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Arzneimittel und Therapie
Mammakarzinom: Neuer Aromatasehemmer bei Brustkrebs
Das Mammakarzinom steht weltweit an vierter Stelle aller Krebserkrankungen. Bei Frauen in Westeuropa ist Brustkrebs die häufigste bösartige Erkrankung und die zweithäufigste Todesursache. Die Inzidenz ist weiterhin steigend, allein in Deutschland kommt es jährlich zu rund 45000 Neuerkrankungen.
Häufig ist Brustkrebs eine hormonabhängige Tumorerkrankung. Eines der Standardtherapieverfahren ist daher die Hormontherapie. Unumstritten ist die Rolle des Östogenrezeptor-Antagonisten Tamoxifen, der wegen seiner hohen Tumorwirksamkeit verbunden mit guter Verträglichkeit nach wie vor als Therapeutikum der ersten Wahl angesehen wird. Die nach Tamoxifen-Versagen eingesetzten Gestagene Megestrolacetat oder Medroxyprogesteronacetat oder der Aromatasehemmer Aminoglutethimid sind prinzipiell zwar gut wirksam, doch wird die Behandlung von zum Teil schweren Nebenwirkungen begleitet.
Erst vor kurzem hat die Suche nach weniger toxischen Substanzen eine neue Wirkstoffklasse hervorgebracht, die als Aromatasehemmer der 3. Generation bezeichnet werden. Der erste Vertreter war Formestan, das alle 14 Tage intramuskulär appliziert wird. Exemestan ist der erste orale steroidale Aromatase-Inaktivator.
Exemestan hemmt Aromatase irreversibel
Etwa zwei Drittel aller Frauen mit Mammakarzinom sind hormonrezeptorpositiv, d. h. der Tumor ist unter dem Einfluss von Östrogen gewachsen. Die Aromatase ist ein Schlüsselenzym bei der körpereigenen Produktion von Östrogen. Da auch ca. 60% der Tumorzellen Aromataseaktivität besitzen, ist es ein therapeutisch sinnvoller und effektiver Ansatz, die Aktivität dieses Enzyms zu unterbinden. Bei postmenopausalen Frauen findet keine Östrogenproduktion mehr in den Ovarien statt. Die Östrogenvorstufen Androstendion und Testosteron werden aber noch reichlich vor allem in den Nebennierenrinden produziert und in verschiedenen Geweben, hauptsächlich im Fettgewebe, durch das Enzym Aromatase in Östron und Östradiol umgewandelt.
Die Aromatase ist ein Enzymkomplex. Nichtsteroidale Aromatasehemmer wie Aminoglutethimid binden an die Cytochrom-P450arom-Untereinheit der Aromatase und hemmen das Enzym reversibel (Aromatase-Inhibitoren). Steroidale Aromatasehemmer wie Exemestan binden direkt an das aktive Zentrum des Enzyms und hemmen es irreversibel (Aromatase-Inaktivatoren). Da diese Substanzen - im Gegensatz zum natürlichen Substrat Androstendion - nicht weiter umgewandelt werden und somit die Substratbindungsstelle nicht mehr verlassen, ist die Blockade dauerhaft und kann nur durch Neusynthese von Enzymmolekülen kompensiert werden. Aufgrund der Ähnlichkeit zum natürlichen Substrat entwickelt die Aromatase keine Resistenz gegenüber Exemestan, wie es bei den nichtsteroidalen Aromatasehemmern der Fall ist.
Einnahme erfolgt oral und nur einmal täglich
Exemestan ist der erste oral anzuwendende steroidale Aromatasehemmer. Das lipophile Molekül wird schnell und zu einem hohen Anteil aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert. Die Resorption kann durch die Einnahme zu einer Mahlzeit um etwa 40% erhöht werden. In der Leber wird Exemestan zu weniger wirksamen Metaboliten abgebaut. Exemestan hat eine relativ lange Halbwertszeit von über 20 Stunden, was die nur einmal tägliche Einnahme ermöglicht. Die maximale therapeutische Wirkung wird schon mit einer Tagesdosis von 25 mg erreicht. Nach zwei bis drei Tagen ist der Plasma-Östrogenspiegel um über 90% reduziert.
In den verschiedenen klinischen Studien wurden Tagesdosen zwischen 0,5 und 100 mg verwendet. Alle Untersuchungen zeigten ein gute Verträglichkeit von Exemestan, schwere Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Die Nebenwirkungsrate stieg mit der Dosis. Hauptsächlich traten leichte Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen auf. Erst ab einer Tagesdosis von 100 mg kam es zu androgenen Nebenwirkungen, wie verstärkter Körperbehaarung, Haarausfall am Kopf und Vertiefung der Stimme.
Wirksamkeitsnachweis im Vergleich mit Megestrolacetat
In einer prospektiven, multizentrischen, randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Exemestan mit dem Gestagen Megestrolacetat bei postmenopausalen Frauen mit metastasierendem Mammakarzinom nach Therapieversagen mit Tamoxifen verglichen. 769 Frauen mit einem durchschnittlichen Alter von 65 Jahren wurden behandelt. In beiden Therapiegruppen glichen sich die Patientinnen hinsichtlich Ausgangswerten, Prognosefaktoren, vorangegangener Therapie und Krankheitsstatus. 59% der Patientinnen hatten viszerale Metastasen in Lunge und/ oder Leber und damit eine schlechtere Prognose. Die Patientinnen erhielten entweder einmal täglich oral 25 mg Exemestan oder viermal täglich oral 40 mg Megestrolacetat.
In der Exemestan-Gruppe sprachen mehr Frauen auf die Behandlung an als in der Megestrolacetat-Gruppe; der Unterschied war jedoch statisch nicht signifikant. Auch Patientinnen mit viszeralen Metastasen schnitten in der Exemestan-Gruppe besser ab. Signifikant dagegen war der Unterschied in der Überlebenszeit. So lebten 75% der Patientinnen, die mit Exemestan behandelt worden waren noch 74,6 Wochen, die mit Megestrolacetat therapierten Patientinnen nur 55 Wochen. Auch die Lebensqualität der Patientinnen in der Exemestan-Gruppe stieg wesentlich stärker an als in der Vergleichsgruppe. Schmerzen und tumorassoziierte Symptome nahmen ab, die körperliche Verfassung besserte sich.
Unerwünschte Wirkungen waren in beiden Behandlungsgruppen überwiegend leichter Natur. Bei Frauen in der Exemestan-Gruppe dominierten Hitzewallungen, Übelkeit und Müdigkeit. Unter Megestrolacetat klagten im Vergleich mehr Frauen über Müdigkeit; Hitzewallungen und Übelkeit traten dagegen selten auf. Diese Studienergebnisse zeigen, dass die Entwicklung von oralen Aromataseinaktivatoren neue Perspektiven bei der Behandlung des Mammakarzinoms eröffnet. Auch Patientinnen mit viszeralen Metastasen, die früher ausschließlich mit Chemotherapie behandelt werden konnten, sprachen auf diese Therapie an.
Möglicher Nutzen: adjuvante Therapie und Prävention
Aufgrund der klinischen Vorteile könnte Exemestan auch bei der Behandlung des Frühkarzinoms eine Rolle spielen. Hier ist die Chance einer vollkommenen Tumor-Eradikation am größten. Da unter Exemestan-Therapie keine resistenten Aromatasemoleküle entstehen, könnten hohe Heilungsraten erwartet werden. In einer aktuellen Studie wird untersucht, ob das krankheitsfreie Überleben und das Gesamtüberleben verlängert werden kann, wenn eine initiale Tamoxifen-Behandlung nach zwei bis drei Jahren auf Exemestan umgestellt wird. Auch die präoperative Behandlung des Tumors im Frühstadium könnte ein wichtiges Indikationsgebiet für Exemestan werden. Aber auch dies muss erst in Studien belegt werden.
Schließlich gibt es Überlegungen, Exemestan auch präventiv einzusetzen. Für Frauen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko gibt es bislang keine medikamentösen Präventivmaßnahmen. Tamoxifen konnte sich wegen eines erhöhten Risikos für Endometriumkarzinom und Thrombose zur Prävention nicht durchsetzen. Exemestan verfügt nicht über diese Nebenwirkungen und wäre daher eventuell für diesen Einsatz geeignet. Kombinationen von Exemestan mit Chemotherapie oder auch mit Analoga des Gonadotropin-Releasing-Hormons in der Prämenopause sind Gegenstand laufender Studien.
Quelle: Presseinformation über Aromasin® von der Firma Pharmacia & Upjohn
Seit Januar 2000 steht mit Exemestan (Aromasin) ein neuer Wirkstoff zur Therapie des metastasierenden hormonabhängigen Mammakarzinoms bei Frauen in der Postmenopause zur Verfügung. Exemestan ist der erste steroidale Aromatasehemmer, der oral verabreicht werden kann. In einer großen Phase-III-Studie hat sich Exemestan als potenter Inaktivator der Aromatase und als gut verträglich erwiesen. Das Überleben der Patientinnen konnte im Vergleich mit dem Gestagen Megestrolacetat signifikant verbessert werden.
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