Reise

Ute Galle-HoffmannSri Lanka – Insel der Wohlge

Jeder Apotheker verbindet mit der Tropeninsel Sri Lanka im Indischen Ozean zumindest eins: den Ceylonesischen Zimt, den besten der Welt. Aber die vielfältige Insel bietet noch mehr Gewürz- und Aromapflanzen für Augen und Nase, die ein Pharmazeutenherz höher schlagen lassen.

Betörend duftende Tempelblumen

Lotos

Der Lotos ist die heilige Leitblume des Buddhismus. Den Mythen zufolge soll Buddha nach seiner Geburt ein paar Schritte in jede Himmelsrichtung getan haben, worauf aus seinen Fußstapfen Lotosblüten entsprangen. Es wird aber auch erzählt, dass Buddha auf einer Lotosblume geboren wurde bzw. dem Kelch entwuchs, weshalb er häufig auf einem Lotosthron sitzend oder stehend dargestellt wird. Kurzum, die Lotosblüten stehen für Schönheit, Erhabenheit und Vollkommenheit. Sie sind das Symbol für vollendete Entfaltung und schöpferische Kraft. Die Blütenblätter in Form eines Rades symbolisieren auch den Lauf des Daseins. Da sie die Blume der Reinheit ist, darf vor der traditionellen Opfergabe in Tempeln nicht an ihr gerochen werden, sie muss unberührt dargeboten werden. Der Indische oder auch Echte Lotos (Nelumbo nucifera) aus der Familie der Seerosengewächse (Nymphaeaceae) hat große runde Blätter und rosa bis weiße, kelchförmige Blüten. Die Wasserpflanze strömt einen starken, narkotisch-süßlichen Duft mit fruchtigen und anisartigen Untertönen aus. Die Hauptkomponente des ätherischen Öls ist 1,4-Dimethoxybenzol, das einen warm-krautigen, süßen, "medizinischen" Duft verströmt und auch im Rosenöl vorkommt. Alle Teile des Echten Lotos dienen als Medizin oder Nahrungsmittel. So werden die stärkehaltigen Wurzeln zu Mehl verarbeitet, und die großen Blätter dienen zum Frischhalten von Nahrungsmitteln oder in der Medizin zum Kühlen der Haut. Als Antiabortivum bzw. Tokolytikum werden Wurzeln oder Samen mit Butter, Safran oder Honig verrührt eingesetzt. Die Nationalblume Sri Lankas ist die Blaue Lotosblume (Nymphaea stellata), eine Seerose mit wohlriechenden, großen rotvioletten Blüten, die auf langen Stielen über den Blättern stehen. In der ayurvedischen Medizin wird sie wie der Echte Lotos bei drohendem Abort eingesetzt. Bei Fieber wirken die Blüten oder Einreibungen mit einer Blütenpaste kühlend und antipyretisch.

Frangipani

Während unter den Zierpflanzen Europas Blumen oder Sträucher vorherrschen, beeindrucken in den Tropen die vielen gewaltigen Bäume mit berauschend schönen und duftenden Blüten. Häufig findet man den bis zu 10 m hohen, knorrigen Frangipanibaum (Plumeria rubra bzw. alba, Apocynaceae) mit seinen endständigen Büscheln aus weißen oder roten, stark aromatischen Blüten. Zu seinem Namen kam er über einen Umweg: Der Legende nach stellte der Italiener Frangipani im 12. Jahrhundert ein beliebtes Parfüm her, das bald seinen Namen trug. Vier Jahrhunderte später entdeckten europäische Eroberer in der Karibik einen Baum mit einem ähnlich schweren Duft und tauften ihn nach dem Parfüm. Der wissenschaftliche Name erinnert an den Botaniker Charles Plumier (1646 - 1706). Der Frangipanibaum ist inzwischen auch in den Tropen der alten Welt heimisch geworden. Da in Süd- und Südostasien die 2,5 cm breiten Frangipaniblüten gern geopfert werden und der Baum häufig auch an religiösen Stätten angepflanzt wird, wird er auch als Pagodenbaum bezeichnet.

Jasmin

Ein weiteres, ursprünglich in Ostasien heimisches Mitglied der Hundsgiftgewächse (Apocynaceae), das allerorten in den tropischen Gärten seinen angenehmen jasminartigen Duft verströmt, ist der Sternjasmin (Trachelospermum jasminoides). Er ist ein immergrüner milchsaftführender Kletterstrauch, der weder mit dem echten Jasmin (Jasminum spp., Oleaceae) noch mit dem falschen Jasmin oder Pfeifenstrauch (Philadelphus spp., Hydrangeaceae) näher verwandt ist. Die weißen Blüten des Sternjasmins werden Buddha ebenso gern zu Füßen gelegt wie die weißen Blüten des in Indien und Sri Lanka heimischen Jasminum sambac. Dessen stark duftende Blüten dienen in Asien auch zur Aromatisierung von Tee ("Jasmintee") und zur Gewinnung von Jasminabsolue, einer wichtigen Ingredienz für hochwertige Kosmetika und Seifen.

Ceylonesische Gewürz- und Heilpflanzen

Zimt Der feinste Zimt des Handels stammt aus der Rinde des in Sri Lanka heimischen Zimtbaums (Cinnamomum verum syn. Cinnamomum ceylanicum). Zimtpflanzungen finden auf der Tropeninsel ideale Bedingungen, denn sie benötigen hohe Durchschnittstemperaturen von 25 bis 30 Grad Celsius und Niederschlagsmengen von mindestens 2000 mm/Jahr. Der Baum wird regelmäßig zurückgeschnitten, damit sich viele lange und dünne Triebe entwickeln, die das beste Gewürz liefern. Geerntet wird während der Regenzeit, meist im Mai oder Juni und ein zweites Mal im Oktober oder November. Dann sind die Sträucher durch die Niederschläge saftreich, und das Abschälen der Zimtrinde im ganzen, großen Stück gelingt leichter. Von der abgeschälten Rinde werden die korkartige dünne äußere Schicht, die natürliche Unreinheiten aufweist, sowie die innen noch anhaftenden Gewebereste vorsichtig entfernt. Beim anschließenden Trocknen in der Sonne rollen sich die geschabten Rindenstücke von beiden Seiten her eng ein - ein typisches Zeichen des hochwertigen Ceylonzimts. Der getrocknete Zimt wird ineinander gesteckt, wodurch die typischen, röhrenförmigen Zimtstangen ("Stangenzimt") entstehen. Das ätherische Zimtöl mit seinem intensiv süß-würzigen Geruch enthält 65 bis 80% Zimtaldehyd sowie bis zu 10% Eugenol. Während bei uns die Zimtdroge bei leichten Verdauungsstörungen eingesetzt wird, kennt die ayurvedische Medizin weitere Anwendungsgebiete: Zimt wirkt auswurffördernd und wird als tabakfreie Zigarette zusammen mit weiteren Zutaten wie Sandelholz, Kardamom und Süßholz bei Husten, Bronchitis und Asthma geraucht. Bei Kopf- und Rheumaschmerzen wird die äußerliche Anwendung des Öls oder einer Zimtpaste empfohlen.

Nelken

Auch der Gewürznelkenbaum (Syzygium aromaticum, Myrtaceae) liebt das feuchtheiße Klima Sri Lankas und kann dort stattliche 15 m Höhe erreichen. Als Gewürz genutzt werden die getrockneten Blütenknospen. Ein erntereifer Baum kann bis zu 10 kg liefern. Das in der europäischen Medizin eingesetzte ätherische Öl (Nelkenöl) kann sowohl den Blüten als auch den Laubblättern entstammen und muss nach dem Deutschen Arzneibuch mindestens 80% Eugenol als pharmakologisch aktive Substanz enthalten. Wie bei uns spielen auch in Sri Lanka und Indien die Gewürznelken eine Rolle als Antiseptikum und Anästhetikum in der Mund- und Zahnheilkunde. Darüber hinaus werden Nelken bei Verdauungsproblemen mit anderen Gewürzen und Salz gegeben oder gegen Bronchitis in einer Mischung mit Ingwer, schwarzem Pfeffer und Borax eingesetzt.

Muskat

Die Früchte des in Sri Lanka kultivierten Muskatbaums (Myristica fragrans, Myristicaceae) erinnern an eine Aprikose. Das Fruchtfleisch wird in manchen Regionen zu Marmelade verarbeitet. Erst bei der Vollreife springt es hälftig auf und entlässt einen eiförmigen, von einem sehr dekorativen roten Mantel (Arillus) umhüllten Samen. Der fleischige, zerschlissene Samenmantel wird beim Trocknen goldgelb bis bräunlich und gelangt separat als Muskatblüte oder Macis in den Gewürzhandel. Nach dem Trocknen des freigelegten Samens wird die harte Schale zerschlagen und gibt so den Samenkern, die Muskat-"nuss", frei. Ein Tauchen in Kalkmilch hinterlässt einen vor Insektenfraß schützenden weißlichen Überzug. Ein ausgewachsener Baum liefert ca. 15 kg Muskatnuss und 2 kg Macis. Beide Drogen enthalten bis zu 16% ätherisches Öl mit einem süßlich-warmen und gleichzeitig pikant-würzigen Aroma. Der Phenylpropanether Myristicin (bis zu 13%) ist neben dem Aroma auch für die beobachtete halluzinogene Wirkung der Muskatnuss verantwortlich. Aus zerbrochenen, zu kleinen oder wurmstichigen Muskatnüssen, die zum Verkauf als Gewürz ungeeignet sind, wird durch Warmpressung die Muskatbutter gewonnen, ein gelblich-rotes Fett mit Muskatgeruch, das in Salben gerührt wird. In der ayurvedischen Medizin gilt die Muskatnuss als Digestivum und wird als Pulver vor dem Essen eingenommen. Gegen frühzeitige Ejakulation wird das Muskatnussöl mit Betelnusspulver vermischt aufgetragen.

Vanille

Zur Gattung Vanilla gehört die einzige der zahlreichen Orchideenarten, die für die menschliche Ernährung eine Bedeutung hat. Echte Vanille (Vanilla planifolia) ist eine starkwüchsige Kletterpflanze, die ursprünglich aus Mexiko stammt und nur dort von einheimischen Kolibris und Bienen natürlich bestäubt werden kann. In Kultur wie in Sri Lanka bedarf es einer künstlichen Bestäubung der unscheinbaren Blüten, aus denen dann die schmalen 15 bis 30 cm langen Kapselfrüchte heranreifen, die (botanisch nicht korrekt) als Vanilleschoten bezeichnet werden. Verfärben sie sich etwa 8 Monate nach der Befruchtung gelblich, werden die geruchlosen Früchte gepflückt und einer 4 bis 8 Wochen dauernden Fermentation unterzogen. Erst durch die enzymatische Reifung und Oxidation werden sie schwarzbraun, weich und biegsam, wird das aromatragende Vanillin aus seinem Glucosid freigesetzt und bilden sich weitere Spurenduftstoffe. Die Vanille wird unter ständiger Beobachtung getrocknet, von Zeit zu Zeit gewendet, nach Größe und Qualität sortiert und in der Regel in Dosen verpackt versandt. Die mühsame Bestäubung, die arbeitsintensive Aufbereitung und die notwendige Pflege machen das feine Gewürz so teuer.

Pfeffer

Ein Gewürz, das aus den Tropen kommt und bei uns in keiner Küche fehlen darf, ist der Pfeffer. Auch dieser Exot stammt von einer in Sri Lanka angebauten Kletterpflanze, nämlich von Piper nigrum aus der Familie der Piperaceae. Aus den walzenförmigen, lockeren Blütenähren entwickeln sich Kolben beerenähnlicher, einsamiger Steinfrüchte. Die ausgewachsenen, aber noch unreifen grünen Früchte werden entweder frisch in eine Essig-SalzLake eingelegt (Grüner Pfeffer) oder in der Sonne getrocknet, wobei die Früchte ihre dunkle Farbe und runzelige Oberfläche erhalten (Schwarzer Pfeffer). Weißen Pfeffer gewinnt man von der voll ausgereiften roten Frucht, die nach einem mehrtägigen Fermentationsprozess von der äußeren Schale befreit und getrocknet wird; er kommt als gelbes und glattes Korn in den Handel. Da das aromatische ätherische Öl vorwiegend im Samen, die Scharfstoffe (das Alkaloid Piperin und Harze) jedoch in der Fruchthülle vorkommen, ist der weiße Pfeffer im Geschmack weniger scharf und feiner als der schwarze.

Der Betelbissen - das ceylonesische Stimulans

Wird in Europa nach dem Mittagessen eine Zigarette geraucht oder ein Tasse Kaffee getrunken, so kaut man in Sri Lanka Betel. Dies soll den Speichelfluss fördern, die Mundhöhle reinigen, Würmer abtöten und natürlich über das Mittagstief hinweghelfen. Die für den Betelbissen unentbehrlichen pflanzlichen Bestandteile liefern - die Namen weisen bereits darauf hin - die schlanke Betelpalme (Areca catechu) und der Betelpfeffer (Piper betle), eine weitere ceylonesische Pfefferart. Zum gerösteten oder gekochten Samen der tropischen Palme, auch als Betelnuss bekannt, und den frischen Betelblättern kommt als dritter Bestandteil gelöschter Kalk hinzu, der häufig aus den nahen Korallen- und Muschelbänken des Indischen Ozeans gewonnen wird. Weitere, beliebige Zutaten sind, je nach Geschmack, Kautabak und Gewürze wie Zimt oder Nelken. Der strahlig zerklüftete, fetthaltige Samen der Betelpalme enthält das anthelminthische Alkaloid Arecolin, das beim Kauen mit Kalk freigesetzt und zum stimulierenden Arecaidin hydrolysiert wird. Betelblätter tragen durch erfrischendes Eugenol zum Aroma und durch Chavicol möglicherweise zur Stimulation bei, gleichzeitig wirken beide Phenole als antiseptische Mundreiniger. Der Palmengerbstoff Arecarot entlarvt die Betelkauer, da er Speichel und Zahnfleisch typischerweise himbeerrot färbt. Häufiges Betelkauen führt durch anhaltende Reizung der Mundschleimhaut zum Ausfall der Zähne und erhöht die Wahrscheinlichkeit, an Mundkrebs zu erkranken. Die ayurvedische Medizin kennt für die Betelblätter auch rein medizinische Verwendungen. So werden warme Blätter mit Öl bei Erkältungen auf die Brust gelegt, oder der Blätterextrakt wird, vermischt mit frischem Ingwer, bei Entzündungen der Atemwege und bei Verdauungsstörungen gegeben.

Kastentext: Der Lotos-Effekt

Bereits seit Jahrhunderten symbolisiert die Lotosblume im Buddhismus Reinheit. Seit kurzem beweist sie diesen Ruf auch in der Technik. Sie stand Pate für die neueste Entwicklung in Sachen selbstreinigende Oberflächen. Winzige, dichtstehende, wachshaltige Papillen des Lotosblattes verhindern, dass sich Schmutzteilchen oder Mikroorganismen dauerhaft niederlassen können. Mit jedem Regenguss werden anorganische und organische Partikel mitgerissen, weil die Adhäsionskräfte zwischen Wasser und Schmutz viel stärker sind als zwischen Blattoberfläche und Schmutz. Selbst lipophile Verschmutzungen perlen mit den Wassertröpfchen vom Blatt ab. Ein Effekt, den die Industrie bei Fassadenfarben und Dachziegeln bereits unter dem Motto "Nie wieder putzen!" nutzt.

Kastentext: Insel der Löwenhaften

Die Singhalesen, die die Mehrheit der Bevölkerung in Sri Lanka stellen und deren Vorfahren einst aus Nordindien eingewandert sind, bezeichnen sich als "die Löwenhaften" (vgl. auch den weitverbreiteten indischen Namen "Singh"). Der Löwe war über Jahrhunderte hinweg das Symbol der srilankischen Könige. Die Kolonialmächte verballhornten den alten Namen Singhala: Die Portugiesen machten daraus Ceilao, die Holländer Ceylan und die Engländer schließlich den in Europa geläufigen Namen Ceylon. Erst 1972 erhielt die Insel den offiziellen Namen Sri Lanka, eine einem alten Hindu-Epos entnommene Bezeichnung, wobei Sri "edel, erhaben" bedeutet und Lanka mit "strahlend, leuchtend" übersetzt wird. Die beiden senkrechten Seitenstreifen der Nationalflagge in Grün und Orange demonstrieren die muslimische bzw. die hinduistische Minderheit im buddhistisch geprägten Land. Damit stehen sie auch für die große kulturelle Vielfalt einer Insel, die nicht größer als Bayern

Literatur

Bärtels, A.: Farbatlas Tropenpflanzen. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1996. Krack, R.: Reise-Know-How Sri Lanka. Verlag Peter Rump, Bielefeld 1996. Roth, L., Kormann, K.: Duftpflanzen, Pflanzendüfte. Ecomed Verlagsgesellschaft, Landsberg 1997. Schröder, R.: Kaffee, Tee und Kardamom. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1991. Zoller, A., Nordwig, H.: Heilpflanzen der Ayurvedischen Medizin. Karl F. Haug Verlag, Heidelberg 1997. www.lotus-effekt.com

Jeder Apotheker verbindet mit der Tropeninsel Sri Lanka im Indischen Ozean zumindest eines: den Ceylonesischen Zimt. Aber die vielfältige Insel bietet noch mehr Gewürz- und Aromapflanzen für Augen und Nase, die ein Pharmazeutenherz höher schlagen lassen, z. B. Lotos, Jasmin, Nelken, Muskat und Vanille. 

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