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Arzneimittel und Therapie
Onkologie: Thalidomid bei Blutkrebs
Das multiple Myelom oder Plasmozytom macht rund 10% aller Blutkrebserkrankungen aus. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das Plasmozytom mit konventionellen Therapien nicht heilbar. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium ist eine Chemotherapie angezeigt, die wirksamsten Substanzen sind gegenwärtig Melphalan und Cyclophosphamid. Ein weiterer Therapieansatz ist die Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation. Doch auch nach einer hochdosierten Chemotherapie treten häufig Rezidive auf, und die mittlere Überlebensdauer im Stadium III beträgt nur ein bis zwei Jahre.
Thalidomid hemmt die Angiogenese
Die Angiogenese, die Neubildung von Blutgefäßen, spielt eine wichtige Rolle bei der Tumorprogression, vor allem bei Krebsarten, bei denen eine Neovaskularisation auftritt, beispielsweise beim Plasmozytom, das mit einer neoplastischen Vermehrung der Plasmazellen im Knochenmark einhergeht. Daher hofft man, mit Angiogenese-Hemmern das Tumorwachstum eindämmen zu können.
Zu den Angiogenese-Hemmern zählt unter anderem Thalidomid, das in den frühen 60er-Jahren aufgrund seiner Teratogenität vom Markt genommen wurde. Nachdem einige klinische Beobachtungen einen günstigen Ein- fluss des Immunmodulators Thalidomid beim multiplen Myelom gezeigt haben, wurde eine größere Studie durchgeführt.
Studie mit Patienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium
Für die Studie wurden 84 Patienten mit einem refraktären Myelom ausgewählt, von denen 76 einen Rückfall nach einer hochdosierten Chemotherapie erlitten hatten. Die Patienten erhielten im Durchschnitt während 80 Tagen Thalidomid, und zwar in einer Initialdosis von 200 mg täglich. Alle zwei Wochen wurde die Dosis um 200 mg erhöht, bis 800 mg erreicht wurden. Um den Therapieerfolg einschätzen zu können, wurde in regelmäßigen Abständen das Myelomaprotein im Serum (charakteristische monoklonale Immunglobuline) und das Bence-Jones-Protein (charakteristisches Urineiweiß beim Plasmozytom) im Urin gemessen.
Eine mindestens sechs Wochen anhaltende Abnahme dieser Paraproteine wurde als Therapieerfolg gewertet. Ferner wurden weitere Laborparameter, wie der Hämoglobinwert (bei fortgeschrittener Erkrankung treten Anämie, Thrombopenie, Granulozytopenie auf), und die unerwünschten Wirkungen der Therapie festgehalten.
Therapieerfolg bei knapp einem Drittel der Patienten
Die Responderrate betrug 32%. Bei acht Patienten konnten durch die Therapie mit Thalidomid die Paraproteinwerte um mindestens 90% gesenkt werden, zwei Patienten hatten eine vollständige Remission. Eine Senkung der Paraproteinwerte um mindestens 75% wurde bei sechs Patienten festgestellt. Bei sieben Studienteilnehmern wurde eine mindestens 50%ige Abnahme und bei weiteren sechs Patienten eine mindestens 25%ige Abnahme der Paraproteine verzeichnet. Der Therapieerfolg (gemessen an der Abnahme der Paraproteine) trat bei 78% der Responder innerhalb von zwei Monaten ein.
Die Absenkung der Paraproteine ging mit einer abnehmenden Zahl der Plasmazellen im Knochenmark und erhöhten Hämoglobinwerten einher. Die mikrovaskuläre Dichte des Knochenmarks veränderte sich nicht wesentlich. Leichte bis moderate unerwünschte Wirkungen wie Verstopfung, Schwäche, Müdigkeit und Somnolenz traten bei rund einem Drittel der Patienten auf; ernste Nebenwirkungen oder hämatologische Wirkungen waren selten. Zwölf Monate nach der Therapie lebten noch 58 ± 5% der Patienten; 22 ± 5% von ihnen hatten keinen erneuten Rückfall erlitten.
Literatur Singhal, S., et al.: Antitumor activity of thalidomide in refractory multiple myeloma. N. Engl. J. Med. 341, 1565–1571 (1999). Raje, N., et al.: Thalidomide – a revival story. N. Engl. J. Med. 341, 1606–1608 (1999).
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