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Berichte
DAAD-Förderungsprogramm: Erforschung afrikanischer Arzneipflanzen in Kamerun
"Afrika – der vergessenen Kontinent", so wird öfters zitiert. Ein Kontinent im Aufbruch und Übergang zu neuen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systemen, gleichzeitig aber gebeutelt von tiefen Krisen und Rückschlägen. Alle Wege – revolutionäre und reaktionäre, kriegerische und friedliche – werden mehr oder weniger erfolgreich erprobt und verfolgt. Immer aber ist zu erfahren: "Lasst uns nicht alleine, wir brauchen solidarische Unterstützung mehr als je zuvor." Entwicklungshilfe kann auf vielen Ebenen geleistet werden.
Einheimische Arzneipflanzen besser nutzen
Wie der kürzlich in München stattgefundene 3.internationale Phytomedizin-Kongress gezeigt hat, sind Länder mit großem Arzneipflanzenreichtum in steigendem Maße an der Entwicklung wirkstoffoptimierter und standardisierter Pflanzenpräparate aus nationalen Ressourcen für die Arzneiversorgung ihrer eigenen Bevölkerung interessiert. Man hat längst verstanden, dass nur Phytopräparate mit hoher Qualität und Effektivität sowohl im Ursprungsland als auch in den westlichen Industrienationen eine Chance haben, mit synthetischen Präparaten bei der Behandlung leichter und mittelschwerer Krankheiten zu konkurrieren. Nur hohe Qualität, absolute Unbedenklichkeit und hinreichend belegte Wirksamkeit garantieren Akzeptanz von Arzneimitteln der traditionellen Medizin.
Wege der Zusammenarbeit
Lange Zeit war das Interesse von Forschern der Industrienationen Europas und Amerikas an den Arzneiressourcen der tropischen Länder einseitig auf die Erfordernisse der westlichen pharmazeutischen Großindustrie gerichtet. Nicht erst seit der Artenschutz-Deklaration von Rio de Janeiro haben sich in der Zwischenzeit die westlichen Industrienationen mit den Ländern Südamerikas, Afrikas und Ostasiens daraufhin verständigt, gemeinsam mit ihnen Arzneipflanzenforschung zu betreiben und den Nutzen und Profit der Forschung zu teilen.
Da die meisten Entwicklungsländer nicht über die entsprechenden Einrichtungen oder High-tech-Institute verfügen, um das riesige Potential noch unerforschter Pflanzen auf wirksame Arzneistoffe zu untersuchen, mussten neue Wege gefunden werden, um diese Aufgabe fachkundig und erfolgreich für beide angehen zu können. Zwei Wege können beschritten werden:
- die Zusammenarbeit der westlichen pharmazeutischen Großindustrie mit staatlichen Institutionen dieser Länder mit oder ohne eingeschaltete, überregionale Institutionen wie WHO oder deutsche Entwicklungszusammenarbeit oder
- eine direkte Kooperation zwischen Universitätslaboratorien beider Länder über spezielle Förder- und Austauschprogramme.
Sandwich-Programm
In Deutschland hat der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) mit dem Sandwich-Stipendium ein Förderinstrument geschaffen, das diesen Zielen in idealer Weise Rechnung trägt. Dieses Programm sieht vor, dass der aus dem Entwicklungsland an das Gastinstitut eingeladenen Doktorand (mit Master Degree) oder Forscher seine Experimentalarbeiten abwechselnd im Heimatland und in einem Institut in Deutschland durchführt. In der Regel soll dann die Promotion an der Universität des Heimatlandes stattfinden. Damit werden die Risiken einer zu langen Studienzeit im Gastland – bisher ca. vier bis fünf Jahre – vermieden.
Außerdem wird dadurch der Gefahr, dass sich der Stipendiat seiner Heimat entfremdet und im Gastland bleiben möchte, entgegengewirkt. Schließlich sind die Stipendien dafür gedacht, dass der Stipendiat nach Rückkehr an seine Heimatuniversität das Gelernte in der Lehre an die jüngeren Kollegen und Studenten weitergibt und die Kooperation mit dem Gastland weiter ausbaut.
Schwerpunkt Herz-Kreislauf-Mittel
Ein solches Arzneipflanzen-Projektvorhaben hat vor vier Jahren zwischen der Universität Yaoundé und dem Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität München sowie der Technischen Universität in München begonnen. Nach vierjähriger Forschungsarbeit, davon zwei Jahre Aufenthalt in den Gastlaboratorien, konnten nun die beiden ersten Stipendiaten an ihrer Heimatuniversität ihre Experimentalarbeiten mit der Promotion erfolgreich abschließen.
In einem zielorientierten Forschungskonzept hatte man sich vorab gemeinsam geeinigt, solche Pflanzen für die Bearbeitung auszuwählen, die in der traditionellen Medizin Kameruns für die Behandlung kardiovaskulärer und entzündlicher Erkrankungen angewendet werden. Für diese Indikationsgebiete standen in den Münchner Gastlaboratorien – die phytochemische Forschung am Institut für Pharmazeutische Biologie der Uni München stand unter der Leitung von Prof. Dr. H. Wagner, der pharmakologische Teil wurde am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der TU München unter Leitung von Prof. Dr. W. Vierling durchgeführt – zum Screening die entsprechenden In-vitro-Modelle und das erforderliche Know-how zur Verfügung.
Kardiovaskuläre Erkrankungen zählen derzeit, neben Infektionskrankheiten inklusive AIDS und Hepatitis B und C, Krebs, Neuro-Zerebral-Erkrankungen (M. Alzheimer) oder Autoimmunerkrankungen wie Asthma oder Morbus Crohn, zu den fünf Top-Indikationsgebieten, wofür weltweit nach alternativen Wirkstoffen mit fehlenden oder geringen Nebenwirkungen gesucht wird.
Die Titel der beiden Dissertationen, eingereicht bei der Fakultät für Biologie und Physiologie an der Universität Yaoundé, lauten:
- Martin Salah Anchang: "Effects of Hibiscus sabdariffa, Ruellia praetermissa and Commelina congesta extracts on Tracheal, Ileal and Uterine Smooth and Papillary Muscles of Guinea Pig."
- Alain Bertrand Dongmo: "Chemical and Pharmacological Studies of some Extracts of Erythrophleum suaveolens and Mitragyna ciliata." (Die Ergebnisse kommen demnächst zur Veröffentlichung.)
Die beiden Arbeiten wurden in Kamerun von Prof. Dr. A. Kamanyi, jetzt Universität Dschang, betreut, der während eines eigenen, voraus gegangenen Forschungsaufenthalt in München maßgeblich zur Initiierung dieses Wissenschaftsaustausches beigetragen hatte. Zur Weiterführung der Forschungsarbeiten des vorliegenden Projekts im Heimatland konnten für die Beschaffung der fehlenden apparativen Einrichtungen Finanzmittel eingeworben werden. Das Sandwich-Förderprogramm sieht zur Stärkung der Institutsbindungen und zum Wissenschaftsaustausch ausdrücklich den Besuch der hiesigen Supervisoren im Gastland vor. Zu den Doktorprüfungen an der Universität Yaoundé am 18./19. April 2001 waren außer den Professoren des dortigen Prüfungsausschusses die Professoren Wagner, Vierling und M. A. Lacaille-Dubois anwesend. Prof. Lacaille-Dubois ist Leiterin der Abteilung Pharmacognosie an der Faculté de Pharmacie der Université de Bourgogne in Dijon und seit 1998 in dieses Forschungsprojekt eingebunden.
Ausweitung des forschungsprogramms
Weitere Gastvorträge der europäischen Besucher an den Universitäten von Duala – dort lehrt Dr. Dongmo seit seiner Rückkehr – und Dschang gaben einen aufschlussreichen Einblick in die universitäre Situation von Kamerun. Der Andrang der Studierenden ist groß. Erst in den vergangenen zehn Jahren wurden zur ursprünglich einzigen Universität in Yaoundé sieben weitere Hochschulen gegründet. Deren Gebäude sind neu und großzügig auf meist weitläufigem Campus, aber die nötigen Arbeits- und Forschungsausrüstungen stehen noch auf der Warteliste.
Das begonnene DAAD-Projekt soll nunmehr weitergeführt werden. Gedacht ist an die Entsendung weiterer DAAD-Stipendiaten und eine Erweiterung der Screening Programme durch Laboratorien, die vor allem auf dem virologischen Gebiet spezialisiert sind und bereit sind, Stipendiaten für einen Zeitraum von einem halben bis zu einem ganzen Jahr aufzunehmen. Die Erweiterung dieses Programms setzt auch voraus, dass in den Kameruner Laboratorien vor allem die Laborausstattung für die phytochemische Bearbeitung verbessert wird. Die Strukturaufklärung von isolierten Wirkstoffen soll dann in Deutschland durchgeführt werden.
Zur Zeit laufen Bemühungen, Fördergelder für den Kauf von Geräten oder Laborgeräten, die von Hochschulen oder in der Industrie nicht mehr benötigt werden, aber noch intakt sind, zu erhalten. Die deutschen Institutionen können als Kompensation Drogenmaterial aus Kamerun beziehen.
Das Mount Cameroon Project
"Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen" – ein vielbenütztes Schlagwort heute, ist nicht immer ein leichtes Vorhaben. Das macht ein anderes deutsch-kamerunisches Projekt deutlich: Seit 1994 arbeitet das mit Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (BMZ/GTZ) finanzierte "Mount Cameroon Project" (MCP) in einem integrierten Naturschutzvorhaben daran, die ländliche Bevölkerung und andere Nutzergruppen in die Lage zu versetzen, die natürliche Ressourcen der Bergregion zu schützen und nachhaltig zu nutzen.
Der Kamerunberg, mit 4090m der höchste Berg West- und Zentralafrikas, steigt als immer noch aktiver Vulkankegel - in den Jahren 1999 und 2000 waren die letzten großen Ausbrüche, bei denen sich breite Lavaströme zum Meer hinab wälzten - direkt aus dem Atlantik auf und bestimmt Bild und Klima der Südwestprovinz des Landes. Seine dem Meer zugewandte Seite gehört zu den niederschlagreichsten Regionen der Erde. Die tropischen Regen- und Nebelwälder am Mount Cameroon mit etwa 7000 bis 8000 Pflanzenarten werden zu den zehn artenreichsten Gebieten der Welt gezählt und auf Grund dieser hohen Biodiversität als "critical sites" (schutzbedürftige Zonen) eingestuft.
Die afromontane Baumart Prunus africana (syn. Pygeum africanum), im Volksmund "Red Stinkwood", "African Cherry" oder "Bitter Almond" genannt, ist ein Beispiel für eine in diesem Waldbestand vorkommende Medizinalpflanze, die durch internationale Nachfrage und die damit verbundene intensive Exploitation unter großem Druck steht. Die einheimische Bevölkerung verwendet Rindenabkochungen oder Rindenpulver in Milch bei Fieber, Malaria, Bauch- und Brustschmerzen und bei Störungen der Harnblasenfunktion und der Potenz. Seit etwa 1965 gewannen lipophile Rindenextrakte in Italien, den USA und vor allem in Frankreich, weniger in Deutschland, zur Behandlung von benigner Prostatahyperplasie an Interesse. Der Handelswert von Prunus-africana-Präparaten lag 1999 bei etwa 220 Millionen US-Dollar. Freie und konjugierte Phytosterole, pentazyklische Terpene und Myristicinsäure macht man für eine antioxidative Wirkung des Extrakts sowie seine Hemmung der 5-α-Reductase und der Fibroblasten-Proliferation verantwortlich.
Prunus africana wurde für die Gegend am Mt. Cameroon ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Weltweit werden etwa 4000 t Rinde pro Jahr gehandelt, ein Viertel liefert Kamerun. Lange Zeit wurden zur Gewinnung der Rinde in den Hauptlieferländern Madagaskar, Kenia und Kamerun die Bäume einfach gefällt und entrindet. In kürzester Zeit hatten sich die Bestände des relativ langsam wachsenden Baumes besorgniserregend dezimiert, sodass die Art 1994 in den Anhang II (Ausfuhrbeschränkung) des internationalen Artenschutzabkommen CITES aufgenommen wurde. Seitdem durfte nur noch mit Lizenz der kamerunischen Behörden gesammelt werden.
Nachhaltige Nutzung – oft eine schwierige Realität
Im Rahmen des MCP wird nun versucht, mit Hilfe von alternativen Schälpraktiken – die Rinde wächst wie bei der Korkeiche wieder nach – und nachhaltigen Handelsregulierungen das Aussterben der Art am Mt. Cameroon zu verhindern. Kein leichtes Unterfangen: Zuerst einmal musste die ländliche Bevölkerung von der Idee der nachhaltigen Nutzung überzeugt werden. Denn bislang hatten die meisten Sammler, oft von weit her angeheuert, soviel Rinde wie möglich – lizensiert oder schwarz – an den Hauptabnehmer Plantecam geliefert, ein französisches Pharmaunternehmen mit einem Extraktionsbetrieb bei Buea, der Hauptstadt der Region (jährlich verarbeitete Menge bis zu 1500t Prunusrinde). Eine vom MCP 1996 durchgeführte Inventarisierung der Bestände ergab, dass sie nur bei einer Erntehöchstmenge von 300t pro Jahr langfristig erhalten werden können. Die kamerunischen Regierung folgte 1999 der Empfehlung mit entsprechend reduzierten Sammel-Lizenzen.
In einem vom MCP initiierten Pilotprojekt haben sich vorerst zwei Dörfer zu Sammler-Genossenschaften zusammengeschlossen. So können Zwischenhändler ausgeschaltet, Erntemengen und Preise selbst angemessen geregelt und der Schwarzmarkt in Schach gehalten werden. Ein Teil der Einkünfte wird individuell verteilt, der Rest geht in eine Gemeinschaftskasse zur Dorfentwicklung. Mit wild gesammelten Setzlingen werden erste Pflanzungsversuche gemacht und Jungpflanzen an andere Regionen verkauft, wo Prunus durch Übererntung bereits ausgerottet ist. Derzeit wird vom MCP der Anschluss weiterer Dörfer an die Genossenschaft angestrebt. Die Vergabe von Sammellizenzen kann in Zukunft von den maßgeblichen Ministerien direkt an die regionale Prunus-Management-Organisation erfolgen.
Die Genossenschaft weist inzwischen selbst ihre Sammler in der Technik der nachhaltigen Ernte ein. Wenn die Prunusbäume nur an jeweils gegenüberliegenden Seite von Brusthöhe bis zur ersten Verzweigung geschält werden, also die Hälfte der Rinde intakt bleibt, dann kann sie sich innerhalb der nächsten vier Jahre wieder regenerieren, und der Baum bleibt erhalten. Nach vier bis fünf Jahren werden die anderen Partien geschält.
Das Mount Cameroon Project läuft noch bis 2005, bis dahin hofft man das Überleben der Art Prunus africana gesichert und den ländlichen Gemeinden eine stabile und ausdauernde Einkommensquelle eröffnet zu haben. Als Endziel wird eine genossenschaftseigene Extraktionsfirma angestrebt, ganz im Sinne der Rio-Konvention von 1992, die eine Verarbeitung der Ressourcen im eigenen Land propagiert. Denn leider hat sich die Firma Plantecam, die bis 1999 das Lizenz- und Verarbeitungsmonopol der Region innehatte, nicht als kooperativ erwiesen. Die Extraktproduktion wurde Anfang 2000 eingestellt. Angeblich bezieht die französische Stammfirma ihren Prunus-Bedarf wieder aus Madagaskar. Dr. Seitz, München
Literatur
Hass M.A. et al.: Identification of components of Prunus africana extract that inhibit lipid peroxidation. Phytomedicine 6, 379–388 (1999). Cunningham M., Cunningham A.B., Schippmann U.: Trade in Prunus africana and the Implementation of CITES. Bundesamt für Naturschutz, Bonn, Münster 1997. J. Linke: Benefit-sharing arrangements – theory and practice: The example of Prunus africana in the Mt. Cameroon Region. 1998. (www.fao.org/forestry/include/frames/english.asp oder www.gtz.de oder www.ecoport.org)
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