verweisung auf das Übereinkommen des Europarats sind sämtliche dort aufgeführten Dopingwirkstoffe von dem Verbot erfasst. Täter kann jeder sein, nicht etwa nur der Arzt oder Apotheker, sondern jeder X-Beliebige. Geschütztes Rechtsgut ist die Gesundheit des Sportlers im Bereich des gesamten Sports, nicht etwa nur im Hochleistungssport, also auch z. B. bei privatem Bodybuilding.
Die Strafdrohung beträgt für den Regelfall Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe (§ 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG). Die verbotswidrige Abgabe von Dopingmitteln an Personen unter 18 Jahren oder die Anwendung bei ihnen wird als besonders schwerer Fall gewichtet, für den das Gesetz Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren androht (§ 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AMG). Für ein fahrlässig begangenes Delikt droht Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe (§ 95 Abs. 4 AMG). Handelt es sich bei dem Mittel um ein Betäubungsmittel nach dem BtMG, ist die ohne medizinische Indikation, weil für die bloße Leistungssteigerung erfolgte ärztliche Verschreibung nach § 29 Abs. 1 Nr. 6a BtMG mit Strafe bedroht.
Tötung und Körperverletzung durch Doping
Damit ist aber das Spektrum des Einsatzes strafrechtlicher Mittel gegen das Doping noch nicht umfassend beschrieben. Kommt nämlich der gedopte Sportler zu Schaden, muss geprüft werden, inwieweit Dritte hierfür strafrechtlich einzustehen haben. Führt der Einsatz eines Dopingmittels zum Tod des Sportlers,
In beiden Fällen sind zwei verschiedene Konstellationen denkbar, nämlich die Verabreichung durch einen anderen und die Selbstapplikation. Schon durch die medizinisch nicht zu Heilzwecken indizierte Injektion eines Dopingmittels begeht z. B. der Arzt nach strafrechtlichen Grundsätzen eine nach § 223 StGB tatbestandsmäßige vorsätzliche Körperverletzung. Dies hat auch das Berliner Kammergericht in einigen Fällen, die sich mit der Aufhellung der Dopingpraxis der früheren DDR befasst haben, obergerichtlich so entschieden.
Einwilligung des Sportlers zum Doping
Die Injektion eines Dopingmittels ist nur dann gerechtfertigt und folglich für den Arzt straflos, wenn eine wirksame Einwilligung des Sportlers vorliegt (§ 228 StGB). Ihr muss wie bei jeder Verabreichung eines Arzneimittels eine umfassende Aufklärung über Wirkung und Risiken des Dopingmittels vorausgehen. Es versteht sich von selbst, dass etwa eine infolge Täuschung, z. B. die falsche Darstellung des Mittels als Vitamin oder harmloses Aufbaupräparat, erschlichene "Einwilligung" unwirksam ist. Vielmehr muss der Sportler bei der Einwilligung die volle Einsichts- undUrteilsfähigkeit haben; das kann insbesondere bei Minderjährigen zweifelhaft sein. Zweifel sind auch angebracht, wenn die Risikoaufklärung nicht wirklich umfassend ist und z. B. die erst in fernerer Zukunft auftretenden Spätfolgen nicht umfasst.
Verstoß gegen die guten Sitten
Aber selbst wenn insoweit alle Momente einer an sich wirksamen Einwilligung vorliegen, rechtfertigt diese die Körperverletzung nur, wenn die Tat nicht gegen die guten Sitten verstößt (§ 228 StGB). Käme es dabei nur auf Art und Umfang der Körperverletzung an, wäre der Sittenverstoß wohl nur in Fällen schwerer Gesundheitsschäden anzunehmen. Hierzu gibt es eine kontroverse juristische Diskussion.
In letzter Zeit scheint sich die Auffassung stärker durchzusetzen, dass der soziale Zusammenhang bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit nicht ausgeblendet werden darf. Gerade die internationale Ächtung des Dopings, das nach dem erwähnten Übereinkommen durch staatliche Maßnahmen ausdrücklich "endgültig ausgemerzt" werden soll, macht deutlich, dass der Schutz der Gesundheit der Sportler und sportliches Ethos – hier vor allem die Grundsätze von Fairness und Chancengleichheit gerade im Wettbewerb – als gesetzgeberische Motive eng zusammenhängen. Es handelt sich beim sportlichen Ethos nämlich um allgemeine Wertvorstellungen, die in der offenen Mediengesellschaft nicht etwa lediglich die Bedeutung einer Regel für einen geschlossenen Zirkel haben. Bei der Prüfung der Frage, warum ein Athlet nicht die volle Dispositionsfreiheit über seinen Körper besitzen soll, indem seiner Einwilligung in die Schädigung seines Organismus kein Gewicht beigemessen wird, darf der missbilligte Zweck des Dopings nicht unberücksichtigt bleiben.
Nachdem überdies der Gesetzgeber mit der Strafbewehrung des Verbots der Verbreitung von Dopingmitteln eine legislatorische Grundentscheidung getroffen und damit die Bewertung des Doping als sittlich verwerflich zementiert hat, sollte es eigentlich keinen Zweifel mehr geben, dass eine Einwilligung die mit Doping verbundene Körperverletzung grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Es kommt hinzu, dass auch ärztliche Ethik dem Doping entgegenstehen dürfte, weil es der ärztlichen Grundregel des "nil nocere" (Pflicht zur Schadensverhinderung) widerspricht. Denn die durch Doping angestrebte oder erreichte Leistungssteigerung im Sport ist gemäß ärztlicher Ethik kein medizinisches Ziel.
Selbstgefährdung des Sportlers
Nimmt der Sportler das Mittel im Sinne eigenverantwortlicher Selbstgefährdung ein, kommt eine strafrechtliche Zurechnung negativer Folgen z. B. für den verschreibenden Arzt in der Regel nicht in Betracht. Die eigenverantwortliche Selbstgefährdung setzt aber voraus, dass der verschreibende Arzt den Sportler umfassend über das damit verbundene Risiko aufgeklärt hat. Wenn dies nicht der Fall ist, hat der Arzt wegen seines überlegenen Risikowissens die tatbeherrschende Rolle und übernimmt damit auch die strafrechtliche Haftung.
Nötigung
Für die Frage der Freiverantwortlichkeit gelten dieselben Aspekte wie bei der Einwilligungsfähigkeit. Sie kann z. B. eingeschränkt sein, wenn der Sportler von dritter Seite zur Einnahme des Mittels gedrängt wird. In diesem Zusammenhang kann es sogar zur strafbaren Nötigung (§ 240 StGB) kommen, wenn der Sportler etwa durch Ankündigung des Entzugs einer Förderung zum Doping veranlasst werden soll. Die Androhung eines solchen empfindlichen Übels ist zu dem angestrebten Zweck schon wegen der bereits angesprochenen Sittenwidrigkeit des Dopings als verwerflich anzusehen (§ 240 Abs. 2 StGB).
Keine Nötigung allerdings stellt es dar, wenn der Sportler nur dann zum Wettkampf zugelassen wird, wenn er seinerseits eine Blutentnahme für Zwecke der Dopingkontrolle zulässt. Diese Verknüpfung zur Verwirklichung der Grundsätze des sportlichen Ethos ist eben gerade nicht verwerflich. Wer sich dem organisierten sportlichen Wettkampf stellt, bringt damit schlüssig zum Ausdruck, dass er dabei die Regeln des Sports einhalten will.
Ist Doping Betrug?
Das führt zu der Frage, ob der gedopte Athlet, der im Spitzensport zumindest auch um teils beträchtlicher Prämien willen am Wettkampf teilnimmt, wegen Betruges (§ 263 StGB) strafbar sein kann, wenn schon die Einnahme des Mittels selbst nicht strafbar ist. Hierüber gibt es in der Rechtsprechung nichts und in der Fachliteratur nur wenig nachzulesen.
Betrug als Vermögensdelikt kann – vereinfacht gesprochen – nur demjenigen gegenüber begangen werden, dessen Vermögen infolge einer Täuschung durch den Täter zugunsten des Täters oder eines Dritten geschmälert wird, wobei der Vorteil des Täters oder des Dritten direkt aus dem Nachteil des Opfers folgen muss. Denkbare Opfer sind der zahlende Zuschauer, der die Prämie zahlende Sponsor, der geschlagene Konkurrent. Ihnen gegenüber müsste der gedopte Sportler falsche Erklärungen über Tatsachen abgegeben haben.
Genau hier aber liegt das Problem, weil der Sportler in der Regel dem Publikum, dem Sponsor, aber auch seinen Konkurrenten gegenüber gar keine rechtlich relevanten Erklärungen abgibt und mit ihnen in keiner vertraglichen Beziehung steht. Niemand wird von ihm zu einer Geldausgabe veranlasst, auf die er in Kenntnis des wahren Sachverhalts verzichtet hätte. Der Zuschauer hätte das Eintrittsgeld ebenfalls bezahlt, der Konkurrent wäre ebenfalls angetreten, der Sponsor hätte das Preisgeld ebenfalls – wenn auch vielleicht an einen anderen – gezahlt. Die Geldausgaben beruhen mithin nicht auf dem Umstand, dass ein bestimmter Sportler heimlich gedopt ist. Somit hat der sportliche Betrug im Strafrecht keine Entsprechung.
Anderes könnte allein hinsichtlich des Veranstalters gelten, bei dem die Meldung zum Wettbewerb eingeht, falls dieser die Zulassung zum Start und die Zahlung eines Startgeldes von einer ausdrücklichen Erklärung über die aktuelle Freiheit von Dopingmitteln abhängig macht. Das Verschweigen von aktuellem, evtl. wettkampfrelevantem Doping könnte dann als Verstoß gegen eine vertragliche Offenbarungspflicht zur Strafbarkeit wegen Betruges führen. Betrug kann schließlich vorliegen, wenn die Kosten für das Doping einem Kostenträger gegenüber fälschlich als Heilbehandlungskosten geltend gemacht werden.
Ob es der Mittel des Strafrechts bedarf, Unehrlichkeit im Sport und die dort durch Doping bewirkten Wettbewerbsverzerrungen zu bekämpfen, und ob die Mittel des Strafrechts chancenreich wären, konnte nicht Gegenstand dieser Darstellung sein. Hierüber muss die Politik entscheiden.
Literatur [1] Feiden, K., H.-P. Hofmann: Verbot von Doping-Arzneimitteln – Änderung des Arzneimittelgesetzes. Dtsch. Apoth. Ztg. 138, 3626–3634 (1998). [2] Deutscher Sportärztebund: "Positivliste" für Sportler – Liste zulässiger Medikamente, die mit den Dopingbestimmungen vereinbar sind. Dtsch. Apoth. Ztg. 139, 1168–1176 (1999).
Doping im Sport ist mehr als eine Frage des fairen Wettkampfs. Inzwischen wird der Ruf nach ordentlichen Gerichtsverfahren und nach Bestrafung der Täter immer lauter. Doch geben die strafgesetzlichen Bestimmungen hierzu eine Handhabe? Ein Staatsanwalt erläutert das Thema.
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