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Arzneimittel und Therapie
Essenzielle Spurenelemente: Zink, Eisen, Iod, Fluor, Selen – wie substit
Spurenelemente sind Elemente, die in sehr niedriger Konzentration - unter 0,01% der Gesamtkörpermasse - im menschlichen Organismus vorkommen. Erstaunlicherweise sind gerade die häufigsten Elemente der oberen Erdkruste, wie Silicium, Eisen und Mangan, im Körper nur in Spuren vorhanden.
Man unterscheidet akzidentelle (zufällige) und essenzielle Spurenelemente. Anstelle von akzidentellen sollte nicht mehr von toxischen Spurenelementen gesprochen werden, da in genügend hoher Dosierung alles toxisch sein kann.
Essenzielle Spurenelemente erfüllen fünf Bedingungen:
- Sie sind in allen lebenden, gesunden Geweben nachzuweisen.
- Ihr Entzug ruft Mangelerscheinungen hervor.
- Die Mangelerscheinungen können durch Zugabe des Elements geheilt werden.
- Die Mangelerscheinungen können einem bestimmten biochemischen Defekt zugeordnet werden.
- Die Elemente sind in physiologischen Mengen in der Nahrung vorhanden.
Anerkannte essenzielle Spurenelemente sind die vier Nicht- bzw. Halbmetalle Silicium, Fluor, Selen, Iod und die zehn Schwermetalle Vanadium, Chrom, Mangan, Eisen, Kobalt, Nickel, Kupfer, Zink, Molybdän und Zinn.
Charakteristisches Konzentrationsfenster
Essenzielle Spurenelemente sorgen in einem bestimmten Konzentrationsfenster für die Gesundheit des Organismus. Höher konzentriert wirken sie toxisch oder gar tödlich, niedriger konzentriert rufen sie Mangelerscheinungen hervor. Das Konzentrationsfenster hat für jedes Element eine charakteristische Lage und Breite.
Mangelsyndrome in der Praxis
Nur für wenige essenzielle Spurenelemente gibt es Mangelsyndrome, die in der täglichen Praxis eine Rolle spielen: Zink, Eisen, Selen und Iod. Andere Mangelsyndrome - beispielsweise für Kupfer, Mangan, Chrom und Molybdän - treten praktisch nur nach monatelanger parenteraler Ernährung auf.
Zink kommt in mehr als 100 Enzymen vor
Zink kommt in über 100 menschlichen Enzymen vor. Für Erwachsene wird eine tägliche Zufuhr von 15 mg empfohlen, für Schwangere und Stillende 20 bis 25 mg. Die Zinkzufuhr mit der Nahrung liegt in Mitteleuropa mit 11 bis 14 mg an der unteren Grenze der empfohlenen Zufuhr. Zink kommt in Krebsen, Muscheln, Austern, Fisch und Milchprodukten vor. Aus tierischen Nahrungsmitteln wird Zink besser resorbiert als aus pflanzlichen. In pflanzlicher Nahrung wird Zink (wie auch andere Spurenelemente) schlechter freigesetzt, weil es an Phytate gebunden ist.
Ein Zinkmangel verursacht an vielen Organen Symptome:
- Haut: Rötungen, Papeln, Pusteln
- Haarausfall
- Schleimhaut: atrophische Veränderungen, Durchfälle, Appetitlosigkeit
- Verringerte Geruchs- und Geschmacksempfindungen
- Wachstumsstillstand
- ZNS: z.B. Depressionen, Lethargie
- Fruchtbarkeit: Hypogonadismus
- Immunsystem: gehemmte zelluläre Immunabwehr
Wichtigstes Beispiel für einen angeborenen absoluten Zinkmangel ist die Akrodermatitis enteropathica, die auf dem Fehlen des Resorptionsfaktors für Zink beruht. Sie zeichnet sich durch massive Haut- und Schleimhautveränderungen aus.
Ein absoluter Zinkmangel kann aber auch induziert werden:
- durch Leber- oder Niereninsuffizienz
- durch komplexierende Arzneistoffe, die langfristig angewendet werden: z.B. Dimercaptol, Penicillamin, Captopril
- durch Ernährungsdefizite, zum Beispiel parenterale Ernährung, Formuladiäten, einseitige Ernährung, Schwangerschaft
Um einen Zinkmangel nachzuweisen, genügt es nicht, die Zinkkonzentration im Blut zu bestimmen. Zusätzlich müssen Urin, Haare und Enzymaktivitäten untersucht werden.
Es gibt nämlich auch einen relativen Zinkmangel, der nicht behandelt werden braucht. In akuten Stress-Situationen, nach Herzinfarkt oder Operationen, sinkt die Zinkkonzentration im Blut vorübergehend, weil Zink in Gewebe-Kompartimente umverteilt wird.
Ein Zinkmangel kann durch orale Gabe ionischer Zinkverbindungen behandelt werden. Da Zinksulfat durch Reizung der Magenschleimhaut Übelkeit und Erbrechen hervorrufen kann, sollte auf organische Zinkverbindungen ausgewichen werden: Zinkaspartat, -gluconat, -orotat oder -histidinat. Man beginnt mit einer Tagesdosis von 6 mg und steigert bei guter Verträglichkeit schrittweise bis auf 50 mg Zinkionen. Diese Dosis ist auch in Schwangerschaft und Stillzeit unproblematisch.
Eisen: besser aus tierischen Nahrungsmitteln
Für Erwachsene und Kinder über zehn Jahren werden etwa 12 bis 20 mg Eisen pro Tag empfohlen. Mit durchschnittlich 6 bis 14 mg in der Nahrung ist die mitteleuropäische Bevölkerung etwas unterversorgt. Eisen wird aus tierischen Nahrungsmitteln besser resorbiert als aus pflanzlichen.
Ein Eisenmangel-Status sollte sorgfältig diagnostisch abgesichert werden, um eine unkritische Verordnung von Eisenpräparaten zu vermeiden. Die Häufigkeit eines Eisenmangels wird insbesondere bei Frauen überschätzt. Bei einer Monatsblutung verlieren Frauen im Durchschnitt nur etwa 30 ml Blut. Eisenpräparate sind längst nicht so harmlos, wie im Allgemeinen angenommen wird: 2 g Eisenionen (eine N2-Packung) sind für ein Kleinkind potenziell tödlich.
Iodid: eine Fischmahlzeit pro Tag
Von der WHO werden für Erwachsene und Kinder über zehn Jahren 150 bis 200 µg Iodid in der täglichen Nahrung empfohlen. In der Schwangerschaft und Stillzeit ist der Bedarf erhöht (175 bis 210 µg bzw. 200 bis 240 µg). Viele Regionen Deutschlands, neben Bayern beispielsweise auch Nordrhein-Westfalen, sind aus geologischen Gründen Iodmangelgebiete. Einen hohen Iodidgehalt weisen lediglich Meeresprodukte auf: Eine Fischmahlzeit pro Tag genügt, um den Iodid-Tagesbedarf zu decken.
Eine sinnvolle Maßnahme gegen die Iodid-Unterversorgung ist die Verwendung von iodiertem Speisesalz zum Kochen. Achtung: So genanntes Meersalz mit Iodid enthält nur Spuren von Iodid und genügt daher nicht!
Ein Iodmangel führt zu:
- Erhöhtem Schilddrüsenvolumen bei noch euthyreoter Stoffwechsellage (bedarf noch keiner Therapie)
- Sichtbarem Iodmangelkropf (mit Iodid behandeln)
- Myxödem (talgiger Einlagerung von Mucopolysacchariden in der Haut)
- Zentraler und peripherer Stoffwechsel-Verlangsamung
- Irreversiblen ZNS-Entwicklungsstörungen/endemischem Kretinismus (bei lang anhaltender Unterversorgung im Kindesalter)
Die Schilddrüse toleriert bis zum Fünf- oder Zehnfachen der normalen Iodidaufnahme.
Fluorid schützt Zähne und Knochen
Für Fluorid ist eine kariesprotektive Wirkung belegt. Die Fluoridgabe im ersten Lebensjahr (1 mg) und darüber hinaus ist sinnvoll, weil sie die Karieshäufigkeit verringert. Fluorid verändert die Morphologie der Zahnoberfläche. Anstelle von Apatit- bilden sich Fluorapatitkristalle.
Im Rahmen der Osteoporose-Behandlung stimuliert Fluorid die Aktivität der Osteoblasten. Eine weitere biologische Funktion von Fluorid scheint die Aktivierung des Enzyms Adenylatcyclase zu sein. Für Erwachsene und Kinder über zehn Jahren wird eine tägliche Aufnahme von 1,5 bis 3 mg Fluorid mit der Nahrung empfohlen. Die durchschnittliche Aufnahme mit der Nahrung beträgt jedoch nur 0,5 bis 1,5 mg. Besonders fluoridreich sind schwarzer Tee und Meeresfische.
Eine chronische Fluoridvergiftung nach exzessiver Fluoridzufuhr äußert sich in Form einer Dentalfluorose als gelblich-braune Flekken des Zahnschmelzes und als Osteofluorose mit schweren Knochenveränderungen. Die Osteofluorose wurde im Zusammenhang mit dem Osteoporosemedikament Ossin beobachtet und tritt heute praktisch nicht mehr auf.
Selen: Hauptlieferant ist Fleisch
Der tägliche Selenbedarf wird auf 50 bis 200 µg geschätzt. Deutschland gehört zu den Selenmangelländern. Die Hauptmenge wird hier mit Fleisch aufgenommen. Schon bei normaler Mischkost, besonders aber bei einseitiger Ernährung besteht eine leichte Unterversorgung. Selen-abhängige Eiweiße sind Glutathionperoxidasen, Iodthyronindeiodasen, Selenoprotein P und Thioredoxinreductasen. Sie übernehmen Aufgaben im Schilddrüsenhormon-Stoffwechsel, schützen vor reaktiven Sauerstoffverbindungen, wehren eine DNA-Schädigung durch Radikale ab und modulieren den Redox-Status der Zelle.
Ein Selenmangel scheint einen Zusammenhang zu haben mit:
- Muskeldystrophien
- Erhöhter Krebsindzidenz
- Erhöhter Thrombosegefahr, vermehrtem Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen
- Keshan-Krankheit, einer kongestiven Herzinsuffizienz bei Kleinkindern in China
Während die Prophylaxe von Krebserkrankungen durch Selengaben bislang nicht eindeutig reproduzierbare Erfolge zeigte, hat die komplementäre Selentherapie bei Tumorpatienten eindeutige Wirkungen:
- Sie stabilisiert das Immunsystem.
- Sie reduziert Zytostatika-Nebenwirkungen und Resistenzen.
- Sie verringert Nebenwirkungen einer Strahlentherapie.
- Sie reduziert die Tumorneubildung (auch die Metastasenbildung).
- Sie senkt das Ödemvolumen bei Lymphödemen.
Zur Selentherapie wird vor allem Natriumselenit eingesetzt. Bei einer üblichen Selendosis von 50 µg kommt es kaum zu Überdosierungen, selbst die zehnfache Dosis wird toleriert.
Quelle: Prof. Dr. Hans Peter Bertram, Witten, Regionalfortbildung "Spurenelemente und Mineralstoffe", Münster, 22. Februar 2001, veranstaltet von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
Mangelerscheinungen sind vor allem für die Spurenelemente Zink, Iod und Selen bekannt. Wichtiger als Präparate zur Substitution ist zunächst die Ernährungsberatung. Zur gezielten Substitution sind Monopräparate zu bevorzugen. Multielementpräparate sind oft wenig sinnvoll, da es hier (zum Beispiel Eisen, Mangan plus Kupfer) zu Resorptionsbehinderungen kommen kann. Bei den entsprechenden Präparaten sollte immer auch auf Gefahren durch Überdosierung und Interferenzen mit anderen Spurenelementen, Medikamenten und Nahrungsbestandteilen hingewiesen werden.
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