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Bald Modellversuch mit Phytopharmaka
Indikationslyrik entlarven
Experten hatten für die Bewertung der besonderen Therapierichtungen Transparenzregeln erarbeitet, die die Arzneimittel erfüllen müssen, um den Versicherten empfohlen zu werden. Die Wirkstoffe werden aufgeführt, wobei detailliert je nach Art in Droge, Tinktur, verschiedene Extraktarten und weitere unterschieden wird, auf die Nennung von Präparatenamen wurde verzichtet. So sind eindeutig Präparate zu erkennen, die zwar von der gleichen Droge abgeleitet sind, die aber nach verschiedenen Verfahren hergestellt wurden und unterschiedlich zu dosieren sind, sagte Professor Theo Dingermann vom Institut für Pharmazeutische Biologie in Frankfurt/Main, der zugleich Herausgeber des Expertenberichts ist.
Durch die Kriterienauflistung könnten darüber hinaus diejenigen Präparate ausgeschlossen werden, die sich der "Indikationslyrik bedienten", sagte Dingermann. Diese Mittel würden nicht für das weitere Modellvorhaben empfohlen. Nicht erkennbar sei allerdings, ob ein bestimmtes Präparat bereits zugelassen sei oder sich noch in der Nachzulassung befinde. Die Expertenkommission könne und wolle nicht die Arbeit der Zulassungsbehörde übernehmen. Nach Worten von Dingermann hat bereits die Auflistung der Kriterien Reaktionen der pharmazeutischen Hersteller hervorgerufen. So hätten viele Firmen erstmals nach diesen Regeln in der neu erschienenen "Rote Liste 2000" Transparenz nachgewiesen.
Nutzen dokumentieren
Für die Barmer Ersatzkasse verwies deren Vorstandsvorsitzender Dr. Eckart Fiedler auf die Schwierigkeiten, den Arzneimittelmarkt einheitlich bewerten zu können. Insgesamt gebe es 4 050 verkehrsfähige Phytopharmaka, von denen 1 300 nach dem Arzneimittelgesetz geprüft seien. Die Versicherten schätzten die Präparate, müssten jedoch wie die Ärzte Hilfen zur Auswahl erhalten. Ziel des weiteren Modellvorhabens sei es, gesicherte Informationen über Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von Phytopharmaka, homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln zu erhalten. Wie Fiedler sagte, sollten Phytopharmaka, wenn sie den Standards der chemisch definierten Präparaten entsprächen, wie diese bei einer künftigen Positivliste in den Hauptteil und nicht in deren Anhang aufgenommen werden.
Markt differenziert betrachten
Nach Aussage von Professor Gerd Glaeske von der Universität Bremen – als Projektleiter für die Barmer tätig –, können 430 pflanzliche Arzneimittel nach den vorgelegten Kriterien akzeptiert werden, darüber hinaus 180 homöopathische und 40 anthroposophische Mittel. Der Pharmazeut sprach sich für eine differenzierte Betrachtung des Marktes unter qualitativen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus. Speziell die Phytopharmaka sollten sich nicht in die Schutzzone der besonderen Therapierichtungen zurückziehen. "Grüne Trittbrettfahrer" ohne nachgewiesene Wirksamkeit sollten allerdings nicht mit der Erstattungsfähigkeit durch die Kassen belohnt werden. Nach Angaben von Glaeske schwankt der durchschnittliche Umsatz pro Versichertem je nach Kassenärztlicher Vereinigung (KV) sehr stark. Während zum Beispiel in Südbaden 11,17 Mark für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen ausgegeben werden, seien es in Thüringen 4,62 Mark. Eine Hilfestellung für die Ärzte, wie hier durch die Bewertung des Marktes, sei nötig.
Erfahrungen dokumentieren
Für den BPI führte dessen Vorsitzender Professor Hans Rüdiger Vogel aus, der Stellenwert dieser Arzneimittel, die in der Versorgung quantitativ eine große Rolle spielten, solle qualitativ beleuchtet werden. Viele Ärzte hätten Erfahrungen mit Phytopharmaka gesammelt, die seien jedoch nicht dokumentiert worden. Vogel betonte, die vorgelegten Kriterien sollten nicht als Vorstufe einer Positivliste missverstanden werden. Das weitere Modellvorhaben sei offen für alle Produkte. Wenn die Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen dauerhaft Bestand haben sollten, müssten sie international anerkannten Kriterien folgen.
Start ab Sommer
Nach der Sommerpause solle mit Erhebungen bei Ärzten begonnen werden, so Professor Barbara Sickmüller, Geschäftsführerin des BPI. Einbezogen seien 25 Indikationsbereiche. In die Beobachtungsstudie werden Ärzte, die Phytopharmaka nutzten, und Ärzte, die nur chemisch definierte Präparate einsetzten, einbezogen. Den künftigen Modellversuch muss die Barmer laut Gesetz mit einer KV, nicht dem BPI, umsetzen. Mehrere KVen hätten Interesse signalisiert, hieß es.
Um Transparenz bei Phytopharmaka, homöopathischen und anthroposophischen Mitteln herzustellen und ihre Gleichwertigkeit mit chemisch-synthetisierten Präparaten zu zeigen, starteten die Barmer-Ersatzkasse und der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie vor zwei Jahren die Initiative zu einem Modellversuch. Erste Zwischenergebnisse wurden am 16. Februar in Frankfurt präsentiert. Jetzt liegen Transparenzkriterien der Expertenkommission vor.
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