Feuilleton

Ausstellung: Der Mann aus dem Eis

"Der Mann aus dem Eis" ist das Thema einer Wanderausstellung, die bis Ende April im Museum Schloss Moritzburg in Zeitz zu sehen ist. Gezeigt wird eine Fotodokumentation über den Fund eines steinzeitlichen Menschen im Ötztal vor knapp zehn Jahren mit erläuternden Texten zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen.

An einem Herbsttag im Gebirge

Der Aufstieg zum Tisenjoch mag beschwerlich gewesen sein. In 3278 Meter Höhe beim Similaun suchte sich der Wanderer in einer flachen Felsmulde einen Rastplatz. Vielleicht gerade noch rechtzeitig vor Sonnenuntergang. Die herbstliche Natur hatte den Tisch reichlich gedeckt. So hatte der Mann zumindest bis zur Waldgrenze in 2300 Meter Höhe reife Schlehdornbeeren und Birkenporlinge sammeln können.

Das Getreide, das er möglicherweise selbst angebaut hatte, und die Spitzahornblätter hatte er fast aufgezehrt. Von den 14 Pfeilen im Köcher konnte er nur noch zwei gebrauchen, der Bogen aus Eibenholz war nicht einsatzbereit, weil unfertig. Kein Wunder, dass der Mann nur noch 45 Kilogramm wog.

Warum der Mann die Rast nicht überlebte, ist bisher nicht erwiesen. 5300 Jahre sollten vergehen, bis seine Leiche ans Tageslicht gefördert wurde und als "Ötzi" Wissenschaftler in aller Welt herausforderte.

Seit dem Fund und der anschließenden Bergung des neolithischen Wanderers am 23. September 1991 sind beinahe zehn Jahre vergangen. Zwar konnten zahlreiche Fragestellungen inzwischen wissenschaftlich abgeklärt werden. Dennoch bleibt die Art seiner Mumifizierung bisher etwas Einzigartiges.

Datierung und anatomische Untersuchung

Im gerichtsmedizinischen Seziersaal in Innsbruck war die Leiche vollständig aufgetaut worden und begann schon zu veralgen, doch gelang es, den zerstörerischen Algenbefall wieder zu entfernen. Die Altersbestimmung erfolgte durch den Vergleich des Beiles und der Art seiner Schäftung mit adäquaten Funden. Bei weiteren Untersuchungen im Institut für Anatomie der Universität Innsbruck stellte sich dann heraus, dass "Ötzi" keine Gletscherleiche im üblichen Sinn ist, also nicht direkt in Schnee und Eis umgekommen ist.

Die lederartige, aber bewegliche Haut deutet auf eine Feuchtmumifizierung hin. Körperflüssigkeiten und Fette wurden teilweise entzogen, doch scheinen die Zellen intakt geblieben zu sein. Die Gründe dafür sind kaum nachvollziehbar. Möglicherweise trocknete die Leiche infolge wochenlanger Föhneinwirkung allmählich aus. Danach wurde sie vielleicht während eines Schneefalls bedeckt und schließlich vom Eis eingeschlossen.

Auch gibt es bisher keine Erklärung dafür, warum der Tote nicht durch Raubvögel angerührt wurde. Sogar die Pupillen sind erhalten geblieben, und eine zweifache Computertomographie ergab, dass die inneren Organe noch vorhanden sind.

40 Jahre alt?

Mit einer Körpergröße von knapp 1,60 Meter ist die Statur des Mannes charakteristisch für die Population der Jungsteinzeit. "Ötzis" Lebensalter konnte indessen bisher nicht exakt bestimmt werden. Das Fehlen der Weisheitszähne deutet nur scheinbar darauf hin, dass er etwa 25 Jahre alt wurde. Denn bei 38 Prozent der neolithischen Bevölkerung des Alpenbogens waren keine dritten Molaren vorhanden.

Nach orthopädischen Erkenntnissen wiederum könnte das Alter des Mannes aus dem Eis aufgrund einer beginnenden Arthrose auf etwa vierzig Jahre geschätzt werden. Ebenso wenig ist bisher seine Herkunft exakt abgeklärt.

Neolithische Kulturen

Aus dem Inntal sind bisher zwar keine Siedlungen aus der Jungsteinzeit bekannt. Wohl aber aus dem Etschtal, wo sie sich, beginnend bei Schloss Juval, dicht aneinander reihten. In dieser Region belegen archäologische Funde sowohl Einflüsse der donauländischen Altheimer Gruppe wie auch von Schweizer Kulturen. Für das Trentino ist nachgewiesen, dass dort im vierten Jahrtausend vor Christus Kupfer gewonnen wurde. Auch in der Mondsee-Kultur der nördlichen Ostalpen war dieses Metall bekannt. Die Schweizer Gruppen Pfyn und Horgen weisen indessen besonders enge Bindungen zum Fund vom Similaun auf.

Ort: Museum Schloss Moritzburg Zeitz, Schlossstraße 6, 06712 Zeitz, Tel. (03441) 212546. Geöffnet: dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.

Kastentext: Klimaänderung

Als "Ötzi" den Alpenkamm überquerte, waren die Durchschnittstemperaturen höher als heute. Die Mulde, in der er akkurat sein Gerät abstellte, um zu rasten, war damals nicht vereist.

Botanischen Untersuchungen in der Umgebung der Fundstelle zufolge lag im vierten Jahrtausend vor Christus die Waldgrenze bei einer Höhe von 2300 Metern. Aufgrund der Klimaverschlechterung und infolge von Weidenutzung gibt es in den Alpen heute meistens nur noch bis zu 1900 Meter Höhe Umweltbedingungen, die Bäumen zusagen.

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