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Arzneimittel und Therapie
Hepatitis C: Weit verbreitet und schwer zu behandeln
Noch vor wenigen Jahren unterteilte man die durch Viren verursachten Leberentzündungen in Hepatitis A, Hepatitis B und NANB-Hepatitis, wobei N für Non (= nicht) steht. Heutzutage differenzieren Ärzte und Forscher die NANB-Hepatitis in Hepatitis C, D, E, F und G. Die gefährlichsten zwei Virusvarianten sind die Hepatitis B und die Hepatitis C, wobei es für die Hepatitis C derzeit noch keine Impfmöglichkeit gibt. In den USA stellt die Hepatitis C bereits die häufigste chronische Lebererkrankung dar. Insgesamt sind in Nord- und Westeuropa etwa 1 Prozent, in Südeuropa bis zu 2 Prozent und in Osteuropa sogar bis 5 Prozent der Bevölkerung betroffen. In Deutschland rechnet man mit etwa 800000 infizierten Menschen.
RNA-Virus aus der Gruppe der Flaviviren
Das Hepatitis-C-Virus selbst konnte erst Ende der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts identifiziert werden. Es handelt sich um ein RNA-Virus aus der Gruppe der Flaviviren. Von dem Virus sind bislang sieben verschiedene Varianten oder Untergruppen (HCV-Genotypen) bekannt. Je nach Region und Art der Ansteckung findet sich eine Häufung der einzelnen Genotypen. So kommt beispielsweise der Genotyp 1 vermehrt in Europa vor.
Aufgrund der weiten Verbreitung sprechen manche Experten bei der Hepatitis C von einer "stillen Seuche", denn viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie infiziert sind. Nach einer Infektion, hauptsächlich durch den direkten Austausch von Blutbestandteilen (Bluttransfusionen, Drogenkonsum), dauert die Inkubationszeit etwa 7 bis 8 Wochen. Dann kann es zum Ausbruch einer akuten Erkrankung kommen. Diese äußert sich lediglich bei ca. 10% der Patienten klassischerweise mit einer Leberentzündung, Fieber und Gelbsucht. Der überwiegende Teil der Erkrankten zeigt jedoch ganz uncharakteristische, schnell vorübergehende Krankheitszeichen wie unspezifische Müdigkeit, Leistungsschwäche, Übelkeit oder Druckgefühl im Oberbauch. Danach folgt eine Latenzphase, in der die Patienten zum größten Teil beschwerdefrei sind.
Chronische Leberentzündung
Bei etwa 85% der Hepatitis-C-Patienten geht die Erkrankung in eine langsam fortschreitende Form mit chronischer Entzündung der Leber über. Als Folge der jahrelang bestehenden Infektion kann sich auf dem Boden der Entzündung eine Leberzirrhose entwikkeln, und es besteht in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass sich ein Leberzellkrebs entwickelt. Etwa 15% aller Patienten mit einer chronischen Hepatitis-C-Infektion können im Laufe von Jahren diese schwer behandelbare, bösartige Tumorerkrankung bekommen.
Behandlung mit Interferon alfa
Die verschiedenen Genotypen der Hepatitis C sprechen unterschiedlich auf die derzeit einzige Therapie an, wobei sich Typ 1 als besonders resistent erweist. Für die Erstbehandlung der Hepatitis C ist bislang ausschließlich Interferon alfa zugelassen. Alpha-Interferon wird normalerweise vom Körper selbst - beispielsweise bei einer Grippe - zur Virusabwehr gebildet. Es hemmt die Virusvermehrung und stimuliert gleichzeitig die Aktivität bestimmter Abwehrzellen, die virusinfizierte Körperzellen erkennen und abtöten. Für die therapeutische Anwendung wird fast ausschließlich gentechnisch hergestelltes Interferon alfa verwendet. Bei rund zwei Dritteln der mit Interferon alfa behandelten Hepatitis-C-Patienten kommt es zeitweise zu einem Stillstand der Erkrankung; bei einem Drittel sogar zur dauerhaften Ausheilung der Infektion.
Durch die Kombination von Interferon alfa mit dem die Virusvermehrung ebenfalls hemmenden und möglicherweise immunstimulatorisch wirksamen Medikament Ribavirin können Ansprech- und Heilungsrate noch erhöht werden. In Deutschland ist diese Kombinationstherapie bisher jedoch nur für Patienten zugelassen, die nach einer ausschließlichen Behandlung mit Interferon alfa einen Rückfall erlitten haben.
Grippeartige Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen der Interferon-alfa-Behandlung sind grippeartige Störungen wie Müdigkeit, Schwäche, Niedergeschlagenheit, Fieber, die nötigenfalls gut behandelbar sind. Da körpereigenes Interferon wie auch von außen zugeführtes Interferon alfa rasch durch Enzyme abgebaut wird, muss es, um einen ausreichenden Wirkstoffspiegel aufrecht zu erhalten, in kurzen Abständen infundiert werden. Vor allem die hierbei auftretenden Konzentrationsschwankungen führen zu den unerwünschten Wirkungen. Deshalb wird nach Möglichkeiten gesucht, die Halbwertszeit von Interferon alfa im Blut zu erhöhen.
Verknüpfung mit PEG
Schon seit längerem weiß man, dass Proteine langsamer abgebaut werden, wenn man lange Polyethylenglykol-Moleküle an sie anknüpft. Polyethylenglykol, kurz PEG, ähnelt in seiner Struktur mehrfach aneinandergereihten Alkoholmolekülen und ist nicht toxisch. Der Pharmakonzern Roche hat diesen Weg beschritten und ein verzweigtes Polyethylenglykol an Interferon alfa gekoppelt. Dabei hängt die Schutzwirkung des PEG unter anderem von seiner Länge bzw. von seinem Molekulargewicht ab. Pegasys, so die kommerzielle Bezeichnung des neuen Arzneimittels, ist noch in der Entwicklung.
Wie Dr. Mary Graves, Leiterin der Biologie-Arbeitsgruppe in Welwyn Garden City, der englischen Niederlassung von Roche, bestätigt, "zeigen erste klinische Tests eine gute Verträglichkeit". Die therapeutische Effizienz sei mit der bisherigen Kombinationstherapie von Interferon alfa und Ribavirin vergleichbar, jedoch müsse das pegylierte Interferon anstatt dreimal nur einmal wöchentlich verabreicht werden. Pegasys soll im Jahre 2002 auf den Markt kommen.
Quellen: Roche Roundtable "New weapons against viral diseases" in Welwyn Garden City, GB, Oktober 2000; Interviews und Diskussionen mit verschiedenen Wissenschaftlern und Mitgliedern der Firmenleitung des britischen Roche-Forschungszentrums in Welwyn Garden City. Pressegespräch der Hoffmann-LaRoche AG Mitte März in Mannheim.
Hepatitis C ist eine verbreitete Erkrankung. Behandelt wird sie mit Interferon-alfa-Injektionen, doch die Therapie ist nicht immer erfolgreich. Sie ist teuer und darüber hinaus kommt es zu starken Nebenwirkungen. Durch die Verknüpfung des Interferons mit Polyethylenglycol soll die Verweildauer des Wirkstoffes im Blutkreislauf erhöht werden. Damit sollen die Nebenwirkungen reduziert und die Verträglichkeit der Therapie verbessert werden.
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