Fortbildung

T. Müller-Bohn:Lichtblicke für Herzkranke (Fortbil

Bluthochdruck und pharmazeutische Betreuung waren die entscheidenden Stichworte im Programm des sechsten gemeinsamen Fortbildungsseminars der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft und der Apothekerkammer Hamburg, das am 5. und 6. Februar stattfand. Die Vorträge machten den jüngsten Wandel des Therapiezieles von der einfachen Blutdrucksenkung zur Verminderung des kardiovaskulären Risikos deutlich. Am zweiten Veranstaltungstag folgte ein Seminarprogramm, das die Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in den praktischen Prozess der pharmazeutischen Betreuung beschrieb.

Damit sollte der wachsenden Bedeutung der pharmazeutischen Betreuung für das Berufsbild des Apothekers Rechnung getragen werden. Dr. Reinhard Hanpft, Geschäftsführer der Apothekerkammer Hamburg, betonte die Unterschiede zwischen intensiver Beratung und pharmazeutischer Betreuung. Er warnte vor einer Verwässerung des Betreuungsbegriffes durch einen unkritischen Gebrauch. Die pharmazeutische Betreuung sei definitionsgemäß auf Dauer angelegt, beachte Regeln und Standards und erfordere daher ein QMS. Zumindest für eine breite Umsetzung sei dies unverzichtbar und solle auch bei der nachhaltigen Umsetzung von Fortbildungen in die Praxis helfen. Denn letztlich sei nur eine Fortbildung, die die Versorgung von Patienten verbessert, als erfolgreich zu bezeichnen.

ACE-Hemmer wirken vielfältig

Priv.-Doz. Dr. Andreas Dendorfer, Lübeck, erläuterte die besondere Bedeutung der ACE-Hemmer für die Herz-Kreislauf-Therapie und für das Verständnis der behandelten Erkrankungen. Während manche Arzneimittel spezielle Körperfunktionen in unphysiologischer Weise beeinflussen, wirken viele mittlerweile klassische Blutdrucksenker auf ein zusammenhängendes Regulativ. Dies dürfte für die großen Erfolge beispielsweise von α- und β-Blockern verantwortlich sein. Dabei wird in weitreichende systemische Regulationsmechanismen eingegriffen. Die ACE-Hemmer ermöglichten dagegen als erste Arzneistoffgruppe den Angriff an begrenzter wirksamen Peptidhormon-Systemen, hier dem Renin-Angiotensin-System und dem Bradykinin. Sie hemmen die Bildung von Angiotensin II aus Angiotensin I und den Abbau des Vasodilatators Bradykinin.

Neben der Blutdrucksenkung zeigen sich immer mehr Effekte der ACE-Hemmer, die mit dem Angiotensin II einen pathophysiologisch relevanten Wachstumsfaktor beeinflussen. So hemmen sie auch die Zellhypertrophie und -proliferation, was bei Herzfibrose und Gefäßverengungen bedeutend sein kann. Daneben hemmen sie den Abbau des am Endothel vasodilatatorisch wirksamen Bradykinins, stimulieren so die Endothelfunktion und wirken damit organprotektiv.

Lokale Effekte bei Minimaldosen

Bei Therapie mit ACE-Hemmern sinkt zunächst erwartungsgemäß der Blutspiegel von Angiotensin II, steigt bei einer Dauertherapie aber wieder an. Dennoch bleibt der blutdrucksenkende Effekt erhalten. Dies spricht für eine Wirkung über einen lokalen Effekt, unabhängig von der systemisch zirkulierenden Angiotensin-II-Menge. So zeigten Tierversuche deutliche lokale Wirkungen auf organspezifischen Anteilen des Renin-Angiotensin- und des Kinin-Kallikrein-Systems.

Dies zeigt sich beispielsweise anhand von Wachstumseffekten im Herzen. Die lokalen Wirkungen traten bereits bei Dosierungen auf, die um den Faktor 100 kleiner als zur Blutdrucksenkung waren. Weitere Untersuchungen sprechen für die endothelschützende Wirkung, beispielsweise eine Begrenzung des Ischämie-Areals beim Herzinfarkt. Dies könnte weitere Indikationen bei diversen Erkrankungen eröffnen, die mit einer endothelialen Dysfunktion verbunden sind, wie z. B. Hypercholesterinämie.

Immer mehr Tierversuche und klinische Beobachtungen sprechen für zusätzliche Wirkprinzipien der ACE-Hemmer, die weit über die Blutdrucksenkung hinausgehen. Klinische Untersuchungen ergeben für immer mehr und immer leichtere Krankheitsbilder Vorteile für eine Therapie mit ACE-Hemmern.

Angriffspunkte der Zukunft

Die Vorzüge des Angriffs an einem lokalen Peptidhormon-System legen es nahe, Arzneistoffe zu suchen, die an anderen solchen Systemen wirken. Aussichtsreiche Zielstrukturen dieser Art sind beispielsweise die Endotheline und die natriuretischen Peptide. Das beim Menschen wichtigste Endothelin, das Endothelin-1, greift an den ETA- und den ETB-Rezeptoren an, die beide als Gegenspieler wirken. Der ETA-Rezeptor fördert die Bildung toxischer Sauerstoffradikale und vermittelt die vasokonstriktive und proliferationsfördernde Wirkung.

Als Arzneistoffe werden Antagonisten gegen den ETA-Rezeptor und gegen beide ET-Rezeptoren untersucht. Endothelin-1 stellt einen relevanten Vasokonstriktor bei Herzinsuffizienz dar. So kann ein Endothelin-Rezeptor-Antagonist die Herzleistung verbessern (Anm. d. Berichterstatters: Endothelin-Rezeptor-Antagonisten werden auch als potenzielle Anti-Tumor-Mittel untersucht, da sie die proliferationsfördernde Wirkung blockieren können, die über den ETA-Rezeptor vermittelt wird).

Einen weiteren Ansatzpunkt bildet das Endothelin-Konversionsenzym (ECE), das die Bildung von Endothelin-1 katalysiert. Dort können ECE-Hemmer angreifen. Erhebliche Bedeutung für die Blutdruckregulation haben auch die natriuretischen Peptide. Dies lässt sich therapeutisch durch Infusionen dieser Peptide ausnutzen, doch erlaubt dies nur kurzzeitige Effekte.

Eine Alternative bietet der Eingriff in den Abbau der Peptide. So kann die neutrale Endopeptidase (NEP) gehemmt werden, was jedoch auch die Konzentration von Endothelin-1 und Angiotensin II erhöht. Diese Schwierigkeit lässt sich durch Substanzen umgehen, die sowohl ACE-Hemmer als auch NEPInhibitoren sind. Sie werden als Vasopeptidase-Inhibitoren bezeichnet.

Ein Beispiel bildet Omacaprilat, dessen Zulassung bereits beantragt wurde (siehe DAZ 3/2000, S. 45). Diese Substanzen stellen einen erfolgversprechenden Therapieansatz bei Herzinsuffizienz dar, doch ergibt sich theoretisch mindestens das gleiche Risiko für einen Reizhusten wie bei ACE-Hemmern.

Therapie ist mehr als nur Blutdrucksenkung

Insgesamt liegt der besondere Vorteil der modernen blutdrucksenkenden Arzneimittel für Dendorfer in der zusätzlichen organprotektiven Wirkung, die für die Langzeitprophylaxe kardiovaskulärer Ereignisse vorteilhaft ist. Diese Überlegung stellte auch den zentralen Gedanken im Vortrag von Prof. Dr. Bernward A. Schölkens, Frankfurt/M., dar. Für ihn ist die Blutdrucksenkung nur ein wichtiger Aspekt in einer Therapie, die sich um einen umfassenden Schutz des Herzens bemüht. Neue Arzneimittel und Therapiekonzepte müssten daher mehr bieten als nur die Senkung des Blutdruckes, für die bereits vielfältige Arzneistoffe verfügbar sind.

Ziel der Therapie solle nicht mehr sein, irgendeinen Blutdruckwert einzustellen, sondern das kardiovaskuläre Risiko zu senken, um die Lebenserwartung zu erhöhen und die Lebensqualität zu verbessern. Dies werde in Zukunft immer bedeutender. Denn ischämische Herzerkrankungen waren 1990 weltweit noch die fünfthäufigste Todesursache, werden aber im Jahr 2020 die häufigste Todesursache darstellen.

Was ist normaler Blutdruck?

Letztlich weise zumindest jeder Mensch ab dem 50. oder 60. Lebensjahr kardiovaskuläre Risiken auf, auch wenn der Blutdruck als "normal" angesehen werde. So sollten auch "Normotoniker mit Risikofaktoren" mit Antihypertensiva mit organprotektiver Wirkung behandelt werden. Große Bedeutung hat dabei die Endothelfunktion, deren Störung stark mit der Rate kardiovaskulärer Ereignisse nach zehn Jahren korreliert. Zudem verwische sich die Grenze zwischen Hyperund Normotonie.

Im Laufe der Zeit entstanden immer schärfere Kriterien für die Normotonie, die sich zudem international unterscheiden. So werden heute Werte bis 120 : 80 als optimal angesehen. Doch letztlich profitiere der Patient von jeder Blutdrucksenkung, die toleriert werde. International zeichne sich daher der Trend ab, den Blutdruck so weit zu senken, wie der Patient dies toleriert. In Großbritannien sei dies bereits die Praxis. Die heutige Therapiesituation erscheint jedoch als unbefriedigend. So dürften in Deutschland etwa 16 Mio. Hypertoniker leben, von denen nur 11 Mio. bekannt sind und 9 Mio. therapiert werden. Dabei erreichen nur etwa 4 Mio. Patienten Normotonie nach den derzeitigen Kriterien.

Die nähere Zukunft ...

Bereits für die nächsten fünf Jahre sei die Zulassung von etwa 35 neuen Arzneistoffen zu erwarten, die den Blutdruck senken und weitere organprotektive Effekte aufweisen sollen. Bevorzugte Wirkprinzipien bildeten dabei die Vasopeptidase-Inhibitoren und die Angiotensin-II-Antagonisten. Für die Arzneimittelforschung stellen die erweiterten Ansprüche an solche Arzneimittel eine große Herausforderung dar, denn die organprotektive Wirkung ist schwerer nachweisbar als der reine blutdrucksenkende Effekt. Daher werden aussagekräftige Surrogatparameter benötigt, wie z. B. endotheliale Dysfunktion oder Mikroalbuminurie.

Neben neuen Arzneistoffen ergeben sich auch für bekannte Substanzen neue Erkenntnisse über organprotektive Wirkungen. So zeige beispielsweise die jüngst veröffentlichte HOPE-Studie ein vermindertes kardiovaskuläres Risiko durch ACE-Hemmer trotz gleichermaßen guter Einstellung der Blutdruckwerte in den Vergleichsgruppen.

... und die fernere Zukunft

Zur Bluthochdruckforschung gehört auch die Molekularbiologie. So wird die Genomanalyse in Zukunft helfen, die Ursachen des Bluthochdrucks aufzuklären, die sich individuell sehr unterscheiden können. Dies ist noch keine Therapie, macht den Patienten aber für die individualisierte Therapie besser charakterisierbar. So erwartet Schölkens in sechs bis zehn Jahren Diagnostika, die die gezielte Therapieauswahl unterstützen. Die Herausforderung bestehe dabei nicht in der Genotypisierung, sondern in der optimalen Phänotypisierung. Doch müssen die individuellen Maßnahmen den Genotyp berücksichtigen. Für die Zukunft erwartet Schölkens deutliche Therapiefortschritte und auch einige Möglichkeiten zur Heilung, doch langfristig seien entscheidende Erfolge gegen kardiovaskuläre Erkrankungen nur durch Prävention zu erreichen. Dies setze voraus, die Risikofaktoren zu kennen und Strategien gegen sie zu entwickeln.

Herzinsuffizienz: Maligner als viele Tumoren

Als besonders schweres Krankheitsbild im Rahmen der kardiovaskulären Erkrankungen beschrieb Prof. Dr. Ralph Haberl, München, die Herzinsuffizienz. Mit 50% Todesfällen innerhalb von zwei Jahren nach Diagnosestellung ist sie maligner als die meisten Tumoren. Typische Folgeprobleme der Herzinsuffizienz sind Pumpversagen, Herzrhythmusstörungen und Thromboembolien. Bei leichteren Fällen dominiert als Todesursache der plötzliche Herztod, bei schweren Fällen der Tod im Pumpversagen. Bei der Pharmakotherapie der Herzinsuffizienz müssen Arzneimittel gegen die Symptome und zur Verbesserung der langfristigen Prognose unterschieden werden.

Mittel der ersten Wahl gegen die Symptome sind Diuretika. Zur Verbesserung der Prognose dienen dagegen ACE-Hemmer und noch deutlicher β-Blocker. Sie greifen in das gefährliche Remodelling des Herzens nach einem ersten Infarkt bzw. bei einer Herzinsuffizienz ein. Bei diesem Umbaumechanismus wird das Herz größer und die Auswurffraktion kleiner. Subjektiv geht es dem Patienten dabei relativ gut, doch ist das klinische Bild kein Maß für die Auswurffraktion. Schließlich erschöpft sich bei diesem Umbau die myokardiale Reserve und die Symptome verschlechtern sich dann sehr schnell, sodass bald der Tod eintritt. Daher muss frühzeitig in das Remodelling eingegriffen werden.

Von der Kontraindikation zur Indikation

Die β-Blocker Bisoprolol, Metoprolol und Carvedilol konnten in Studien ihre vorteilhafte Wirkung auf die Überlebensraten bei den Schweregraden NYHA II bis III der Herzinsuffizienz, d. h. bei Atemnot nach schwerer bzw. leichter Belastung, deutlich zeigen. Auch für die besonders schweren Fälle mit NYHA IV, d. h. bei Beschwerden auch in Ruhe, zeichnen sich Vorteile ab. Vergleiche zwischen den β-Blockern sind nach Einschätzung von Haberl aufgrund dieser Studien nicht möglich.

Doch sind die β-Blocker nach den derzeitigen Erkenntnissen hinsichtlich der lebensverlängernden Wirkung sogar den ACE-Hemmern überlegen. Dies hat zu einem radikalen Wandel der Therapieempfehlungen geführt. Wurden β-Blocker vor wenigen Jahren bei Herzinsuffizienz noch als kontraindiziert angesehen, gelten sie heute als wichtige lebensverlängernde Maßnahme.

Therapie mit β-Blockern

Doch verschlechtern die β-Blocker anfangs die Symptomatik, was zu einer sehr schlechten Compliance führt. Daher werden die Patienten zunächst mit Diuretika und ACE-Hemmern stabilisiert und erhalten später β-Blocker, die sehr langsam einschleichend gegeben werden müssen. Die Anfangsdosis soll nur ein Zehntel der späteren Zieldosis betragen. Sie wird dann sehr langsam alle zwei Wochen erhöht, sodass die Zieldosis erst nach zwei bis drei Monaten erreicht wird. Hämodynamische Verbesserungen ergeben sich erst nach drei bis sechs Monaten. Alter ist kein Ausschlusskriterium für die Therapie mit β-Blockern, aber ältere Patienten vertragen diese oft schlechter und entwickeln evtl. eine Bradykardie, sodass hier eine besondere Kontrolle nötig ist.

Digitalisglykoside betrachtet Haberl als Reservemedikation, die im Behandlungsverlauf erforderlich werden kann. Sie sollten daher nicht zu Beginn der Therapie der Herzinsuffizienz gegeben werden, zumal sie die Prognose nicht verbessern würden.

Diagnose der Hypertonie

Die Blutdruckmessung soll stets in Herzhöhe und zunächst an beiden Armen erfolgen. So wird die Seite mit den individuell höheren Werten ermittelt, die später für alle Messungen genutzt werden sollte. Nach körperlichen Anstrengungen sollten Ruhephasen von einigen Minuten ausreichen, um wieder die Ruhewerte zu erreichen. Systolische und diastolische Werte müssen beide betrachtet werden, da auch isolierte systolische Hypertonien vorkommen und zu Schlaganfällen führen können.

Wenn bei Messungen an mehreren Tagen erhöhte Werte gefunden werden, müssen vor einer Hypertoniebehandlung erkennbare und behandelbare Ursachen ausgeschlossen werden. Typisch hierfür sind Nierenerkrankungen wie beispielsweise chronische Pyelonephritis, diabetische Nephropathie, Glomerulonephritis, Nierentumoren und Nierenarterienstenosen. Letztere sind relativ häufig und können mit Hilfe eines Ballonkatheters schnell behoben werden. Diese Nierenarterienstenosen stellen eine absolute Kontraindikation für ACE-Hemmer dar. Denn hier ist der Renin-Spiegel reflektorisch erhöht. So kann schon nach einer einzelnen Dosis eines ACE-Hemmers der Blutdruck extrem stark abfallen und der Patient innerhalb kürzester Zeit sterben. Vor Gabe eines ACE-Hemmers muss daher eine Nierenarterienstenose ausgeschlossen werden. Außerdem sollte die erste Dosis sehr klein gewählt und unter Beobachtung gegeben werden.

Metabolisches Syndrom

Bei über 90% der Hypertoniker liegen jedoch keine behandelbaren Ursachen vor. Häufig ist vielmehr der Bluthochdruck im Zusammenhang mit dem metabolischen Syndrom. Typisch hierbei sind hohe Blutfettwerte, gestörte Glucosetoleranz, Hyperurikämie und Übergewicht. Hier sind Training und Bewegung zu empfehlen. Doch lassen sich die Cholesterin-Werte durch Diät langfristig nur um etwa 10% senken. "Normale" Werte können daher zumeist nur mit Lipidsenkern vom Statin-Typ erreicht werden, die das LDL-Cholesterin zumeist um etwa 30% senken. Hochwirksame Statine haben in Studien Senkungen von 50% bei sehr hohen Dosierungen gezeigt. Außerdem sprechen neuere Studien für vorteilhafte Zusatzeffekte der Statine wie eine direkte Proliferationshemmung am Endothel. Aufgrund dieser Zusammenhänge sollten Typ 2-Diabetiker nach Einschätzung von Haberl grundsätzlich Statine und Niedrigdosiertes ASS erhalten. Denn der Diabetes sei als "permanenter präthrombotischer Zustand" anzusehen.

Problematisch ist auch die Angabe "optimaler" Blutfettwerte. So finden sich in China und bei Naturvölkern Cholesterin-Werte um 110 bis 120 mg/dl. Sie sind praktisch nur zu erreichen, wenn man täglich hungert. So gibt es in China kaum Herzinfarkte. Ob dies vorteilhaft ist, bleibt zweifelhaft, denn dort gibt es deutlich mehr Schlaganfälle, während in Europa das Verhältnis umgekehrt ist.

Bedeutung der Risikofaktoren

Die Odds-Ration, d. h. der Faktor der Risikoerhöhung, für einen Herzinfarkt beträgt bei hohem Cholesterin-Wert etwa 2 bis 3, bei Bluthochdruck 1,5 und bei Rauchern 3. Deutlich aussagekräftiger ist der Nachweis von Kalk im Herzen, der eine Odds-Ratio von 30 aufweist. D. h. Patienten mit solchen Ablagerungen haben ein 30fach höheres Herzinfarktrisiko als Personen ohne Ablagerungen. Durch ein neuartiges Herz-Computertomogramm sind diese Ablagerungen nachweisbar. Dies könnte ein Screening ermöglichen, um Patienten zu identifizieren, die beispielsweise von einer Primärprophylaxe mit Statinen besonders profitieren würden.

Therapie des Bluthochdruckes

Der Bluthochdruck ist damit nur einer unter vielen Risikofaktoren, doch ist er einer Therapie zugänglich. Bei der Auswahl aus der Vielzahl der verfügbaren Antihypertensiva müssen besonders die Begleiterkrankungen beachtet werden. Für die Diuretika sprechen besonders ihr günstiger Preis und die gute symptomatische Wirkung. Nachteilig sind ihre Stoffwechseleffekte, da sie Hypokaliämien und damit Herzrhythmusstörungen, Hyperlipidämien und Hyperglykämien auslösen können.

ACE-Hemmer

Langfristig positiv wirken ACE-Hemmer. Sie haben in Studien vorteilhafte Wirkungen auf Lebensqualität und -dauer nachgewiesen und sind stoffwechselneutral. Vorteile von Angiotensin-Antagonisten gegenüber den ACE-Hemmern sieht Haberl nur in der verminderten Häufigkeit des Hustens, aber nicht bei der Wirkung. Denn bei den AT-Antagonisten entfällt die Wirkung über den verminderten Bradykinin-Abbau. Daher erscheine eine Kombination der beiden Substanzklassen durchaus sinnvoll.

β-Blocker

Bei der Herzinsuffizienz sind, wie oben beschrieben, β-Blocker vorteilhaft. Zudem sind sie geeignet bei Bluthochdruck in Verbindung mit koronarer Herzkrankheit oder Niereninsuffizienz. Problematisch ist jedoch ihr Einsatz bei Asthma oder Bradykardie, wobei die Patienten intensiv beobachtet werden müssen. Der Einsatz bei Diabetes ist primär eine Frage der guten Einstellung und Information des Patienten. Denn die β-Blocker verdecken die Symptome einer gefährlichen Unterzuckerung, die über den Sympathicus vermittelt werden. Dennoch können sie hier therapeutisch vorteilhaft sein. Eine klare Kontraindikation bilden dagegen periphere Durchblutungsstörungen. Die Veränderung der Trigylceride durch β-Blocker betrachtet Haberl als klinisch irrelevant.

In der Schwangerschaft können β-Blocker eingesetzt werden, während für die meisten anderen Antihypertensiva keine aussagekräftigen Daten vorliegen. In der Schwangerschaft werden außerdem Methyldopa und Dihydralazin eingesetzt, die ansonsten praktisch nicht mehr verwendet werden. Calcium-Antagonisten sollten nur in lang wirksamer Form gegeben werden und sind nach Einschätzung von Haberl nur in Sonderfällen angebracht. Sie wirken negativ inotrop und erhöhen den Sympathicus-Tonus, sodass sie nicht bei Herzinsuffizienz eingesetzt werden dürfen.

Pharmazeutische Betreuung in der Praxis

Wie diese Empfehlungen in der Praxis mit Hilfe der pharmazeutischen Betreuung umgesetzt und begleitet werden können, stellten im anschließenden pharmazeutischen Teil des Seminars Dr. Andrea Dick, München, und Ulrike Kahmen, Berlin, dar. Sie beschrieben die pharmazeutische Betreuung einerseits als eine Art Philosophie und andererseits als konkret umsetzbare Arbeitsmethode. Sie werde in den USA inzwischen sogar schon von anderen Berufsgruppen, z. B. Ärzten, ausgeübt. Die Umsetzung sollte in kleinen Schritten erfolgen und könne zunächst mit sehr wenigen Patienten beginnen. Es sei ohnehin nicht möglich, alle Patienten zu erreichen, doch sollte dies kein Grund zur Resignation sein.

Um den Zugang zu Patienten zu gewinnen, sollten deren Aussagen stets hinterfragt werden. Es gelte zu klären, ob sie tatsächlich so gut eingestellt sind, wie die Patienten meinen. Wenn es den Patienten gut geht, müsse sichergestellt werden, dass diese ihre offenbar erfolgreiche Medikation weiterhin einnehmen. Wenn Probleme auftreten, sei zu klären, ob diese aus einer Neueinstellung oder einer lange andauernden Medikation resultieren oder ganz andere Ursachen haben. Zur Interaktionsproblematik empfahl Dick, die Ärzte nach der Bedeutung etwaiger Interaktionen zu fragen, anstatt auf mögliche Interaktionsmeldungen der Apotheken-EDV zu verweisen.

Schlechte Compliance in der Hochdrucktherapie

Die pharmazeutische Betreuung sollte die Compliance der Patienten fördern. Diese ist gerade bei der Hochdrucktherapie besonders schlecht. Die Non-Compliance liegt zwischen 40 und 60% und reicht von lockerer Einnahmeweise bis zur Totalverweigerung. Denn die subjektiven Symptome des Bluthochdrucks sind zumeist nur schwach ausgeprägt. Dagegen wird durch die Therapie nur die Senkung eines statistischen Risikos und nicht einmal ein sicherer Erfolg versprochen.

Ein typisches Beispiel für problematische Compliance in der Hochdrucktherapie stellen die β-Blocker dar. Denn sie können im ersten Monat verstärkt zu Schwindel und anderen orthostatischen Beschwerden führen, die sich aber meist bessern. Sehr schwerwiegend für die Compliance ist die Impotenz durch β-Blocker, die zumeist erst nach Absetzen reversibel ist. Der Husten infolge von ACE-Hemmern wird dagegen eher toleriert, wenn die Ursache dem Patienten bekannt ist. Denn hier ist oft die Unsicherheit das größte Problem. Gerade bei den ACE-Hemmern gelte es besonders, auf deren langfristige Effekte aufmerksam zu machen. Der Blutdruck sei möglicherweise durch Sport oder andere nicht-medikamentöse Maßnahmen zu senken. Doch gelte es, auch den Organ-reparierenden Effekt der ACEHemmer ausnutzen, der sich aus der antiproliferativen und endothelschützenden Wirkung ergibt.

In der Praxis wichtig sind auch Hinweise auf die Dosierung und Einnahmezeitpunkte. So sollten Thiazid-Diuretika einschleichend dosiert werden. Statine zur Lipidsenkung, die als Prodrugs vorliegen, müssen abends genommen werden. Bei den unmittelbar wirksamen Derivaten entfällt diese Einschränkung. Dokumentation gehört dazu Einen unverzichtbarer Teil der systematischen Arbeitsweise im Rahmen der pharmazeutischen Betreuung bildet die Dokumentation. Sie bildet die Grundlage für die Überprüfung der Dosierung, Compliance, Indikation und etwaiger Interaktionen.

Die gesamten Verordnungen und auch die Selbstmedikation eines Patienten sollten in einem Medikationsprofil graphisch dargestellt werden. Anhand der Dosierungen und abgegebenen Mengen lassen sich die zeitlichen Reichweiten errechnen und graphisch veranschaulichen. Dabei können Medikationslücken oder zu häufige Verschreibungen erkannt werden, die für eine unzuverlässige Einnahmeweise bzw. eine Überdosierung oder Hortung durch den Patienten sprechen. Auch Doppelverordnungen oder potenzielle Interaktionen nach Verordnungen durch verschiedene Ärzte können so leichter erkannt werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • ACE-Hemmer senken nicht nur den Blutdruck, sondern wirken lokal proliferationshemmend und endothelschützend und damit organprotektiv.
  • Vasopeptidase-Inhibitoren hemmen ACE und die neutrale Endopeptidase (NEP), wirken damit blutdrucksenkend und bieten gute Aussichten zur Therapie der Herzinsuffizienz.
  • Blutdrucksenkung allein ist kein ausreichendes Therapieziel, wichtiger ist die Senkung des gesamten kardiovaskulären Risikos. Daher sollten auch Normotoniker mit Risikofaktoren eine Therapie mit organprotektiven Antihypertensiva erhalten.
  • Bei der Therapie der Herzinsuffizienz muss die symptomatische Behandlung von der Verbesserung der Prognose unterschieden werden.
  • Bei Herzinsuffizienz bieten β-Blocker einen Überlebensvorteil. Sie müssen sehr langsam einschleichend dosiert werden.
  • Nierenarterienstenose ist eine absolute Kontraindikation für ACE-Hemmer.
  • Die Auswahl individuell geeigneter Antihypertensiva orientiert sich wesentlich an Begleiterkrankungen.
  • Die Compliance bei der antihypertensiven Therapie ist vergleichsweise schlecht, da sie kaum auf unmittelbar erlebbare Symptome wirkt.
  • Die pharmazeutische Betreuung ist eine systematische Arbeitsweise, die schrittweise begonnen werden sollte.
  • Dokumentation gehört unbedingt zur pharmazeutischen Betreuung, insbesondere die Erfassung der Medikationsdaten.
  • Bluthochdruck, Therapie und pharmazeutische Betreuung von Hypertonikern waren das Thema eines gemeinsamen Fortbildungsseminars der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft und der Apothekerkammer Hamburg. Die Referenten betonten den jüngsten Wandel der Therapie: Nicht die Blutdrucksenkung allein ist das Ziel, sondern die Besserung sämtlicher kardiovaskulärer Risikofaktoren.

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