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Praxis
W. SchlemmerReisemedizin – Was gibt es Neues?
Entwicklung von Malariaprophylaktika
Die Prinzipien der Malariaprophylaxe bestehen in der mechanischen und chemischen Mückenabwehr, der kontinuierlichen Chemoprophylaxe, der Notfall-Selbststherapie (Stand-by) und der Impfung. In der mechanischen Mückenabwehr dominieren die Moskitonetze auch bei der Malariabekämpfung in den endemischen Gebieten. Neuerungen gibt es bei den Repellents in Form von höheren DEET-Konzentrationen und neuen Substanzen wie Dicaribin (Hepidanin). Letztere führen zu einer Konfusion der sensorischen Reize durch L-Milchsäure, NH3 und Carbonsäuren. In 80 Prozent der 92 Malaria-endemischen Länder gibt es Chloroquin-Resistenzen. In der kontinuierlichen Malariachemoprophylaxe wird deshalb zunehmend Mefloquin bevorzugt, beim Militär auch Doxycyclin.
Im tropischen Afrika ist die Inzidenz der Malaria 4 Prozent, d. h., ohne Chemoprophylaxe erkranken 400 von 10 000 Reisenden, bei einer Letalität von 1 Prozent bedeutet dies den Tod von 4 Reisenden. Mit Mefloquin-Prophylaxe erkranken nur 2 bis 40 von 10 000 Personen. Die Malariaprophylaxe gilt für die Verhältnisse in entwickelten Ländern als äußerst ökonomisch, da im Durchschnitt die Kosten der Prophylaxe nur ein Zehntel der Therapiekosten betragen.
Kürzlich wurden auch die Atovaquon/Proguanil-Studien bei nicht immunen Reisenden abgeschlossen, wobei sich die gleiche Wirksamkeit wie für Mefloquin abzeichnet bei deutlich geringeren Nebenwirkungen. Das Medikament ist als fixe Kombination in Deutschland in der Zulassung für die Prophylaxe. In Dänemark ist es bereits zugelassen, in den USA auch für Kinder.
Mit einer dreitägigen Tafenoquin-Prophylaxe konnten Probanden im endemischen Gebiet für 11 Wochen parasitenfrei gehalten werden. Hier sind weitere Studien sinnvoll, wenn auch nicht gesichert, da das zukünftige parasitologische Engagement des Patenthalters wegen einer kürzlich stattgefundenen Fusion noch nicht feststeht.
Die Industrie zieht sich zunehmend aus der Entwicklung von Malariamedikamenten zurück. Es ist daher begrüßenswert, dass versucht wird, von Seiten öffentlicher Forschungseinrichtungen die Lücke zu füllen. Ein aktuelles Beispiel betrifft Fosmidomycin, das bereits in vitro bei der Mäusemalaria erfolgreich war und nun im endemischen Gebiet im Rahmen von Phase-II-Studien mit ermutigenden vorläufigen Ergebnissen untersucht wird.
Von den Wirkstoffen des ältesten bekannten Malariamedikaments (Qinghaosu), nämlich Artemether, Arteether (Artemotil) und Artesunat wird man in Zukunft wohl noch weitere Medikamente erwarten dürfen, die unter CMP-Bedingungen hergestellt werden. Sie sind allerdings wegen der kurzen Halbwertszeit nur als Stand-by und nicht als kontinuierliche Prophylaktika geeignet. Die kurze Halbwertszeit bedeutet aber auch, dass es kaum zu Resistenzentwicklungen kommt. In der Schweiz ist Artemether in der Kombination mit Lumefantrin zugelassen. Für Deutschland wird die Zulassung erwartet.
Anwendbare Malariaimpfstoffe gibt es weiterhin nicht. Möglicherweise wirksame Kandidaten sind CSP-Plasmid-DNA, CSP-NANP-HBs-Fusionsproteine mit speziellen Adjuvanzien und rekombinantes MSP-1 als Protein oder in Masernimpfvirus.
Derzeit gibt es zehn länderbezogene Strategien der Malaria-Chemoprophylaxe: 1. Keine Chemoprophylaxe 2. Bei Fieber Abklärung 3. Chloroquin als Stand-by 4. Mefloquin oder Malarone als Stand-by 5. Prophylaxe mit Chloroquin 6. Prophylaxe mit Chloroquin und Proguanil, 7. Prophylaxe mit Chloroquin und Stand-by (siehe 4.) 8. Prophylaxe mit Chloroquin und Proguanil und Stand-by (siehe 4.) 9. Prophylaxe mit Mefloquin oder Malarone 10. Prophylaxe mit Doxycyclin (bis 120 Tage)
Tauchmedizinische Aspekte der Reisemedizin
Sporttauchen hat sich zu einem Trendsport mit ca. 1,5 Millionen weltweit von Deutschland aus aktiven Taucherinnen und Tauchern entwickelt. Neben den heimischen Binnengewässern werden vorwiegend Fernreiseziele bevorzugt, die teilweise exotische Unterwassererlebnisse hinsichtlich Fauna und Flora versprechen. Die spezifischen geografischen, klimatischen und kulturellen Bedingungen an diesen Fernreisezielen bilden den Hintergrund für erweiterte allgemeine und individuelle Risiken für den Taucher.
Das allgemeine Risiko ist gekennzeichnet durch eine reduzierte medizinische Infrastruktur, meist gekoppelt mit dem völligen Fehlen tauchmedizinisch kompetenter akuter Interventionsmöglichkeiten. Verfügbare Druckkammeranlagen mit ausgebildetem Fachpersonal sind nach wie vor die marginale Ausnahme auch an den bevorzugten Tauchspots der Welt.
Häufig sind die Reisezeiten so kurz, dass physiologische, immunologische und vegetative Adaptationsprozesse inkomplett bleiben und interindividuell differente Risikolevel für Taucher ausgebildet werden. Dabei zeigen sich als typische individuelle Risiken eine klimabedingte partielle Elektrolytverschiebung bei unzureichendem Trinkverhalten (Alkohol), häufig in Kombination mit einer rheologisch wirksamen Dehydratation.
Beim Taucher sind hierfür vor allem die durch die Immersion ausgelöste Rechtsherzvorlast mit vermehrter Diurese, ergänzt um den Flüssigkeitsverlust, der über die Atmung von technisch hochgetrockneter Pressluft (maximal 50 mg/m3 als Vereisungsschutz) ausgelöst wird, verantwortlich. Trainingsmangel bei Überschätzung der eigenen Leistungsreserven birgt vor allem bei rifftypischen Unterwasserströmungen weitere Risiken.
Zwingen Krankheitssymptome oder Chemoprophylaxe zur Einnahme von Medikamenten wie zum Beispiel Antihistaminika, Antibiotika oder Metoclopramid, die Einfluss auf Stoffwechsel, Flüssigkeitshaushalt oder Neurologie haben, ist grundsätzlich auf das Tauchen zu verzichten, nicht steroidale Antirheumatika sind kein Problem. Die Mehrzahl der bevorzugten Tauchreviere wie Karibik, nördliches Rotes Meer, Malediven liegt nicht in Malariarisikogebieten. Jedoch werden auch Tauchreisen in Regionen, die nach WHO zu den Hochrisikogebieten für Malaria zählen, angeboten. In diesen Gebieten mit Multiresistenzen wird regelmäßig die Chemoprophylaxe mit Mefloquin empfohlen.
Das bekannte, vor allem neurovegetative Nebenwirkungsspektrum dieses Prophylaktikums steht in klarem Widerspruch zur Erfordernis der "fitness to dive". Primär ist hier bei kritischer Würdigung der Begleitumstände auf Alternativpräparate wie zum Beispiel die Kombination von Chloroquin und Proguanil zurückzugreifen. Nur bei längerer Erfahrung mit der individuellen Verträglichkeit von Mefloquin unter Verzicht von Tauchgängen in der Phase der Plasma- und Erythrozytenverteilung (1 bis 2 Tage) kann im Einzelfall auch bei Tauchreisen auf dieses in Resistenzgebieten unverzichtbare Medikament zurückgegriffen werden.
Taucher haben oft unliebsame Begegnungen mit Stechrochen, Rotfeuerfisch, Petermännchen, Korallenwels usw. Die befallenen Extremitäten sollen nicht hochgelagert, der Stachel entfernt und Opiate und Corticoide systemisch verabreicht werden. Der Rückflug am Ende der Tauchreise darf wegen des reduzierten Kabinendrucks im Verkehrsflugzeug frühestens 24 Stunden nach dem letzten Tauchgang angetreten werden. Nach Wiederholungstauchgängen ist ein Intervall von 48 Stunden zu berücksichtigen.
Eine regelmäßige taucherärztliche Untersuchung sollte für jeden Tauchbegeisterten so selbstverständlich sein wie eine sichere Ausrüstung. Die Deutsche Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GETÜM, www.getuem.org) gibt hierfür Empfehlungen und Listen qualifizierter Ärzte auf privatrechtlicher Basis heraus. Mit Rechtsgrundlage auch für den gesamten Bereich der professionellen Taucherei gilt der Untersuchungsgrundsatz "G31 Überdruck", der von berufsgenossenschaftlich speziell ermächtigten Hyperbarmedizinern in der Vorsorgeuntersuchung von Tauchern Anwendung findet (www.hvbg.de).
Sicherheitsbewusste Taucher, die flacher als 30 m und sicher in der Nullzeit tauchen, sind mit einem geringen Tauchunfallrisiko von 1 : 40 000 belastet. Unter Berücksichtigung aller Tauchgänge über 30 m steigt das Risiko mit 1 : 7000 auf ein Vielfaches. Von den ca. 900 000 von Deutschland aus regelmäßig weltweit aktiven Tauchern verunglücken jährlich ca. 250 mit schweren neurologischen Symptomen, bei ca. 50 Tauchern endet jährlich der Tauchgang tödlich.
Eine konsequente Ausbildung, eine enge Beachtung der präventivmedizinischen Empfehlungen, einschließlich der speziellen arbeits- und reisemedizinischen Belastungs- und Beanspruchungsprofile, gehören zusammen mit regelmäßiger Vorsorgeuntersuchung und der kritischen Einschätzung der eigenen Taucherfahrung zur Grundlage der Risikominimierung beim Tauchen.
Neue reise- und tropenmedizinische Leitlinien
Leitlinien sind definiert als "systematisch entwickelte Entscheidungshilfen über die angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen" (eine aktuelle Übersicht zur Übersicht von Leitlinien befindet sich in der Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssicherung, Supplement 1, Januar 2001). Leitlinien sollten einfach (checklistenartig), aber auch umfassend sein. Sie sollen die Diagnostik, Indikation, Gegenindikation, Therapie einschließlich adjuvanter Maßnahmen und Nachbehandlung enthalten. Bei der Therapie kann abgestuft werden. Es sollen die Bedingungen, unter denen eine Therapie empfehlenswert oder auch nicht empfehlenswert ist, genannt werden.
Leitlinien sollten folgende Fragen beantworten: Was ist notwendig? Was ist in Einzelfällen nützlich? Was ist überflüssig? Was ist obsolet? Was muss stationär behandelt werden? Was kann ambulant behandelt werden? Seit 1995 koordiniert die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaft (AWMF) – angeregt durch eine Empfehlung des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen – die Erarbeitung von Leitlinien durch die Mitgliedsgesellschaften.
Die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG) als Mitgliedsgesellschaft der AWMF hat folgende Leitlinien vorgelegt:
- Diagnostik und Therapie der Malaria
- Diagnostik und Therapie der Amöbenruhr
- Diagnostik und Therapie des Amöbenleberabszesses
- Diagnostik und Therapie Kala-Azar.
Eine Leitlinie zur Schistosomiasis wird in den nächsten Wochen folgen. International liegen nur wenige Leitlinien zu Tropenkrankheiten vor. Dies liegt an folgenden Problemen:
- Zu viele Fragestellungen, keine klinischen Studien
- Ergebnisse klinischer Studien in der Dritten Welt nicht auf Industrienationen übertragbar
- Wenige Metaanalysen.
Die DTG publiziert regelmäßig leitlinienartige Empfehlungen zur Malariaprophylaxe und zu Impfungen (zu beziehen durch DTG-Infoservice, Postfach 40 04 66, 80704 München).
Differenzialdiagnose von Dermatosen nach Fernreisen
Prophylaxe und Therapie von so genannten Tourismus- oder Urlaubsdermatosen richten sich prinzipiell gegen
- ungewohnte Klimaeinflüsse,
- Exazerbation von vorhandenen Hauterkrankungen, wie beispielsweise Neurodermitis, rezidivierendem Herpes simplex u. a. und
- Krankheiten, die in der besuchten Region epidemiologisch eine Rolle spielen.
Das Wissen über einfache therapeutische Maßnahmen kann dem Reisenden sehr viel Ärger ersparen. Hieraus ergeben sich die Empfehlungen für Dermatologika in der Reiseapotheke:
- Lichtschutz für Haut und Lippen,
- Hautpflegemittel,
- desinfizierende Tinkturen,
- eine Corticoidcreme,
- Repellenzien,
- Antihistaminika und natürlich
- Pflaster und Wattestäbchen.
Auch wenn die von Dermatologen empfohlenen prophylaktischen Maßnahmen sorgfältig durchgeführt werden, kommt es immer wieder zu Hauterkrankungen bei Reisen. Hierbei handelt es sich nicht immer um exotische Erkrankungen, sondern in der Regel um auch in den gemäßigten Klimazonen bekannte Hautkrankheiten, die in tropischen Regionen häufig einen schwereren Verlauf zeigen.
Äußerst lästig sind Insektenstichreaktionen, wie sie nach Mückenstichen, Floh- und Wanzenbissen, für Wochen, aber auch für Monate, beobachtet werden können. Ganz im Vordergrund steht bei allen Patienten der quälende Juckreiz. Unerklärt ist ein häufig schubweiser Verlauf der Erkrankung, in dem stark juckende Pappeln schubweise auftreten können, ohne dass neue Insektenstiche beobachtet werden. Zur Therapie reicht die Applikation von Corticoid-haltigen Salben niemals aus. Die besten Therapieerfolge hat man mit der intrafokalen Injektion von Corticosteroiden als Kristallsuspension.
Bakterielle Erkrankungen wie oberflächliche Pyodermien oder multiple Abszesse werden auch in tropischen Regionen durch die hier vorkommenden Erreger verursacht, treten allerdings in höherer Inzidenz auf. Besonders ulzeröse Pyodermien bedürfen einer sorgfältigen Differenzialdiagnose, um relativ seltene Infektionen wie z. B. mit atypischen Mykobakterien auszuschließen. Die medikamentöse Behandlung ist oft mit chirurgischen Maßnahmen zu kombinieren.
Ähnlich häufig wie bakterielle Infektionen treten oberflächliche Infektionen durch Pilze besonders in Ländern mit warmem Klima auf. Da die Kontagiosität und Virulenz einiger in den Tropen vorkommenden Dermatophyten größer sind, sollte bei Infektionen, beispielsweise mit Trichophyton violaceum, nach der exakten Diagnosestellung immer systemisch behandelt werden.
Von den Protozoonosen wird die Leishmaniasis am häufigsten bei Besuchern von Tropen und Subtropen gesehen. Falls keine Spontanheilung auftritt, kann die Behandlung kryochirurgisch erfolgen. In Ausnahmefällen muss fünfwertiges Antimon eingenommen werden.
Von den Erkrankungen durch Würmer und Larven spielt die "sreeping eruption" (Hautmaulwurf, Larva migrans cutanea) für den Dermatologen eine herausragende Rolle. Zur Behandlung eignet sich Thiabendazol 10 bis 15 Prozent in Salbe oder Albendazol (Escazole®) 400 mg 1 bis 3 Tage oder Ivermectin 200 mg (Stromectol®) als Einmaldosis.
Erkrankungen durch Gifttiere sind selten, kommen aber immer wieder vor und können den Abbruch einer Urlaubsreise erzwingen. Hierzu gehören beispielsweise Verletzungen durch Nesselquallen. Je nach Ausmaß ist am Urlaubsort eine Schocktherapie notwendig. Die Betroffenen müssen aus dem Wasser geholt und die Nematozisten und Tentakeln mit trockenem Sand oder einer alkoholischen Lösung (z. B. Rumgetränk) entfernt werden. Der Entfernungsversuch mit Süßwasser ist kontraindiziert. Nach Rückkehr ins Heimatland sind häufig chirurgische Maßnahmen bei schlecht heilenden Ulzerationen indiziert. Letzteres gilt insbesondere auch bei Hautverletzungen durch Giftfische, z. B. den so genannten Stone-Fisch oder Süßwasserstachelrochen.
Versorgung von Kindern in der Reise- und Immigrantenmedizin
Die Empfehlungen zu Reiseimpfungen und zur Malariaprophylaxe bei Kindern entsprechen im Wesentlichen denen der Erwachsenen, die sich an der Art, Dauer und den Zielen der Reise orientieren. Zusätzlich müssen altersspezifische Zulassungsbeschränkungen, Dosierungen, Nebenwirkungen, Impfantworten, Gesundheitsgefährdungen und damit spezifische Nutzen-Risiko-Analysen berücksichtigt werden.
Die Impfungen entsprechend der STIKO-Empfehlungen sollten altersentsprechend gegeben worden sein, gegebenenfalls sind Impflücken anlässlich der Reise zu schließen. Banale Infektionen mit einer Körpertemperatur bis 38,5 Grad Celsius sind ebenso wenig Kontraindikationen wie Krampfanfälle oder neurologische Erkrankungen in der Familienanamnese. Bei bekannter Epilepsie des Impflings ist eine sorgfältige Abwägung und gegebenenfalls eine Antipyretikagabe erforderlich. Im Einzelnen sind bei den Impfungen zu berücksichtigen:
- Gelbfieberimpfung ab 6. Lebensmonat zugelassen.
- Indikation der aktiven Hepatitis-A-Impfung zwischen 2. und 6. Lebensjahr, zumal der Nachweis, dass die Impfung vor Ausscheidertum schützt, fehlt.
- Halbe Dosis des in Deutschland nicht zugelassenen Totimpfstoffes gegen Japanische Enzephalitis bei Kindern im 2. und 3. Lebensjahr, wenn die Indikation aufgrund eines Langzeitaufenthaltes gestellt wird.
- Unsicherer bis fehlender Impfschutz bei reinen Polysaccharidimpfstoffen bei Kindern unter 2 Jahren wie zum Beispiel Meningokokken-Meningitis und parenteraler Typhusimpfstoff.
- Kürzere Inkubationszeiten der Tollwut bei Kleinkindern aufgrund der bevorzugten Bissverletzungen im Nacken und Kopfbereich, ab 2 Jahre impfen.
- Cholera ist für Kinder keine Indikation.
Da eine Tropenexposition mit einem erhöhten Infektionsrisiko einhergeht, ist eine Routinediagnostik zu erwägen. Während bei Kindern nach Urlaubsaufenthalten bis zu vier Wochen nur bei Auftreten von Symptomen nach Tropenkrankheiten gesucht werden sollte, wird eine Nachuntersuchung gemäß dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G35 (berufsbedingter Familienaufenthalt) bei Langzeitaufenthalten auch der Kinder empfohlen.
Bei Immigranten, bei internationalen Adoptionen und bei vorübergehendem Aufenthalt von Tropenbewohnern zu medizinischen Behandlungen in Deutschland werden Routineuntersuchungen zum Nachweis potenziell therapierbarer Krankheiten, komplizierender oder die Entwicklung beeinträchtigender Tropenkrankheiten empfohlen. Während bei Immigranten und Adoptierten die Diagnostik innerhalb von Monaten komplettiert werden kann, sollte sie bei Kindern, die zu medizinischen Behandlungen nach Deutschland kommen, möglichst vor den geplanten operativen Eingriffen abgeschlossen sein.
Algorithmus der Fieberdiagnostik nach Fernreisen
Mit vielen der weltweit verbreitetsten Krankheiten kommen Europäer nur anlässlich von Fernreisen in Berührung. Fieber ist neben Diarrhöen eine der häufigsten Gesundheitsstörungen während und nach Tropenreisen. Es geht beim Fernreisenden in erster Linie darum, möglichst rasch potenziell lebensbedrohliche, oft aber gut therapierbare Erkrankungen zu erkennen oder auszuschließen. Dabei spielt die rasche Malariadiagnostik eine überragende Rolle.
Nach bestimmtem Schema ablaufende Untersuchungsvorgänge (Algorithmen) helfen, rasche Entscheidungen zu treffen. 2 Prozent der Reisenden haben Fieber, 39 Prozent nur während, 37 Prozent während und nach und 34 Prozent nur nach der Reise. Bei der Abklärung von Fieber unbekannter Ursache spielt Fieber durch tropentypische Infektionen (Malaria, Typhus, Amöben) eine zahlenmäßig nur kleine, aber sehr wichtige Rolle. Hilfreich in der Differenzialdiagnostik können der Fiebertyp und das Auftreten von Begleitsymptomen (Hauterscheinungen z. B. bei Parasitosen, Lymphadenopathien, Splenomegalie usw.) sein.
Antworten auf genaue Fragen nach Reiseziel und Stil der Reise geben entscheidende Hinweise, die dann mittels klinisch-chemischer parasitologischer und bakteriologischer Stufendiagnostik unter eventueller Zuhilfenahme bildgebender Verfahren weiter verfolgt werden müssen. Nicht an der Publizität bestimmter Krankheiten darf sich der diagnostische Prozess orientieren, sondern an ihrer Häufigkeit. So ist zu beachten, dass es weltweit jährlich 400 Mio. Malariaerkrankungen mit 2 Mio. Todesfällen gibt. Auch die Zahlen von Giardiasis (500 000) und Amöbiasis (480 000) sind sehr hoch.
Importierte Infektionen aus europäischer Sicht
In Deutschland gibt es derzeit 9 Prozent Ausländer. Davon stammen 25 Prozent aus der EU, 28 Prozent aus der Türkei und 17 Prozent aus dem ehemaligen Jugoslawien, 6 Prozent aus tropischen Ländern. Als Folge der enorm gestiegenen internationalen Migration spielt der Import von Infektionskrankheiten nach Europa eine zunehmend wichtige Rolle. Dies zeigt sich nicht nur anhand der Einschleppung häufiger Tropenkrankheiten wie der Malaria (ca. 10 000 bis 12 000 gemeldete Fälle pro Jahr), sondern es muss in Einzelfällen auch mit dem Import von Hochrisikopathogenen (z. B. Filoviren, Lassa-Virus, Pest) gerechnet werden.
Das Spektrum importierter Infektionen bei europäischen Reisenden und bei Immigranten aus außereuropäischen Ländern weist erhebliche Unterschiede auf. Während bei Touristen Reisediarrhö, Atemwegsinfektionen, Malaria, Hepatitis A und Dengue-Fieber im Vordergrund stehen, ist bei Immigranten zudem mit Infektionen zu rechnen, die in den Herkunftsländern hohe Prävalenz- und Inzidenzraten aufweisen (z. B. Tuberkulose, HIV-Infektion, Hepatitis B und C, intestinale Parasitosen). Schließlich ist auch an ungewöhnliche Importwege zu denken wie Flughafen- oder Gepäck-Malaria (über 70 dokumentierte Fälle in Europa seit 1969), Übertragungen durch Blut, importierte Zahlungsmittel oder diaplazentar.
Bei den meisten tropenspezifischen Infektionen besteht kein Risiko der weiteren Übertragung in Europa, da geeignete Bedingungen (z. B. Vektoren, Zwischenwirte) fehlen. Allerdings liegen in manchen europäischen Regionen potenzielle Voraussetzungen vor wie etwa für die Übertragung der Malaria geeignete Anopheles-Mücken.
Bei einigen ubiquitär verbreiteten, heute jedoch zunehmend als Importerkrankungen auftretenden Infektionen besteht ein substanzielles Risiko der Weiterübertragung (z. B. Tuberkulose, infektiöse Enteritis, Typhus abdominalis, Virushepatitiden, venerische Infektionen). Bei bestimmten Infektionen ist sogar an epidemische (z. B. Influenza) oder endemische (z. B. HIV-Infektion) Verbreitung möglich. Bei Hochrisiko-Pathogenen sind die Voraussetzungen für eine epidemische Ausbreitung in Europa nicht gegeben, die Möglichkeit einzelner Kontaktinfektionen ist jedoch nicht auszuschließen.
Die Voraussetzungen für Erfassung und zum Teil auch für adäquate Behandlung importierter Infektionen sind in Europa sehr unterschiedlich und insgesamt verbesserungswürdig. So bestehen derzeit erhebliche Unterschiede hinsichtlich Umfang und Art der Meldepflicht von Infektionskrankheiten sowie hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten von Verdachtsfällen bzw. gesicherten Erkrankungen durch Hochrisiko-Pathogenen. In Deutschland wird eine wesentliche Verbesserung der Datenlage durch das neue Infektionsschutzgesetz erwartet, das auch eine Etablierung adäquater Hochsicherheits-Behandlungseinheiten vorsieht.
Eine europäische Harmonisierung ist geplant. Die Etablierung einer zentralen europäischen Behörde, entsprechend den Centers of Disease Control der USA, wurde zurückgestellt zugunsten eines "Netzes der Netzwerke" aus bereits bestehenden und neuen Aktivitäten. Ein wichtiger Schritt hierbei ist der von der Europäischen Kommission geförderte Zusammenschluss der nationalen Behörden für das öffentliche Gesundheitswesen (Netz für die Überwachung und Kontrolle übertragbarer Krankheiten), deren Daten regelmäßig publiziert werden (EuroSurveillance). Daneben wurden Netzwerke speziell zur Erfassung importierter Erkrankungen gebündelt (z. B. TropNetEurop).
Reisethrombose
Ca. 62 Mio. Deutsche verreisen im Jahr, wobei davon 12 Mio. Transatlantikflüge durchgeführt werden. Das heißt, jeder siebte Deutsche unternimmt Flugreisen mit langen Reisezeiten.
Im venösen Gefäßsystem befinden sich ca. 85 Prozent unseres gesamten Blutes. Der Rücktransport des Blutes aus den unteren Extremitäten geschieht einmal durch die Herzpumpenfunktion, des Weiteren durch die Pulsationen der dicht an den Venen gelegenen Arterien und zum anderen durch das tiefe Venensystem im Bereich der unteren Extremitäten. Im Bereich der unteren Extremitäten unterscheiden wir ein oberflächliches und ein tiefes Venensystem. Das oberflächliche Venensystem sammelt das Blut aus der Haut und bringt es über Verbindungsvenen in die Tiefe. In der Tiefe werden die Venen durch die umgebende Muskulatur ausgedrückt. Damit das Blut nicht wieder zurückfließen kann, verhindern Venenklappen den Rückstrom wieder zu den Füßen hin.
Bedingt durch Vererbung, weibliche Hormone, mehrfache Schwangerschaften, Übergewicht, enge Kleider und mangelnde Bewegung kommt es zu einer Erweiterung der Venen. Damit schließen die Venenklappen nicht mehr und es kommt zu Krampfadernbildung. In den erweiterten Venen fließt das Blut nur langsam und kann so im Gefäß gerinnen, es entsteht die Thrombose. In Deutschland gibt es 20 Mio. Venenpatienten, d. h. jeder Vierte hat ein Venenleiden.
Beim Economy-Class-Syndrom entsteht schon allein durch das Sitzen in den engen Sitzreihen (manche Fluggesellschaften haben nur Abstände von 78 cm) eine so genannte Couchposition. In den Flugzeugkabinen kommen folgende Risikofaktoren hinzu:
- Erniedrigter Druck = größeres Herzminutenvolumen.
- Erhöhtes Austreten interstitieller Flüssigkeit aus dem Kapillarbereich der Gefäße.
- Erhöhte Flüssigkeitsverdunstung durch niedrige Luftfeuchtigkeit.
- Meist ungenügende Wasseraufnahme.
- Eventuell ausschwemmende Wirkung von Alkohol.
- Mangelnde Beweglichkeit.
Es konnte gezeigt werden, dass bei Langzeitreisen (nicht nur Flugzeug, auch Bahn, Bus, PKW) die Extremitäten um bis zu 1200 ml Flüssigkeit anschwellen. Thrombosen werden häufig nicht erkannt, sie können bis 14 Tage nach einer längeren Reise auftreten. Husten ist ein Indikator für eine eventuelle Lungenembolie. Fehldiagnosen werden mit Grippe, Bronchitis und HWS-Syndrom gestellt. Durch tödliche Embolien während der Flüge ist man nun aufmerksam geworden.
Varizen schränken die Flugreisetauglichkeit nicht ein, jedoch bedeuten sie ein deutliches Risiko. Insbesondere ist Vorsicht geboten, wenn bereits früher einmal eine Thrombose durchgemacht wurde. Ein Verbot für Flugreisen auf längeren Reisen besteht bei einer frischen Thrombose und einer frischen Lungenembolie, ein erhebliches Risiko bei einem postthrombotischen Syndrom und einer Stammvarikosis vom Stadium 4 mit Ekzemen und Ulzerationen. Zur Prophylaxe von Thrombosen gibt es für Venengesunde den Mediven-Travel-Strumpf, der nicht über die Krankenkasse verordnungsfähig ist, während der medizinische Kompressionsstrumpf bei Venenkranken auch verordnet werden kann.
Bei der stationären Strömung eines dichtebeständigen Fluids verhalten sich die Strömungsgeschwindigkeiten umgekehrt wie die Querschnitte. Somit kommt es zu einer effektiven Wirkung der Kompression, da der interstitielle Druck von außen her erhöht und damit die effektive Ultrahydrationskraft durch den Mediven-Travel-Strumpf erhöht wird. Zur Thromboseprophylaxe empfiehlt sich bei langen Reisezeiten das Tragen des Mediven-Travel-Strumpfes, Schuhe ausziehen, kreisende Bewegungen mit den Füßen ausüben und wenigstens einmal pro Stunde richtig strecken, wenn möglich im Flugzeug gehen und 0,5 Liter Flüssigkeit pro Stunde (keinen Alkohol) trinken.
Venentherapeutika und auch ASS haben sich prophylaktisch als nicht wirksam erwiesen, ASS wirkt nicht auf den venösen Teil des Kreislaufs. Die sicherste medikamentöse Prophylaxe ist die Gabe von 2000 bis 3000 Einheiten eines niedermolekularen Heparins.
Ausbleibender Hepatitis-B-Impfschutz – was kann man tun?
Derzeit gibt es 1,3 Prozent Non-Responder bei der Hepatitis-B-Schutzimpfung, d. h. es kommt nicht zur Bildung einer die Infektion ausschließenden Antikörper. Die Anzahl der Non-Responder ist altersabhängig, während sie bei Kindern wesentlich kleiner ist, steigt sie bei über 65-jährigen auf über 20 Prozent an. Neben dem Alter spielt wahrscheinlich auch das Geschlecht, das Körpergewicht und das Rauchen eine Rolle.
Um dennoch einen Impfschutz bei diesen Personen zu erzielen, kann versucht werden, den Impfort zu wechseln. Es gibt Hinweise, dass das weniger fette Gewebe in der Oberarmmuskulatur besser für die Impfung geeignet ist als die Injektion in den Glutaeus maximus. In verschiedenen Untersuchungen gab es dadurch um 4 bis 66 Prozent weniger Non-Responder. Weiter kann versucht werden, die Zahl der Teilimpfungen von drei auf vier oder fünf zu erhöhen, auch das bringt bei 15 bis 20 Prozent der Non-Responder im normalen Impfschema einen Erfolg.
Die Tatsache, dass sich bei der gleichzeitigen Impfung gegen Hepatitis A (Twinrix) ein über doppelt so großer Titer aufbaut, ist jedoch praktisch ohne große Bedeutung. Ebenso war der Versuch, Dialysepatienten mit der gleichzeitigen Gabe von Interleukin 2 erfolgreich zu impfen, ohne Erfolg. Die in einer Arbeit beschriebenen Erfolge der intradermalen Injektion kleiner Dosen konnte in anderen Untersuchungen nicht bestätigt werden. Die Hoffnungen beruhen neben dem Einsatz neuer Adjuvanzien wie z. B. oberflächenaktive Saponine oder nicht ionische Blockpolymere auf der Einführung neuer Virusproteine und besonders auf der Entwicklung einer DNA-Vakzine.
Nach Vorträgen von PD Dr. G.-D. Burchard, Berlin; Dr. W. Förster, München; Prof. Dr. W. Jilg, Regensburg; Prof. Dr. J. Knobloch, Tübingen; CA Dr. H. Kretschmer, Tübingen; Prof. Dr. T. Löscher, München; Dr. F.-J. Schingale, Pommelbrunn; Prof. Dr. S. W. Wassilew, Krefeld
Die medizinischen Maßnahmen vor einer Fernreise und die Versorgung krank zurückkehrender Reisender konnte mittlerweile weitgehend standardisiert und in Empfehlungen und Leitlinien gefasst werden, die von Ärzten und Reisenden zunehmend akzeptiert werden. Darstellung dieser reisemedizinischen Infrastruktur war neben anderen Schwerpunkten wie Tauchmedizin und Thromboserisiko von Reisenden Thema des diesjährigen Tags der Reisemedizin in Tübingen, wie Prof. Dr. J. Knobloch, Moderator und Direktor des Hauptveranstalters dem Institut für Tropenmedizin des Universitätsklinikums Tübingen, ausführte.
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